Renaissance in der Baubranche
Alternative Baustoffe wie Stroh, Lehm oder Erde sind wieder im Kommen
Durch die Debatte um mehr Klimaschutz rücken die traditionellen Bauweisen mit Lehm, Stroh oder Erde und damit der möglichst große Verzicht auf konventionelle Baustoffe wieder vermehrt in den Fokus. „Lehm und Stroh waren in mittelalterlichen Gebäuden gang und gäbe“, weiß Bauingenieur Klaus-Jürgen Edelhäuser und fügt hinzu: „In den vergangenen Jahren erleben sie eine Renaissance – und werden immer beliebter.“
Auch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe (FNR) nutzt den Renaissance-Begriff. Die in den 90er Jahren auf Initiative der Bundesregierung ins Leben gerufene FNR betreut Forschungsvorhaben rund um das Thema nachwachsende Rohstoffe. Um eine „Revolution“aber handele es sich nicht, sondern um ein „langsames, stetiges Umdenken“.
Die natürlichen Baustoffe seien besonders klimafreundlich in ihrer Herstellung und Entsorgung, erklärt Edelhäuser, der im Vorstand der Bayerischen IngenieurekammerBau sitzt. Darüber hinaus würden sie ohne hohen Energieaufwand produziert. Natürlich gewachsene Stoffe wie Stroh oder auch Dämmstoffe aus
Holz oder Jute haben außerdem einen sogenannten CO2-Senkeneffekt. Während des Wachstums spalten die Pflanzen Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff und Kohlenstoff auf – den Sauerstoff geben sie ab, den Kohlenstoff binden sie. Dieser bleibt auch so lange gebunden, wie das Gebäude steht, erläutert Anna Wolff von der Deutschen Umwelthilfe.
Vorzüge und Herausforderungen
Doch allein das gute Gewissen, etwas fürs Klima getan zu haben, dürfte die meisten Bauherren nicht überzeugen. Alternative Baustoffe haben jedoch auch gewisse praktische Vorzüge. Lehm zum Beispiel: „Der trägt zu einem angenehmen Raumklima bei, weil er eine hervorragende Feuchtepufferung hat“, beschreibt Bau-Ingenieur Edelhäuser.
Auf der anderen Seite haben die Stoffe gewisse Anfälligkeiten, auf die Planer Rücksicht nehmen müssen. Bei Stroh und Lehm zum Beispiel sei der Feuchteschutz wichtig, sagt Edelhäuser. „Stroh verschimmelt, wenn es nass wird und nicht mehr abtrocknen kann. Lehm wiederum quillt auf, wenn er massiver Feuchte ausgesetzt ist.“Dagegen lässt sich im Grunde aber baulich vorsorgen.
Generell stoßen natürliche Materialien aber im feuchtekritischen Bereich, etwa beim Fundament, an ihre Grenzen. „Da fehlt es noch an Innovationen“, sagt René Görnhardt, Baustoffexperte der FNR. So seien Alternativen, beispielsweise ein Textilbeton mit Flachs als Verstärkung, noch nicht ausgereift genug, um zeitnah im Einfamilienhausbau zum Einsatz zu kommen.
Das heißt: Beim Fundament geht es noch kaum ohne Beton. „Und da wissen wir ja, dass er nicht gerade ein ökologischer Stoff ist“, sagt Görnhardt. Man könne zwar ein Streifenfundament mit weniger Beton als Basis nutzen oder ein Haus ganz ohne Bodenplatte planen. Das sei technisch durchaus möglich, werde aber eher selten umgesetzt.
Kein Schwarz-Weiß-Denken
Ist ein Gebäude überhaupt noch nachhaltig, wenn konventionelle Baustoffe verbaut wurden? Für Klaus-Jürgen Edelhäuser lautet die Antwort: ja. Er möge diese Art von „Schwarz-Weiß-Denken“nicht. Der Bau-Ingenieur führt das an einem Beispiel aus: Selbst wenn man ein Haus sehr schonend baut und zum Beispiel in der Wärmedämmung auf Schafwolle, Schilfrohr oder Hanf setzt, Rahmen sowie Verkleidung aus Holz konstruiert und Faserputze nutzt, „wird man sehr wahrscheinlich ein Bad aus Fliesen haben, mit Silikon- und Folienabdichtungen“. So werde einfach ein gewisser Wohnkomfort sichergestellt und das sei auch nichts Negatives. Das Gebäude sei dennoch nachhaltig.
Auch zu Beton hat Edelhäuser eine klare Meinung. „Natürlich hat er eine schlechte CO2-Bilanz – etwa wegen der Hochofenprozesse bei der Zement-Herstellung. Deshalb sollte man ihn als Baustoff jedoch nicht verteufeln.“Er sei auch bei nachhaltig geplanten Bauten eine Option, die sinnvoll und vor allem wirtschaftlich ist.
Wie sieht es eigentlich mit den Kosten für alternativ geplante Häuser aus? „Vor zwei, drei Jahren hätte ich noch gesagt, sie sind teurer als konventionelle Bauweisen“, sagt Edelhäuser. Inzwischen sei das Angebot an Baustoffen aber gewachsen, die Produkte seien zum Teil günstiger geworden. „Sie sind nicht mehr unbedingt teurer.“Und im Unterhalt seien alternativ gebaute Häuser im Vergleich zu konventionellen Gebäuden teilweise sogar günstiger.