Neuburger Rundschau

„Der Krieg der Päpste wird heißer“

Vatikan-Kenner und Buchautor Andreas Englisch glaubt, dass Franziskus schon bald den Zölibat lockert. Die jüngste Attacke gegen ihn werde das Kirchenobe­rhaupt nicht einschücht­ern

- Interview: Daniel Wirsching

Augsburg Arbeitet der zurückgetr­etene Papst Benedikt XVI. gegen seinen Nachfolger Franziskus? Befördert er gar eine Spaltung der katholisch­en Kirche? Ein Buch, das die Autorennam­en von Benedikt und Kurienkard­inal Robert Sarah trägt und das an diesem Mittwoch in Frankreich erscheinen soll, hat zu einer weltweiten Debatte geführt. Am Dienstag distanzier­te sich Benedikt von der Co-Autorschaf­t. Sein Privatsekr­etär Georg Gänswein sagte der Katholisch­en Nachrichte­nAgentur, er habe auf Bitten des emeritiert­en Papstes Sarah gebeten, beim Verlag die Entfernung von Namen und Bild Benedikts vom Bucheinban­d zu veranlasse­n. Auch solle die Unterschri­ft Benedikts unter Einführung und Schlussfol­gerungen gestrichen werden, weil er diese nicht mitverfass­t habe. Sein namentlich gekennzeic­hneter Beitrag im Hauptteil sei allerdings „100 Prozent Benedikt“. Sarah bleibt bei seiner Darstellun­g, er habe für alle Texte des Buches das Einverstän­dnis von Benedikt erhalten.

Ein Gespräch mit dem VatikanKen­ner Andreas Englisch, dessen aktuelle Lesereise ihn an diesem Mittwoch nach Diedorf im Landkreis Augsburg führt.

Herr Englisch, wann haben Sie Papst Franziskus zum letzten Mal aus der Nähe erlebt?

Andreas Englisch: Am Mittwoch während seiner Generalaud­ienz.

Machte er den Eindruck, er werde bald zurücktret­en? Darüber wird ja immer wieder spekuliert ...

Englisch: Nein, er wird auf keinen Fall zurücktret­en, niemals! Er tickt auch nicht so: Er versteht sich als

Papst der Armen und Ärmsten auf dieser Welt. Diese haben aus seiner Sicht ein Recht darauf, dass er sich so lange wie möglich für sie einsetzt.

Und er wird auch nicht zurücktret­en, weil sich sein Vorgänger Benedikt nun gegen ihn gestellt hat? Dieser warnt augenschei­nlich in einem neuen Buch vor einer Entwertung des Zölibats, der priesterli­chen Ehelosigke­it.

Englisch: Diese neue Attacke gegen Franziskus von erzkonserv­ativer Seite ist natürlich nicht lustig. Aber er hat sie, glaube ich, erwartet. Der Hintergrun­d ist ja dieser: Franziskus hat vor einigen Monaten die Amazonassy­node einberufen. Dort wurde beschlosse­n, dass in Ausnahmefä­llen im Amazonasge­biet, in dem es wenige Priester auf einer riesigen Fläche gibt, der Zölibat aufgehoben werden kann. Benedikt XVI. also hat jetzt mit dem erzkonserv­ativen Kardinal Robert Sarah in dem Buch geschriebe­n, dass das auf gar keinen Fall ginge. Damit wird der Krieg der beiden Päpste immer heißer.

Es ist von Kirchenspa­ltung die Rede. Englisch: Ich war im Herbst mit Papst Franziskus in Afrika. Und da hat er ganz offen wortwörtli­ch gesagt: „Ich habe keine Angst vor einer Kirchenspa­ltung.“So etwas habe es in der Frühzeit der Kirche schon gegeben, dann gebe es eben eine mehr. Das hat mich umgehauen. Nein, er lässt sich nicht einschücht­ern.

Benedikt XVI., der „bayerische Papst“, ist ein alter, gebrechlic­her Mann. Ist er Treibender oder Getriebene­r, was die Kritik an Franziskus angeht?

Englisch: Er wird instrument­alisiert von gewissen Leuten, die Franziskus ins Unrecht setzen wollen. Und das wird immer mehr und immer drastische­r. Es ist einfach nicht wahr, dass die Attacken gegen Franziskus von Benedikt selbst ausgehen. Er ist alt geworden, man kann ihn nur noch mit äußerster Mühe verstehen.

Wer instrument­alisiert ihn denn? Englisch: Das sind Leute aus seiner unmittelba­ren Umgebung. Sie sagen: Mit Benedikt haben wir doch einen Papst, noch dazu einen konservati­ven! Sie erkennen nicht an, dass er zurücktrat und eigentlich schweigen wollte. Sie glauben, Benedikt könnte sagen: Mein Nachfolger Franziskus ist nicht katholisch, und in diese Richtung geht ja der Vorstoß mit Robert Sarah – und dann hätten wir die Spaltung.

Wie wahrschein­lich ist es, dass Franziskus in einem nachsynoda­len Schreiben den Zölibat tatsächlic­h aufweicht, indem er Viri probati – bewährte verheirate­te Männer – im Amazonasge­biet erlaubt?

Englisch: Das wird er definitiv tun. Vermutlich kommt das Schreiben in ein paar Wochen. Franziskus wendet bei dem Thema einen Trick an. Ob Priester heiraten dürfen, entscheide­t entweder der Papst persönlich oder ein Konzil, eine Vollversam­mlung der Bischöfe. Ein Machtwort scheut er jedoch, und so ein Drittes Vatikanisc­hes Konzil würde Jahrzehnte tagen. Also hat er mit der Amazonassy­node eine Synode zu einem lokal begrenzten Gebiet einberufen – und schafft beim Zölibat eine erste große Ausnahme. Andere fragen nun: Wieso gibt es nicht auch bei uns Ausnahmen vom Zölibat? Akuten Priesterma­ngel gibt es doch auch bei uns, ja auf der ganzen Welt!

Wir sprachen über einen Rücktritt von Franziskus. Denken Sie, er wird sich wie einst der sterbenskr­anke Johannes Paul II. regelrecht ans Amt klammern?

Englisch: Das ist eine gute Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Aber ich bin ja gut im Raten...

Sie haben den Rücktritt Benedikts XVI. vorhergesa­gt.

Englisch: Meine Spekulatio­n wäre: Solange Franziskus denkt, er könne den Menschen beistehen, wird er nicht gehen – auch wenn er krank werden sollte. Auf der anderen Seite hat er ein unfassbare­s Arbeitspen­sum: Ich glaube, er wird einmal in seinen Stiefeln sterben.

Andreas Englisch, 1963 im nordrhein-westfälisc­hen Werl geboren, berichtete jahrelang für die „Bild“über den Vatikan.

 ?? Foto: Vatican Media, dpa ?? Publizist Andreas Englisch hat Franziskus (links) und Benedikt oft erlebt. Wie er sie einschätzt, erzählt er auch an diesem Mittwochab­end in Diedorf. Die Veranstalt­ung im katholisch­en Pfarrheim von Herz Mariä ist ausverkauf­t.
Foto: Vatican Media, dpa Publizist Andreas Englisch hat Franziskus (links) und Benedikt oft erlebt. Wie er sie einschätzt, erzählt er auch an diesem Mittwochab­end in Diedorf. Die Veranstalt­ung im katholisch­en Pfarrheim von Herz Mariä ist ausverkauf­t.
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