Neuburger Rundschau

21 Würfe – keinen gehalten

Wolf und Bitter greifen zu oft daneben

- VON MARC STEVERMÜER

Trondheim Es ist keine ganz neue Erkenntnis im Welt-Handball, dass die Torhüterpo­sition die wichtigste ist. Denn wenn da einer zwischen den Pfosten steht, der etwas von seinem Fach versteht, kann der zwar nicht das Spiel der eigenen Mannschaft auf ein anderes Niveau hieven, wohl aber die gesamte Partie und das Ergebnis verändern. Sprich: Schlussmän­ner können den Erfolg wie kein anderer beeinfluss­en und das eigene Team bisweilen besser dastehen lassen, als es wirklich ist.

Diese Hoffnung hatte auch die deutsche Nationalma­nnschaft, als sie zur EM aufbrach. Der gesetzte Andreas Wolff bekam mit Johannes Bitter einen neuen Partner, nachdem er zuvor ein Duo mit Silvio Heinevette­r gebildet hatte. Doch dieses Gespann barg stets großes Konfliktpo­tenzial und hemmte sich mehr, als es sich half.

Das ist nun anders. Zumindest was das Miteinande­r angeht. Der 28-jährige Wolff vom polnischen Spitzenklu­b Vive Kielce respektier­t seinen neun Jahre älteren Kollegen Bitter, der beim Bundesligi­sten TVB Stuttgart spielt und allein schon aufgrund seiner Erfolge (Weltmeiste­r 2007; Pokalsiege­r 2010, Meister 2011, ChampionsL­eague-Gewinner 2013 mit Hamburg) und Erfahrung ein hohes Ansehen genießt. Für einen wie ihn fällt es Wolff schlichtwe­g leichter, zwischendu­rch den Platz zwischen den Pfosten zu räumen.

Nach der Vorrunde stellt sich aber trotzdem die Frage, ob die beiden Keeper den Hammer vergessen haben, mit dem sie das Tor zunageln wollen. Bitter hat bislang 24 Prozent der Würfe auf sein Tor abgewehrt, Wolff 25 Prozent. Um für eine Medaille infrage zu kommen, muss die Torwartlei­stung erfahrungs­gemäß bei etwa 35 Prozent liegen. Bei Wolff zeigt die Formkurve dramatisch nach unten. Nach gutem Start in die Europameis­terschaft gegen die Niederland­e (39 Prozent) verabschie­dete sich der 28-Jährige leistungsm­äßig komplett aus dem Turnier. Die letzten 21 Würfe (!) auf sein Tor waren allesamt drin.

Aus dem EM-Helden von 2016 ist ein Problem-Wolff geworden. „Wir brauchen ihn in Topverfass­ung, wenn wir erfolgreic­h sein wollen“, hatte DHB-Vize Bob Hanning vor dem Turnier gesagt und meinte mit Blick auf Wolffs Vereinskar­riere in der internatio­nal drittklass­igen polnischen Liga, in welcher der Keeper mit der Übermannsc­haft aus Kielce gar nicht gefordert wird: „Andi hat da auch ein bisschen Urlaub.“Es waren Worte, die der DHB-Vize ein wenig süffisant am Rande des Testspiels in Österreich dahersprac­h, die der 51-Jährige aber ganz gewiss auch nicht nur als Scherz meinte.

Kurz vor der EM reiste Wolff extra noch nach Leipzig zu Bundestrai­ner Christian Prokop, um ein paar Zusatzeinh­eiten zu absolviere­n. Gebracht hat es bislang nichts, der Schlussman­n wollte nach dem 28:27-Sieg über Lettland auch nicht reden, nachdem er zuvor keinen einzigen Ball abgewehrt hatte. Keine Frage: Der gewünschte Effekt ist durch die Umbesetzun­g des Torwartges­panns ausgeblieb­en, auch wenn Prokop nach wie vor von den Keepern überzeugt ist: „Ich bin mir sicher, dass sie einen guten Job machen werden.“Der Beginn der Hauptrunde am Donnerstag gegen Weißrussla­nd wäre auf jeden Fall ein guter Start dafür.

 ??  ?? Andreas Wolff
Andreas Wolff
 ??  ?? Johannes Bitter
Johannes Bitter

Newspapers in German

Newspapers from Germany