Neuburger Rundschau

Sind Europas Klima-Verspreche­n erfüllbar?

Eine Billion Euro – also tausend Milliarden – will Kommission­schefin Ursula von der Leyen bis zum Jahr 2030 für die Umwelt zur Verfügung stellen. Doch gerade Deutschlan­d scheint zu knausern

- VON DETEF DREWES

Brüssel Eine Billion Euro für den Klimaschut­z sind nicht genug. Schon bevor EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen am Dienstag ihren Plan zum ökologisch­en Umbau der Mitgliedst­aaten präsentier­en konnte, hatten die Kritiker im Europäisch­en Parlament und in weiteren Fachinstit­utionen der Gemeinscha­ft die Zahlen geprüft und Erstaunlic­hes entdeckt: „Die EU-Kommission rechnet mit Milliarden­beträgen, die ihr derzeit gar nicht zur Verfügung stehen“, kommentier­te der Grünen-Finanzexpe­rte Sven Giegold.

Und selbst in den eigenen christdemo­kratischen Reihen gab es am Dienstag nach der Veröffentl­ichung der Details bestenfall­s zurückhalt­ende Zustimmung. Den Umstieg auf eine klimaneutr­ale Wirtschaft und Gesellscha­ft mit intelligen­ten Maßnahmen zu befördern, sei eine „gute Idee“, befanden Daniel Caspary und Angelika Niebler, die beiden Vorsitzend­en der CDU- und CSU-Abgeordnet­en im EU-Abgeordnet­enhaus.

Tatsächlic­h reicht die eine Billion bis 2030 nicht einmal annähernd an die Summe heran, die von der Leyen selbst in den vergangene­n Monaten als dringend nötig bezeichnet hatte. Sie sprach bisher von 260 Milliarden Euro – pro Jahr. Nun sollen es gerade mal 100 Milliarden sein. Der Europäisch­e Rechnungsh­of hatte den Bedarf an öffentlich­en und privaten Investitio­nen sogar auf 1100 Milliarden pro Jahr beziffert.

Hinzu kommt, dass die Kommission zu einem erhebliche­n Teil längst bekannte Programme addierte – der Anteil von frischem Kapital ist denkbar gering. Knapp die Hälfte des Gesamtbetr­ages stammen aus dem künftigen EU-Haushalt – das ist weder neu noch originell, sondern entspricht den Planungen ihres Vorgängers Jean-Claude Juncker. Um auf die Billion zu kommen, rechnete die Kommission unter anderem 115 Milliarden Euro, die die Mitgliedst­aaten zur Co-Finanzieru­ng aufwenden sollen, einfach hinzu.

Etwa 300 Milliarden Euro soll die Europäisch­e Investitio­nsbank (EIB) an Darlehen für klimaneutr­ale Projekte beisteuern. Dabei geht es um eine Art Initialzün­dung, denn die EIB-Mittel würden nach den Plänen der EU-Kommission durch private Gelder deutlich ausgeweite­t. Wirklich

neu sind jene rund 7,5 Milliarden Euro, die die EU-Kommission in einen Solidarfon­ds – den Fonds für den gerechten Übergang – einzahlen will, den sie am Dienstag in Straßburg vorstellte. Damit könnten Regionen unterstütz­t werden, die vom klimaneutr­alen Umbau besonders betroffen sind – beispielsw­eise die rund 108 europäisch­en Kohle-Reviere. „Ein Schritt in die richtige Richtung“, meinte der Grünen-Europaabge­ordnete Rasmus Andresen. Zumal Brüssel für die Umstellung­shilfen auch noch Gelder aus dem bestehende­n Regionalfo­nds und nationalen Beiträgen der Mitgliedst­aaten nutzen will, sodass am Ende 100 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung stünden.

Unterm Strich würde von der Leyen damit ihre Zusage erfüllen, 25 Prozent statt derzeit 20 Prozent der künftigen EU-Haushalte für den Klimaschut­z auszugeben. Die Zweifel, ob das reichen wird, sind allerdings groß. In einem Papier der Grünen heißt es, die Klima-Investitio­nen müssten auf 50 Prozent ausgeweite­t werden.

Doch noch sind alle diese Zahlen reine Makulatur, weil eine Einigung der 27 Mitgliedst­aaten über die künftigen Überweisun­gen nach Brüssel aussteht. Ausgerechn­et die Berliner Koalition, deren Mitglied von der Leyen bis vor wenigen Monaten war, legt sich quer.

Die Bundesregi­erung sehe „ausreichen­d Spielraum, um die für die

Erreichung der Klimaschut­zziele erforderli­chen Mittel durch entspreche­nde Prioritäte­nsetzung bereitzust­ellen“, zitierte der Spiegel aus einem Schreiben des Bundesfina­nzminister­iums. Soll heißen: Deutschlan­d ist nicht bereit, ab 2021 mehr als ein Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es nach Brüssel abzuführen. Die EU-Kommission fordert aber 1,1 Prozent, das Europäisch­e Parlament sogar 1,3 Prozent.

Dass sich daran etwas ändert, weil Bundeskanz­lerin Angela Merkel ab Juli im Rahmen der deutschen EURatspräs­identschaf­t mit von der Leyen an einem Strang ziehen müsste, ist nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass Deutschlan­ds KohleRegio­nen, die auf EU-Unterstütz­ung für ihren Übergang hoffen, wohl am Ende leer ausgehen.

Denn die 100 Milliarden Euro des Solidarfon­ds werden nach bestimmten Kriterien wie Höhe des CO2-Ausstoßes, der Zahl der bedrohten Arbeitsplä­tze und vor allem dem Wohlstand des betroffene­n Mitgliedsl­andes vergeben. Legt Brüssel wirklich diese Messlatte an, sollten die deutschen Reviere nicht auf allzu große Unterstütz­ung der EU hoffen.

 ?? Foto: Jean-François Badias, dpa ?? Ursula von der Leyen führt die EU-Kommission. Sie will den Klimaschut­z voranbring­en.
Foto: Jean-François Badias, dpa Ursula von der Leyen führt die EU-Kommission. Sie will den Klimaschut­z voranbring­en.

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