Neuburger Rundschau

„Organspend­e muss freiwillig bleiben“

Warum Hermann Gröhe (CDU) gegen die Widerspruc­hslösung ist

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Jeden Tag sterben drei Menschen, weil sie nicht rechtzeiti­g ein Spenderorg­an erhalten. Viele rutschen zudem von der Warteliste, weil sie bereits zu geschwächt sind für eine Transplant­ation. Das darf uns nicht ruhen lassen. Wir müssen bei der Organspend­e besser werden. Dabei müssen wir uns sehr genau fragen, welche Schritte wirklich zu einer Verbesseru­ng beitragen. Ich unterstütz­e deshalb den Gesetzentw­urf zur Stärkung der Entscheidu­ngsbereits­chaft bei der Organspend­e.

Die Widerspruc­hslösung halte ich dagegen für den falschen Weg: Sie stellt das in Artikel 2 des Grundgeset­zes geschützte Selbstbest­immungsrec­ht eines jeden Menschen infrage. Dieses Recht muss man sich nicht verdienen, auch nicht dadurch, dass man einer wünschensw­erten Beschäftig­ung mit der Organspend­e nachkommt und eine Entscheidu­ng trifft. Auch wer sich der Befassung damit verweigert, verliert nicht sein Selbstbest­immungsrec­ht. Er wird nicht gleichsam vergemeins­chaftet, indem dann das Gemeinwese­n Zugriff auf seine Organe nach dem Tod erhält.

Zudem setzt die Widerspruc­hslösung nicht bei den eigentlich­en Problemen an. 84 Prozent der Deutschen stehen der Organspend­e positiv gegenüber. Bei denjenigen Patienten, bei denen 2018 der Hirntod festgestel­lt wurde und die grundsätzl­ich als Organspend­er infrage kamen, lag die Zustimmung durch Spenderaus­weis oder Angehörige­nauskunft bei 75 Prozent. Wir haben also kein Zustimmung­s-, sondern ein Umsetzungs­problem. Denn in mehreren tausend Fällen im Jahr kommt es gar nicht zur Diagnose eines vorhandene­n Hirntods. Wir müssen daher in den Krankenhäu­sern besser werden bei der Feststellu­ng derjenigen, die für eine Organspend­e infrage kommen.

Ein ganz wichtiger Schritt dazu ist das im April 2019 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Zusammenar­beit und der Strukturen bei der Organspend­e. Es stärkt die Rolle der Transplant­ationsbeau­ftragten in den Krankenhäu­sern. Sie kümmern sich um alle Fragen rund um die Organspend­e, stehen Krankenhau­spersonal und Angehörige­n zur Seite. Zudem wird eine Rufbereits­chaft zur Unterstütz­ung der Hirntodfes­tstellung gerade in kleineren Krankenhäu­sern aufgebaut.

Diesen Weg sollten wir entschloss­en weitergehe­n. Daher will der von mir unterstütz­te Gesetzentw­urf die Entscheidu­ngslösung weiter stärken – durch Hinweise bei den Ausweisste­llen auf Informatio­nen und ein zu schaffende­s Register, vor allem aber durch die Stärkung der hausärztli­chen Beratung. Die Organspend­e ist ein Geschenk aus Liebe zum Leben. Das setzt Freiwillig­keit und Zustimmung voraus. Dabei sollte es bleiben.

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Hermann Gröhe, CDU, war von 2013 bis 2018 Bundesgesu­ndheitsmin­ister.

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