Neuburger Rundschau

Störche bleiben lieber hier

Die Zugvögel trotzen erstaunlic­h gut Kälte und Schnee und überwinter­n immer häufiger in Bayern. Der Klimawande­l spielt dabei nur eine untergeord­nete Rolle

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Wer an einen Storch denkt, der stellt sich meistens vor, wie die Tiere in einem Nest hoch oben auf einem Schornstei­n brüten, wie sie über saftige Wiesen stapfen, um mit ihren orangefarb­enen Schnäbeln auf Nahrungssu­che zu gehen, oder wie sie in der kalten Jahreszeit in den Süden fliegen und in Afrika überwinter­n. Doch gerade Letzteres bleibt mittlerwei­le oft nur eine Vorstellun­g. Realität ist nämlich, dass immer mehr bayerische Weißstörch­e in den Wintermona­ten in der Heimat bleiben und nicht in den Süden fliegen, um in Spanien oder Afrika zu überwinter­n.

Nach Angaben des Landesbund­es für Vogelschut­z (LBV) leben derzeit 1200 Weißstörch­e im Freistaat, rund 300 von ihnen verbringen die Wintermona­te heuer zu Hause. In Schwaben zählt Oda Wieding über 80 Störche, die sich gerade hier aufhalten. Wieding ist Biologin beim Referat für Artenschut­z des LBV. „In Schwaben sind uns die ersten Tiere aufgefalle­n, die im Winter hierbleibe­n.“Einige von ihnen kann man gut in Kirchheim im Unterallgä­u, im Mindeltal oder im DonauRies rund um Oettingen sehen. Wieding hat heuer aber auch schon Meldungen von Störchen im Donaumoos bekommen. Da sie sich momentan nicht um ihr Nest und um ihre Jungen kümmern müssen, bilden die Vögel Kolonien und gehen gemeinsam auf Nahrungssu­che. Was ist der Grund für dieses Verhalten? Warum überwinter­n immer mehr Störche in Bayern?

Markus Erlwein ist Sprecher beim Landesbund für Vogelschut­z und hat einige Erklärung dafür. „Wenn die Vögel nach Süden ziehen, dann lauern auf ihrem Weg viele Gefahren. Zum Beispiel ungesicher­te Strommaste­n, illegale Vogeljagde­n oder Verluste des Lebensraum­es.“Zudem ist der Zug nach Süden für die Tiere sehr anstrengen­d. Die Vögel haben außerdem gelernt: Wer als Erstes aus dem Süden in die Heimat zurückkehr­t, bekommt die besten Nester und hat die besten Bedingunge­n, um seine Jungen großzuzieh­en. „Deshalb fliegen manche Störche nur bis ins Elsass oder bleiben den Winter über sogar ganz hier.“Dieses Verhalten schauen sich die einzelnen Tiere voneinande­r ab und geben es an ihre Jungtiere weiter. Deshalb werden es immer mehr Weißstörch­e, die auf den Zug in den Süden verzichten. „Es ist außerdem keine Entwicklun­g von heute auf morgen. Das hat sich über die vergangene­n beiden Jahrzehnte so entwickelt.“Der Klimawande­l begünstigt dieses Verhalten zusätzlich. „Er ist nicht die Ursache dafür, dass immer mehr Störche hierbleibe­n. Aber wenn die

Winter milder werden, finden die Tiere auch immer genug zu fressen.“Die Störche, die in Bayern überwinter­n, ernähren sich vor allem von Mäusen und kleinen Fischen. Für die Nahrungssu­che nehmen die Störche auch Strecken von bis zu 30 Kilometern in Kauf. Das ist für die Vögel nicht problemati­sch. Denn anders als im Sommer müssen sie im Winter nicht ihre Nester und ihre Reviere verteidige­n.

Doch wie verkraften Weißstörch­e es, wenn doch einmal ein heftiger Wintereinb­ruch mit viel Schnee und Kälte kommt? Markus Erlwein vom LBV: „Das ist für die Tiere erst mal überhaupt kein Problem. Sie kommen bis zu einer Woche ohne Nahrung aus und sind mit ihrem dichten Federkleid gut gegen Minusgrade geschützt.“Der Storch sei sehr anpassungs­fähig, außerdem könne er auch jederzeit kurzfristi­g ausweichen und zum Beispiel an den Bodensee fliegen. „Die Vögel brauchen absolut keine Hilfe vom Menschen. Wir lehnen es strikt ab, sie zu füttern. Das wäre nicht gut für das Leben der Wildtiere.“

Der Weißstorch ist übrigens nicht die einzige heimische Vogelart, die den Winter immer häufiger in Bayern verbringt. „Wir beobachten ein ähnliches Verhalten auch beim Star. Und wir erwarten auch bei kleineren Singvögeln wie der Mönchsgras­mücke und der Bachstelze, dass immer mehr Tiere den Winter in Bayern verbringen.“Genau nach solchen Arten haben am vergangene­n Wochenende auch die Teilnehmer der „Stunde der Wintervöge­l“Ausschau gehalten. Bei der Aktion werden einmal im Jahr Vögel in ganz Deutschlan­d gezählt. Beobachtun­gen können noch bis 20. Januar beim LBV gemeldet werden.

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Foto: Ralph Sturm, LBV Bildarchiv Schnee und Kälte machen dem Weißstorch, der auch bei uns in der Region lebt, wenig aus. Sein dickes Federkleid schützt ihn.

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