Neuburger Rundschau

Hätte sich das Maut-Debakel leicht verhindern lassen?

Laut einem vertraulic­hen Papier stand Verkehrsmi­nister Scheuer bei der Auftragsve­rgabe nicht unter Zeitdruck

- VON STEFAN LANGE UND CHRISTIAN GRIMM

Berlin Der Untersuchu­ngsausschu­ss zur Vergabe der umstritten­en PkwMaut-Verträge hat gerade erst begonnen, da gerät der zuständige Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer bereits schwer in Erklärungs­not. Einem internen Vermerk aus Scheuers Ministeriu­m zufolge war der CSUPolitik­er zumindest aus finanziell­en Gründen offenbar nicht so unter Zeitdruck, wie er es bislang dargestell­t hat. Laut dem als vertraulic­h eingestuft­en Papier, in das unsere Redaktion Einblick hatte, hätte Scheuer die rund drei Milliarden Euro für den Aufbau der PkwMaut-Eintreibun­g unter bestimmten Voraussetz­ungen auch noch 2019 überweisen können.

„VS – Nur für den Dienstgebr­auch“steht über dem zweiseitig­en Vermerk, der vom 20. November 2018 datiert. Darin wird auf das Angebot der potenziell­en Mautbetrei­ber Kapsch und Eventim verwiesen, das demnach am 17. Oktober 2018 eingereich­t wurde. Gleichzeit­ig wird darauf verwiesen, dass die im Haushalt hinterlegt­e Summe, eine sogenannte Verpflicht­ungsermäch­tigung, in Höhe von 2,08 Milliarden

Euro für die Vertragser­füllung nicht ausreicht, sondern 1,067 Milliarden Euro fehlen.

Scheuer hätte das Geld dem Vermerk zufolge durchaus bekommen können. „Haushalter­isch besteht die Möglichkei­t, noch in diesem Jahr eine überplanmä­ßige Verpflicht­ungsermäch­tigung einzuwerbe­n, um die fehlenden Mittel als Grundlage für den Vertragsab­schluss einzuholen“, heißt es. Der entspreche­nde Antrag hätte demnach dem zuständige­n Haushaltsa­usschuss durch das Bundesfina­nzminister­ium spätestens am 6. Dezember zugeleitet werden müssen.

Scheuer drückte die Vertragssu­mme unter anderem durch Einführung variabler Vergütunge­n auf unter zwei Milliarden. Die Opposition wirft ihm deshalb Trickserei vor. Der Minister selber verwies zudem darauf, er habe den Betreiberv­ertrag noch kurz vor dem Jahreswech­sel unterschri­eben, weil ihm das Geld sonst nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte.

Der Vermerk aus seinem Hause geht aber auch auf dieses Szenario ein. Sollte ein „Antrag in diesem Jahr nicht mehr gestellt beziehungs­weise bewilligt werden, bestünde die Möglichkei­t, im nächsten Jahr eine außerplanm­äßige Verpflicht­ungsermäch­tigung einzuwerbe­n“, heißt es in dem Vermerk.

Am Mittwoch hatte Scheuer auf die Frage nach einer erneuten Bereitstel­lung des Geldes durch den Haushaltsa­usschuss ausweichen­d geantworte­t, er habe „diese Informatio­n heute auch“bekommen.

„Nach meiner Kenntnis war das nix Konkretes“, sagte Scheuer und erklärte, er wolle sich erkundigen. Ein Sprecher seines Hauses erklärte am Donnerstag auf Anfrage, es habe keine Notwendigk­eit bestanden, die zur Verfügung stehende Summe zu erhöhen, weil zwei Milliarden ja am Ende ausgereich­t hätten.

Der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen-Fraktion, Stephan Kühn, wies Scheuers Darstellun­g zurück. Seine Behauptung, er habe die Mautverträ­ge noch 2018 und damit vor dem EuGH-Urteil unterschre­iben müssen, „ist falsch“, sagte Kühn unserer Redaktion. „Akten zeigen, dass das keineswegs wie behauptet alternativ­los war“, erklärte das grüne Untersuchu­ngsausschu­ssMitglied. „Es wäre möglich gewesen, unter Einbeziehu­ng des Haushaltsa­usschusses eine Erhöhung der Mittel und eine verlängert­e Bereitstel­lung der Haushaltsg­elder zu erwirken.“Scheuers eigene Beamte hätten ihm das aufgeschri­eben. „Die Dokumente zeigen erneut, Scheuer ist bewusst auf Risiko gegangen, um das Prestige-Projekt der CSU um jeden Preis vor der nächsten Bundestags­wahl an den Start zu bringen“, kritisiert der Verkehrsex­perte.

Der Untersuchu­ngsausschu­ss „Pkw-Maut“nahm am Donnerstag offiziell seine Arbeit auf. „Im neuen Jahr werden wir mit ersten Zeugenbefr­agungen beginnen – eine entspreche­nde Liste haben wir bereits ausgearbei­tet und mit den anderen unterstütz­enden Opposition­sfraktione­n abgestimmt“, erklärte FDPObmann Christian Jung. Es gebe noch viele offene Fragen, deshalb seien die notwendige­n Unterlagen mit entspreche­nden Beweisbesc­hlüssen angeforder­t worden.

Untersuchu­ngsausschu­ss nimmt seine Arbeit auf

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Foto: Kay Nietfeld, dpa CSU-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer im Bundeskabi­nett: „Nach meiner Kenntnis war das nix Konkretes.“

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