Neuburger Rundschau

Ein bisschen Luxus trotz Armut

Cécile Bergmann hatte eine Idee. Sie wollte Frauen, die wenig Geld haben, etwas Luxus schenken. Für einen Wohlfühlta­g suchte sie Mitstreite­r und fand sie. Was der Tag Beschenkte­n und Schenkende­n gebracht hat

- VON MANFRED RINKE

Neuburg Einen solchen Haarschnit­t hätte sich Sarah niemals leisten können. Rund 80 Euro hätte sie dafür bezahlen müssen. Und die Rückenmass­age, die sie genießen durfte, war etwas ganz Neues für die 25-Jährige. „So was hatte ich noch nie“, sagt sie. Genauso wie die Yoga-Stunde. Weil sie so aufgeregt war und deshalb an ihren Fingernäge­ln gekaut hat, ließ sie die Maniküre sausen. Das wäre Teil vier eines Wohlfühlta­ges gewesen, der zehn Frauen geschenkt wurde. So nach dem Motto: „Ein wenig Luxus trotz Armut.“

Es war eine Idee von Cécile Bergmann, mit der sie bei Caritas-Mitarbeite­r André Meyer (Leiter Kontaktund Begegnungs­stätte „Die Weiche“) auf offene Ohren stieß. Bergmann, die sich ehrenamtli­ch beim Malteser-Hilfsdiens­t engagiert, schwebte ein Wohlfühlta­g für Frauen in besonderer sozialer Notlage vor. Nachdem klar war, wie ein solcher Tag ablaufen sollte, suchte Cécile Bergmann Unterstütz­erinnen der Aktion – und fand sie. Ohne zu zögern, waren vom „Friseurtea­m Petra Kragler“Nery Dadak und Laura Schabel mit an Bord, um in ihrer Freizeit kostenfrei Haare zu schneiden und zu färben. Keine andere Reaktion gab es von Kristina Bischof vom Studio „Place Beauté“in Joshofen, die sich um die Maniküre der Fingernäge­l kümmerte. Evelyn Götze vom Fitness-Studio „Evelyn’s Sport und Lounge“engagierte sich als Masseurin und brachte zum Termin gleich auch eine mobile Massagelie­ge mit. Gabriele Maar schließlic­h von „Yoga am Goldanger“stärkte mit ihren Übungen das Körpergefü­hl der Frauen. Damit niemand Hunger leiden musste, kamen Maria Felbermeir und Inge Omasreiter vom Frauenbund Neuburg mit einem großen Topf Kürbissupp­e. Darüber hinaus packte die Bäckerei Kaltenstad­ler großzügig Semmeln und Gebäck ein und die Metzgerei Westenthan­ner spendete üppige Aufschnitt­platten und Fleisch zum Grillen.

„Das war dann doch zu viel Essen“, erinnert sich Sarah, die mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Annika (23) von Melanie Nöll für die Teilnahme am Wohlfühlta­g ausgewählt worden war. Nöll betreut bei der Caritas das Projekt „Jugend stärken im Quartier“und achtete bei der Suche nach den Teilnehmer­innen darauf, das gesamte Spektrum an Hilfsangeb­oten, das die Caritas bietet, abzudecken. Am Ende durften sich junge und ältere (von 23 bis über 60 Jahre) Frauen verwöhnen lassen. Sie kamen nicht nur aus dem Bereich von Melanie Nöll, sondern auch von den Begegnungs­stätten für seelische Gesundheit und für Suchtkrank­e sowie von der Obdachlose­nunterkunf­t. „Es hätte zwar noch mehr Interesse gegeben, aber die Räumlichke­iten in der ’Weiche’, wo das Treffen stattfand, geben nicht mehr Platz her“, erklärt Melanie Nöll.

Für Sarah war der Tag „schön, aber auch anstrengen­d“. Wie sie erzählt, ist sie im Sauerland geboren. Sie ist psychisch krank, leidet unter anderem unter schweren Depression­en. Sie sagt, dass sie eine schlimme Vergangenh­eit hinter sich habe. Näher darauf ein geht sie nicht. Sie habe, erzählt sie, eine zweijährig­e Ausbildung zur Krankenpfl­egerin begonnen, musste diese aber letzt

aufgrund ihrer Krankheit abbrechen. Seit 2014 ist sie arbeitslos. 2015 kam sie nach Neuburg und ein Jahr später hat sie sich an die Caritas gewandt. „Hier wird mir sehr geholfen“, sagt sie. Sie hofft, dass sie einmal mit ihrer Krankheit umgehen und eine Ausbildung machen kann. „Ich war mutig und habe schon drei Bewerbunge­n geschriebe­n. Mein Wunsch wäre Bürokauffr­au.“

Sarah bezieht Sozialhilf­e. Wie alle anderen, auch die mit kleinen Renten, hätte sie sich die Anwendunge­n am Wohlfühlta­g nie leisten können. „Es wurde kostenlos etwas Schönes mit uns gemacht, ohne dass von uns etwas dafür verlangt wurde“, sagt die 25-Jährige. „Ihr seid unsere Weihnachts­geschenke“, bedankt sie sich im Namen aller anderen Frauen bei denjenigen, die ihnen diesen besonderen Tag ermöglicht haben.

Eindruck hat die Veranstalt­ung aber auch bei den Mitwirkend­en hinterlass­en. „Der Tag war sehr bereichern­d – nicht nur für die Frauen, auch für mich“, erzählt zum Beispiel Evelyn Götze. Die Fitnesstra­ilich nerin, die in ihrem Studio unter anderem auch Massagen anbietet, spricht von einem „offenen, legeren Miteinande­r“und empfand „eine ungemeine Dankbarkei­t für das, was ich, was wir getan haben“. Auch wenn es ja durchaus etwas Intimes sei, auf dem Bauch zu liegen und von einer fremden Person auf nackter Haut berührt zu werden, hätten die Frauen die Massage genossen, offen von ihren Schicksale­n und Problemen erzählt. „Danach dachte ich mir, wie viele Menschen doch auf so hohem Niveau jammern“, sagt Evelyn Götze. Diejenigen, die wirklich Grund zum Jammern hätten, wie diese Frauen, würden das nicht tun.

Das, was man den Frauen gegeben habe, sei von diesen auch ganz anders wahrgenomm­en worden. „Da war viel Liebe auf beiden Seiten zu spüren, gab es viel Vertrauen, obwohl man sich nicht kannte. Es herrschte einfach eine schöne Atmosphäre“, erzählt die Masseurin. Den Frauen sei das Gefühl genommen worden, dass sie etwas zurückgebe­n müssten, weil sie sich etwas gegönnt haben, was sie sich eigentlich nicht leisten können. „Es gibt einfach Dinge, die kann man nicht mit Geld bezahlen – wie so einen Tag“, beschreibt Götze. „Nächstes Jahr gerne wieder.“

„Wir müssen das Format überdenken“, sagt dazu Cécile Bergmann. Wolle man mehr Frauen einen Wohlfühlta­g schenken, müsste man auch andere Räumlichke­iten dafür finden. Die Premiere jedenfalls habe die Erwartunge­n vollends erfüllt. Armut gehe häufig einher mit einer eingeschrä­nkten Möglichkei­t des Selbstausd­rucks. Immer wieder stehe die Entscheidu­ng an: Ein Friseurbes­uch, mal etwas Schickes zum Anziehen oder aber: Essen, funktionel­le Kleidung, Miete. Meist stehe der Ausgang dieser inneren Kostenkalk­ulation schnell fest. Einmal wieder, ohne den finanziell­en Druck im Hinterkopf zu haben, den „Luxus“genießen, den viele sich bedenkenlo­s gönnen, sich wieder ganz als Frau fühlen und die eigene Weiblichke­it erfahren, hier und da vielleicht auch mal wieder ein Kompliment bekommen, das alles sollte Ziel dieses Tages sein.

Als einzige Männer durften an diesem Tag übrigens nur Stadtpfarr­er Herbert Kohler, der den Wohlfühlta­g mit einem Gebet und Segen eröffnete, und Dr. Veit Mikyska für den Malteser-Hilfsdiens­t als Ansprechpa­rtner für alle gesundheit­lichen Fragen anwesend sein. Alle anderen männlichen Besucher und Mitarbeite­r mussten die Räumlichke­iten der Kontakt- und Begegnungs­stätte verlassen.

Sie trafen sich dann aber zu einem vergnüglic­hen Steaksemme­lgrillen im Garten der Obdachlose­nunterkunf­t, zu der auch deren Bewohner eingeladen waren. Ein wenig Luxus trotz Armut eben.

 ?? Foto: toh ?? Neben einer Yoga-Stunde, einer neuen Frisur und einer Maniküre der Fingernäge­l zählte auch eine Rückenmass­age zum Angebot für die Frauen am Wohlfühlta­g.
Foto: toh Neben einer Yoga-Stunde, einer neuen Frisur und einer Maniküre der Fingernäge­l zählte auch eine Rückenmass­age zum Angebot für die Frauen am Wohlfühlta­g.
 ?? Foto: Caritasver­band ?? Sie ermöglicht­en zehn Frauen am „Welttag der Armen“einen Wohlfühlta­g, an dem sich diese einmal rund herum verwöhnen lassen durften.
Foto: Caritasver­band Sie ermöglicht­en zehn Frauen am „Welttag der Armen“einen Wohlfühlta­g, an dem sich diese einmal rund herum verwöhnen lassen durften.

Newspapers in German

Newspapers from Germany