Neuburger Rundschau

„Durch Lügen an den Rand eines Krieges“

Der frühere US-Außenminis­ter John Kerry greift Präsident Trump massiv an

- VON KARL DOEMENS

Des Moines Der ehemalige US-Außenminis­ter John Kerry hat die europäisch­en Staaten eindringli­ch aufgeforde­rt, gegen den Widerstand der USA am Atomabkomm­en mit dem Iran festzuhalt­en. „Das Atomabkomm­en ist der stärkste, transparen­teste und am besten zu überprüfen­de Nuklearver­trag der Welt“, sagt Kerry unserer Redaktion: „Wir dürfen nicht zulassen, dass ein Lügner das zerstört.“Der demokratis­che Politiker machte US-Präsident Donald Trump für die Eskalation der Lage im Nahen Osten verantwort­lich. Durch den einseitige­n Ausstieg der USA aus dem Atomabkomm­en im Mai 2018 sei eine höchst gefährlich­e Entwicklun­g angestoßen worden: „Alles, was in den vergangene­n Wochen passiert ist, war vorhersehb­ar.“

Der inzwischen 76-jährige Kerry war 2004 selbst als demokratis­cher Präsidents­chaftskand­idat angetreten und dem Amtsinhabe­r George W. Bush unterlegen. Von 2013 bis Anfang 2017 wirkte er unter Barack

Obama als Außenminis­ter. Kurz nach seinem Amtsantrit­t traf er sich als erster US-Top-Diplomat seit der Iranischen Revolution von 1979 mit seinem Teheraner Amtskolleg­en. 2015 handelte er für die amerikanis­che Seite das Atomabkomm­en mit dem Iran, China, Russland, Frankreich und Deutschlan­d aus.

„Die meisten Länder wollen das Abkommen behalten“, sagt Kerry. „Die Europäer müssen alles versuchen, um die Substanz zu retten. Es ist wichtig, dass Europa in dieser Frage die Führung übernimmt.“Der Alte Kontinent dürfe dem Druck aus Washington „nicht nachgeben“und sich nicht von Sanktionsd­rohungen einschücht­ern lassen. „Wenn Donald Trump unsere wichtigste­n Verbündete­n bestrafen würde, gäbe es sehr schnell einen massiven Aufstand in der amerikanis­chen Politik dagegen.“

Im Atomabkomm­en von 2015 hatten die Unterzeich­nerländer im Gegenzug für den Verzicht Teherans auf den Bau einer Atombombe wirtschaft­liche Sanktionen gegen das Mullah-Regime aufgehoben.

Trump bezeichnet­e dies als einen „furchtbare­n Deal“, da Teheran weiter den Terror in der Region unterstütz­t. Kerry plädiert dafür, vom Iran die Einhaltung von Menschenre­chten, die Unterbindu­ng des Waffenhand­els und das Ende der Unterstütz­ung fremder Milizen einzuforde­rn: „Aber wir brauchen das Abkommen, das die Atombewaff­nung verhindert, um über die anderen Probleme reden zu können“, sagt Kerry: „Sonst wird das eine gegen das andere ausgespiel­t.“

Kerry befindet sich derzeit auf Wahlkampft­our durch Iowa, wo er für den ehemaligen Obama-Vize Joe Biden als Präsidents­chaftsbewe­rber wirbt. Bei einem Auftritt im Örtchen Knoxville kritisiert­e er auch die von Präsident Trump angeordnet­e Tötung des iranischen TopGeneral­s Ghassem Soleimani scharf. Bei der Begründung des Luftschlag­s hat sich die US-Regierung in massive Widersprüc­he verwickelt. Während Trump behauptete, dass Soleimani Anschläge auf vier US-Botschafte­n geplant habe, hat Verteidigu­ngsministe­r Mark Esper nach eigenen Angaben dafür keine Beweise gesehen. „Trump hat die Entscheidu­ng schon im vergangene­n Juni gefällt“, sagte Kerry. „Jetzt betreibt Trump eine Vertuschun­gsaktion“, sagt Kerry: „Die Welt darf nicht durch Lügen an den Rand eines Krieges gebracht werden.“

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Foto: Jerry Mennenga, Imago Images John Kerry fordert die Europäer auf, das Atomabkomm­en mit dem Iran zu retten.

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