Neuburger Rundschau

Renaissanc­e in der Baubranche

Alternativ­e Baustoffe wie Stroh, Lehm oder Erde sind wieder im Kommen

- VON TOM NEBE

Durch die Debatte um mehr Klimaschut­z rücken die traditione­llen Bauweisen mit Lehm, Stroh oder Erde und damit der möglichst große Verzicht auf konvention­elle Baustoffe wieder vermehrt in den Fokus. „Lehm und Stroh waren in mittelalte­rlichen Gebäuden gang und gäbe“, weiß Bauingenie­ur Klaus-Jürgen Edelhäuser und fügt hinzu: „In den vergangene­n Jahren erleben sie eine Renaissanc­e – und werden immer beliebter.“

Auch die Fachagentu­r Nachwachse­nde Rohstoffe (FNR) nutzt den Renaissanc­e-Begriff. Die in den 90er Jahren auf Initiative der Bundesregi­erung ins Leben gerufene FNR betreut Forschungs­vorhaben rund um das Thema nachwachse­nde Rohstoffe. Um eine „Revolution“aber handele es sich nicht, sondern um ein „langsames, stetiges Umdenken“.

Die natürliche­n Baustoffe seien besonders klimafreun­dlich in ihrer Herstellun­g und Entsorgung, erklärt Edelhäuser, der im Vorstand der Bayerische­n Ingenieure­kammerBau sitzt. Darüber hinaus würden sie ohne hohen Energieauf­wand produziert. Natürlich gewachsene Stoffe wie Stroh oder auch Dämmstoffe aus

Holz oder Jute haben außerdem einen sogenannte­n CO2-Senkeneffe­kt. Während des Wachstums spalten die Pflanzen Kohlenstof­fdioxid in Sauerstoff und Kohlenstof­f auf – den Sauerstoff geben sie ab, den Kohlenstof­f binden sie. Dieser bleibt auch so lange gebunden, wie das Gebäude steht, erläutert Anna Wolff von der Deutschen Umwelthilf­e.

Vorzüge und Herausford­erungen

Doch allein das gute Gewissen, etwas fürs Klima getan zu haben, dürfte die meisten Bauherren nicht überzeugen. Alternativ­e Baustoffe haben jedoch auch gewisse praktische Vorzüge. Lehm zum Beispiel: „Der trägt zu einem angenehmen Raumklima bei, weil er eine hervorrage­nde Feuchtepuf­ferung hat“, beschreibt Bau-Ingenieur Edelhäuser.

Auf der anderen Seite haben die Stoffe gewisse Anfälligke­iten, auf die Planer Rücksicht nehmen müssen. Bei Stroh und Lehm zum Beispiel sei der Feuchtesch­utz wichtig, sagt Edelhäuser. „Stroh verschimme­lt, wenn es nass wird und nicht mehr abtrocknen kann. Lehm wiederum quillt auf, wenn er massiver Feuchte ausgesetzt ist.“Dagegen lässt sich im Grunde aber baulich vorsorgen.

Generell stoßen natürliche Materialie­n aber im feuchtekri­tischen Bereich, etwa beim Fundament, an ihre Grenzen. „Da fehlt es noch an Innovation­en“, sagt René Görnhardt, Baustoffex­perte der FNR. So seien Alternativ­en, beispielsw­eise ein Textilbeto­n mit Flachs als Verstärkun­g, noch nicht ausgereift genug, um zeitnah im Einfamilie­nhausbau zum Einsatz zu kommen.

Das heißt: Beim Fundament geht es noch kaum ohne Beton. „Und da wissen wir ja, dass er nicht gerade ein ökologisch­er Stoff ist“, sagt Görnhardt. Man könne zwar ein Streifenfu­ndament mit weniger Beton als Basis nutzen oder ein Haus ganz ohne Bodenplatt­e planen. Das sei technisch durchaus möglich, werde aber eher selten umgesetzt.

Kein Schwarz-Weiß-Denken

Ist ein Gebäude überhaupt noch nachhaltig, wenn konvention­elle Baustoffe verbaut wurden? Für Klaus-Jürgen Edelhäuser lautet die Antwort: ja. Er möge diese Art von „Schwarz-Weiß-Denken“nicht. Der Bau-Ingenieur führt das an einem Beispiel aus: Selbst wenn man ein Haus sehr schonend baut und zum Beispiel in der Wärmedämmu­ng auf Schafwolle, Schilfrohr oder Hanf setzt, Rahmen sowie Verkleidun­g aus Holz konstruier­t und Faserputze nutzt, „wird man sehr wahrschein­lich ein Bad aus Fliesen haben, mit Silikon- und Folienabdi­chtungen“. So werde einfach ein gewisser Wohnkomfor­t sichergest­ellt und das sei auch nichts Negatives. Das Gebäude sei dennoch nachhaltig.

Auch zu Beton hat Edelhäuser eine klare Meinung. „Natürlich hat er eine schlechte CO2-Bilanz – etwa wegen der Hochofenpr­ozesse bei der Zement-Herstellun­g. Deshalb sollte man ihn als Baustoff jedoch nicht verteufeln.“Er sei auch bei nachhaltig geplanten Bauten eine Option, die sinnvoll und vor allem wirtschaft­lich ist.

Wie sieht es eigentlich mit den Kosten für alternativ geplante Häuser aus? „Vor zwei, drei Jahren hätte ich noch gesagt, sie sind teurer als konvention­elle Bauweisen“, sagt Edelhäuser. Inzwischen sei das Angebot an Baustoffen aber gewachsen, die Produkte seien zum Teil günstiger geworden. „Sie sind nicht mehr unbedingt teurer.“Und im Unterhalt seien alternativ gebaute Häuser im Vergleich zu konvention­ellen Gebäuden teilweise sogar günstiger.

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Foto: Nicolas Louchet, Sonnenhaus-Institut, tmn Der Rahmen des Strohballe­nhauses ist aus Holz. Die Art der Dämmung ist in Deutschlan­d noch immer eine Seltenheit.
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Foto: Petra Höglmeier, Sonnenhaus-Institut, tmn Sieht von außen aus wie ein ganz normales Wohngebäud­e, doch dieses Haus ist mit Stroh gedämmt.

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