Rüstungsfirmen in Den Haag angezeigt
Die Hoffnung auf ein Ende des Krieges hat sich im Jemen trotz des UN-Friedensplanes nicht erfüllt. Menschenrechtler wollen nun Waffenproduzenten zur Verantwortung ziehen
Istanbul Ende November meldete sich der UN-Gesandte für Jemen mit einer seltenen Freudenbotschaft. Die Zahl der Luftangriffe in dem kriegszerstörten Land sei um 80 Prozent zurückgegangen, erklärte Martin Griffith, der sonst nicht sehr viel Positives zu berichten hat. Doch nur wenige Tage später zeigte sich, wie trügerisch die Hoffnung auf Frieden im Jemen meistens ist: Bei einem Luftangriff der von Saudi-Arabien angeführten Kriegskoalition in der Nähe der Hafenstadt Hodeida wurden acht Kämpfer der Huthi-Rebellen getötet.
In dem Konflikt, der zehntausende Menschen das Leben gekostet hat und Millionen weitere zu Elend und Hunger verurteilt, wird auch ein Jahr nach der Unterzeichnung eines UN-Friedensplans am 13. Dezember 2018 in Stockholm weitergekämpft.
Militärische Unterstützung des Westens für die saudische Allianz ist dabei ein wichtiger Faktor. Bis zum vergangenen Jahr wurden saudische Kampfjets von US-Flugzeugen in der Luft betankt. Die USA liefern zudem Waffen und Munition – so stammte eine Bombe, die bei einem Luftangriff im August 2018 mindestens 50 Schulkinder im Norden Jemens tötete, aus amerikanischer Herstellung.
Sind auch deutsche Unternehmen verwickelt? Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben nun beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Anzeige erstattet, wie Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR berichten. Diese richte sich den weiteren Angaben des Rechercheverbundes zufolge unter andeDeeskalations-Maßnahmen rem gegen den Konzern Rheinmetall, dessen Bomben im Jemen eingesetzt werden sollen. Der europäische Flugzeugbauer Airbus sei ebenfalls angezeigt worden, weil die saudi-arabische Luftwaffe auf Airbus-Maschinen setze. Es gehe um Beihilfe zu Kriegsverbrechen. Ob aus der Strafanzeige tatsächlich eine Anklage werden könnte, ist indes offen. Airbus erklärte auf Anfrage von SZ, NDR und WDR: „Die letztendliche Entscheidung über den Export von Rüstungsgütern findet ausschließlich auf Basis einer Freigabe durch die Bundesregierung statt. Airbus reagiert ausschließlich im Rahmen der relevanten nationalen und internationalen Regelwerke.“Ähnlich habe Rheinmetall argumentiert.
Der Krieg in Jemen speist sich nicht nur aus inneren Konflikten im ärmsten Land der arabischen Welt, sondern auch aus der regionalen Auseinandersetzung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. Vor vier Jahren griff die saudische Koalition arabischer Staaten ein, um der jemenitischen Regierung im Kampf gegen die iranisch unterstützten Huthi-Rebellen zu helfen. Trotz ihrer militärischen Überlegenheit hat die Allianz die Huthis bis heute nicht besiegen können, im Gegenteil. Die Rebellen greifen ihrerseits immer wieder Ziele in Saudi-Arabien mit Raketen und Drohnen an. Beide Seiten nehmen wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung.
Angesichts der verfahrenen Lage in dem Konflikt wurde das Abkommen von Stockholm weltweit begrüßt. Unter Vermittlung der UNO einigten sich die jemenitische Regierung und die Huthis in der schwedischen Hauptstadt unter anderem auf einen Waffenstillstand und auf eine Demilitarisierung der Gegend um den Hafen Hodeida am Roten Meer.
Der ist für die Versorgung der notleidenden Bevölkerung mit Hilfsgütern wichtig. Auch ein Gefangenenaustausch sowie weitere wurden vereinbart.
Ein Jahr später fällt die Bilanz allerdings durchwachsen aus. Kaum war das Stockholmer Abkommen unter Dach und Fach, stritten sich die Konfliktparteien über die Auslegung der gerade erst ausgehandelten Vereinbarung. Die Kämpfe hielten an. Im August töteten die Huthis mit einem Drohnenangriff auf eine Militärparade in der Stadt Aden, dem Sitz der jemenitischen Regierung, mehr als 30 Menschen. Trotzdem wurden inzwischen einige Vereinbarungen von Stockholm zumindest teilweise umgesetzt.
So schickte Saudi-Arabien kürzlich 200 Huthi-Kämpfer aus der Gefangenschaft nach Hause und erlaubte medizinische Hilfsflüge aus der von den Huthis besetzten Hauptstadt Sanaa. Um den in Stockholm begonnenen Prozess vor dem Scheitern zu bewahren, schlägt die Denkfabrik International Crisis Group ein zweigleisiges Vorgehen vor. Zum einen sollten Saudis und Huthis unter Federführung der UNO über die Stabilisierung der Gegend um Hodeida sprechen. Daraus könnten dann Friedensverhandlungen für ganz Jemen erwachsen.
Zum anderen sollten die beiden Kriegsparteien ein Ende der HuthiAngriffe in Saudi-Arabien anstreben. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Vorschläge aufgegriffen werden. Am Donnerstag erklärten mehrere Hilfsorganisationen zum Jahrestag der StockholmVereinbarung, die Hafenstadt Hodeida – die mit der Abmachung befriedet werden sollte – sei der gefährlichste Ort in ganz Jemen.