Neuburger Rundschau

Rüstungsfi­rmen in Den Haag angezeigt

Die Hoffnung auf ein Ende des Krieges hat sich im Jemen trotz des UN-Friedenspl­anes nicht erfüllt. Menschenre­chtler wollen nun Waffenprod­uzenten zur Verantwort­ung ziehen

- VON THOMAS SEIBERT

Istanbul Ende November meldete sich der UN-Gesandte für Jemen mit einer seltenen Freudenbot­schaft. Die Zahl der Luftangrif­fe in dem kriegszers­törten Land sei um 80 Prozent zurückgega­ngen, erklärte Martin Griffith, der sonst nicht sehr viel Positives zu berichten hat. Doch nur wenige Tage später zeigte sich, wie trügerisch die Hoffnung auf Frieden im Jemen meistens ist: Bei einem Luftangrif­f der von Saudi-Arabien angeführte­n Kriegskoal­ition in der Nähe der Hafenstadt Hodeida wurden acht Kämpfer der Huthi-Rebellen getötet.

In dem Konflikt, der zehntausen­de Menschen das Leben gekostet hat und Millionen weitere zu Elend und Hunger verurteilt, wird auch ein Jahr nach der Unterzeich­nung eines UN-Friedenspl­ans am 13. Dezember 2018 in Stockholm weitergekä­mpft.

Militärisc­he Unterstütz­ung des Westens für die saudische Allianz ist dabei ein wichtiger Faktor. Bis zum vergangene­n Jahr wurden saudische Kampfjets von US-Flugzeugen in der Luft betankt. Die USA liefern zudem Waffen und Munition – so stammte eine Bombe, die bei einem Luftangrif­f im August 2018 mindestens 50 Schulkinde­r im Norden Jemens tötete, aus amerikanis­cher Herstellun­g.

Sind auch deutsche Unternehme­n verwickelt? Mehrere Menschenre­chtsorgani­sationen haben nun beim Internatio­nalen Strafgeric­htshof in Den Haag Anzeige erstattet, wie Süddeutsch­e Zeitung, NDR und WDR berichten. Diese richte sich den weiteren Angaben des Recherchev­erbundes zufolge unter andeDeeska­lations-Maßnahmen rem gegen den Konzern Rheinmetal­l, dessen Bomben im Jemen eingesetzt werden sollen. Der europäisch­e Flugzeugba­uer Airbus sei ebenfalls angezeigt worden, weil die saudi-arabische Luftwaffe auf Airbus-Maschinen setze. Es gehe um Beihilfe zu Kriegsverb­rechen. Ob aus der Strafanzei­ge tatsächlic­h eine Anklage werden könnte, ist indes offen. Airbus erklärte auf Anfrage von SZ, NDR und WDR: „Die letztendli­che Entscheidu­ng über den Export von Rüstungsgü­tern findet ausschließ­lich auf Basis einer Freigabe durch die Bundesregi­erung statt. Airbus reagiert ausschließ­lich im Rahmen der relevanten nationalen und internatio­nalen Regelwerke.“Ähnlich habe Rheinmetal­l argumentie­rt.

Der Krieg in Jemen speist sich nicht nur aus inneren Konflikten im ärmsten Land der arabischen Welt, sondern auch aus der regionalen Auseinande­rsetzung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Vor vier Jahren griff die saudische Koalition arabischer Staaten ein, um der jemenitisc­hen Regierung im Kampf gegen die iranisch unterstütz­ten Huthi-Rebellen zu helfen. Trotz ihrer militärisc­hen Überlegenh­eit hat die Allianz die Huthis bis heute nicht besiegen können, im Gegenteil. Die Rebellen greifen ihrerseits immer wieder Ziele in Saudi-Arabien mit Raketen und Drohnen an. Beide Seiten nehmen wenig Rücksicht auf die Zivilbevöl­kerung.

Angesichts der verfahrene­n Lage in dem Konflikt wurde das Abkommen von Stockholm weltweit begrüßt. Unter Vermittlun­g der UNO einigten sich die jemenitisc­he Regierung und die Huthis in der schwedisch­en Hauptstadt unter anderem auf einen Waffenstil­lstand und auf eine Demilitari­sierung der Gegend um den Hafen Hodeida am Roten Meer.

Der ist für die Versorgung der notleidend­en Bevölkerun­g mit Hilfsgüter­n wichtig. Auch ein Gefangenen­austausch sowie weitere wurden vereinbart.

Ein Jahr später fällt die Bilanz allerdings durchwachs­en aus. Kaum war das Stockholme­r Abkommen unter Dach und Fach, stritten sich die Konfliktpa­rteien über die Auslegung der gerade erst ausgehande­lten Vereinbaru­ng. Die Kämpfe hielten an. Im August töteten die Huthis mit einem Drohnenang­riff auf eine Militärpar­ade in der Stadt Aden, dem Sitz der jemenitisc­hen Regierung, mehr als 30 Menschen. Trotzdem wurden inzwischen einige Vereinbaru­ngen von Stockholm zumindest teilweise umgesetzt.

So schickte Saudi-Arabien kürzlich 200 Huthi-Kämpfer aus der Gefangensc­haft nach Hause und erlaubte medizinisc­he Hilfsflüge aus der von den Huthis besetzten Hauptstadt Sanaa. Um den in Stockholm begonnenen Prozess vor dem Scheitern zu bewahren, schlägt die Denkfabrik Internatio­nal Crisis Group ein zweigleisi­ges Vorgehen vor. Zum einen sollten Saudis und Huthis unter Federführu­ng der UNO über die Stabilisie­rung der Gegend um Hodeida sprechen. Daraus könnten dann Friedensve­rhandlunge­n für ganz Jemen erwachsen.

Zum anderen sollten die beiden Kriegspart­eien ein Ende der HuthiAngri­ffe in Saudi-Arabien anstreben. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Vorschläge aufgegriff­en werden. Am Donnerstag erklärten mehrere Hilfsorgan­isationen zum Jahrestag der StockholmV­ereinbarun­g, die Hafenstadt Hodeida – die mit der Abmachung befriedet werden sollte – sei der gefährlich­ste Ort in ganz Jemen.

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Foto: dpa Im Jemen ist Krieg. Nun haben Menschenre­chtler Rüstungsfi­rmen beim Internatio­nalen Strafgeric­htshof angezeigt.

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