Hätte sich das Maut-Debakel leicht verhindern lassen?
Laut einem vertraulichen Papier stand Verkehrsminister Scheuer bei der Auftragsvergabe nicht unter Zeitdruck
Berlin Der Untersuchungsausschuss zur Vergabe der umstrittenen PkwMaut-Verträge hat gerade erst begonnen, da gerät der zuständige Verkehrsminister Andreas Scheuer bereits schwer in Erklärungsnot. Einem internen Vermerk aus Scheuers Ministerium zufolge war der CSUPolitiker zumindest aus finanziellen Gründen offenbar nicht so unter Zeitdruck, wie er es bislang dargestellt hat. Laut dem als vertraulich eingestuften Papier, in das unsere Redaktion Einblick hatte, hätte Scheuer die rund drei Milliarden Euro für den Aufbau der PkwMaut-Eintreibung unter bestimmten Voraussetzungen auch noch 2019 überweisen können.
„VS – Nur für den Dienstgebrauch“steht über dem zweiseitigen Vermerk, der vom 20. November 2018 datiert. Darin wird auf das Angebot der potenziellen Mautbetreiber Kapsch und Eventim verwiesen, das demnach am 17. Oktober 2018 eingereicht wurde. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass die im Haushalt hinterlegte Summe, eine sogenannte Verpflichtungsermächtigung, in Höhe von 2,08 Milliarden
Euro für die Vertragserfüllung nicht ausreicht, sondern 1,067 Milliarden Euro fehlen.
Scheuer hätte das Geld dem Vermerk zufolge durchaus bekommen können. „Haushalterisch besteht die Möglichkeit, noch in diesem Jahr eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung einzuwerben, um die fehlenden Mittel als Grundlage für den Vertragsabschluss einzuholen“, heißt es. Der entsprechende Antrag hätte demnach dem zuständigen Haushaltsausschuss durch das Bundesfinanzministerium spätestens am 6. Dezember zugeleitet werden müssen.
Scheuer drückte die Vertragssumme unter anderem durch Einführung variabler Vergütungen auf unter zwei Milliarden. Die Opposition wirft ihm deshalb Trickserei vor. Der Minister selber verwies zudem darauf, er habe den Betreibervertrag noch kurz vor dem Jahreswechsel unterschrieben, weil ihm das Geld sonst nicht mehr zur Verfügung gestanden hätte.
Der Vermerk aus seinem Hause geht aber auch auf dieses Szenario ein. Sollte ein „Antrag in diesem Jahr nicht mehr gestellt beziehungsweise bewilligt werden, bestünde die Möglichkeit, im nächsten Jahr eine außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigung einzuwerben“, heißt es in dem Vermerk.
Am Mittwoch hatte Scheuer auf die Frage nach einer erneuten Bereitstellung des Geldes durch den Haushaltsausschuss ausweichend geantwortet, er habe „diese Information heute auch“bekommen.
„Nach meiner Kenntnis war das nix Konkretes“, sagte Scheuer und erklärte, er wolle sich erkundigen. Ein Sprecher seines Hauses erklärte am Donnerstag auf Anfrage, es habe keine Notwendigkeit bestanden, die zur Verfügung stehende Summe zu erhöhen, weil zwei Milliarden ja am Ende ausgereicht hätten.
Der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Stephan Kühn, wies Scheuers Darstellung zurück. Seine Behauptung, er habe die Mautverträge noch 2018 und damit vor dem EuGH-Urteil unterschreiben müssen, „ist falsch“, sagte Kühn unserer Redaktion. „Akten zeigen, dass das keineswegs wie behauptet alternativlos war“, erklärte das grüne UntersuchungsausschussMitglied. „Es wäre möglich gewesen, unter Einbeziehung des Haushaltsausschusses eine Erhöhung der Mittel und eine verlängerte Bereitstellung der Haushaltsgelder zu erwirken.“Scheuers eigene Beamte hätten ihm das aufgeschrieben. „Die Dokumente zeigen erneut, Scheuer ist bewusst auf Risiko gegangen, um das Prestige-Projekt der CSU um jeden Preis vor der nächsten Bundestagswahl an den Start zu bringen“, kritisiert der Verkehrsexperte.
Der Untersuchungsausschuss „Pkw-Maut“nahm am Donnerstag offiziell seine Arbeit auf. „Im neuen Jahr werden wir mit ersten Zeugenbefragungen beginnen – eine entsprechende Liste haben wir bereits ausgearbeitet und mit den anderen unterstützenden Oppositionsfraktionen abgestimmt“, erklärte FDPObmann Christian Jung. Es gebe noch viele offene Fragen, deshalb seien die notwendigen Unterlagen mit entsprechenden Beweisbeschlüssen angefordert worden.
Untersuchungsausschuss nimmt seine Arbeit auf