In Davos wird es wieder um das Klima gehen
Experten beraten auch über die wachsende soziale Ungleichheit
Davos Das 50. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums (WEF) hat noch gar nicht begonnen, doch der Ton ist schon gesetzt – und er kommt nicht vom Ausrichter. Es ist die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die selbst bei der Veranstaltung (21. bis 24. Januar) in Davos erwartet wird, die klarmacht, was in den Schweizer Bergen passieren soll. „Wir verlangen“, schreibt Thunberg im Namen der weltweiten Klimabewegung in einem offenen Brief an den Guardian, dass alle Teilnehmer, ob Unternehmen, Organisationen oder Regierungen, „unverzüglich und vollständig“alle Investitionen in fossile Brennstoffe beenden.
Klima und Umwelt: Schon im Vorjahr wurde Thunberg zum Gesicht des WEF-Jahrestreffens. „Ich will, dass Ihr in Panik geratet“, denn das gemeinsame Haus Erde stehe in Flammen, hatte die heute 17-Jährige damals Teilnehmern zugerufen. Fortan stand Thunberg im Mittelpunkt der Wahrnehmung, das Time-Magazin kürte sie schließlich zur Person des Jahres 2019. In Davos wird Thunberg aller Voraussicht nach wieder eine zentrale Rolle einnehmen.
Das WEF will die Aktivistin unterstützen, sich selbst aber vor Vereinnahmung schützen. „Wir haben sie wieder eingeladen, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht zum Werkzeug für den Hype werden, der um sie herum entstanden ist“, sagte WEF-Gründer Klaus Schwab vor kurzem der Welt. Wichtig sei, den Blick zu weiten. „Es geht nicht um Greta allein, es geht um die Sorge einer ganzen Generation, dass wir nicht genug tun, um unsere Umwelt so zu erhalten, dass sie uns auch weiterhin Freude machen wird.“Daher hat das WEF neun weitere Jugendliche eingeladen, die „weniger bekannt sind als Greta“, so Schwab.
Aus den etwa 3000 Teilnehmern ragt neben der Schwedin vor allem US-Präsident Donald Trump heraus. Trump bezeichnete den Klimawandel früher als „Scherz“; davon ist er mittlerweile abgerückt, aber er bezweifelt immer noch, dass die Klimaveränderungen menschengemacht sind. Vielmehr schwärmt er gerne von der Ölförderung in den USA und preist Kohle als Rohstoff an. Für Windräder und Solarenergie hat er dagegen meist nur Spott übrig. Zudem hat Trumps Regierung viele Umweltschutzvorschriften abgeschwächt oder ganz aufgehoben.
Das WEF allerdings signalisiert bereits mit dem Motto der 50. Jahrestagung, wie wichtig ihm die Umwelt ist. „Stakeholder für eine solidarische und nachhaltige Welt“, lautet es in der für das WEF-typischen, etwas hölzernen Form. Wirtschaftsprofessor Schwab verspricht greifbare Resultate: „Das Jahrestreffen wird eine Werkstatt sein, keine Quatschbude.“Die Vorhaben klingen riesig: Eine Milliarde Menschen will das Forum gemeinsam mit Partnern fit machen für Jobs in der digitalen Welt, außerdem bis Ende der 2020er Jahre eine Billion Bäume pflanzen. Das WEF will aufholen. „Wir hätten den sozialen Faktoren und der Umwelt mehr Gewicht geben müssen“, räumte Schwab in einem Interview mit der Zeitschrift Bilanz selbstkritisch ein.
Wirtschaft und Gesellschaft haben sich rasant verändert, seitdem Schwab das Davoser Treffen 1971 ins Leben gerufen hat. Dabei seien viele Menschen vergessen worden – die sich nun dem Nationalismus zuwendeten. „Das Mantra der großen Öffnung war doch vor allem ein elitäres Projekt“, so Schwab. Es sind durchaus neue Töne. Zwar hat das WEF entgegen der öffentlichen Wahrnehmung stets gefordert, dass Wirtschaft und Politik zuerst dem
Allgemeinwohl dienen sollen und nicht dem Einzelnen. Doch hängen blieb stets das Bild des „Davos Man“, eines reichen, weißen, mächtigen und abgehobenen Managers, der unter seinesgleichen in elitären Zirkeln nur den eigenen Profit zu mehren versucht.
Auch deshalb lädt Schwab schon seit Jahren Kritiker und Globalisierungsgegner nach Davos. In den Schweizer Alpen wurden Initiativen gestartet wie die Impfallianz Gavi, dank der seither hunderte Millionen Kinder weltweit geimpft wurden. Solchem Engagement will das WEF mehr Aufmerksamkeit sichern. „Wir stehen für ein vernünftiges Management unserer globalen Probleme“, betonte Schwab weiter.
Aus der Teilnahme der Staatenlenker in den Schweizer Alpen sind in der 50-jährigen Geschichte des Treffens durchaus konkrete Abmachungen entstanden, unvergessen ist der Handschlag zwischen Israels Premier Shimon Peres und Palästinenserführer Jassir Arafat 1994.
Auch bei den jüngsten Jahrestreffen gab es viele schöne Ankündigungen. Doch umgesetzt wurde davon wenig, wie langjährige Beobachter kritisieren. Beispiel Xi Jinping: Chinas Staats- und Parteichef inszenierte sich 2017 mit blumigen Worten als Kämpfer für Freihandel. Doch ausländische Konzerne klagen noch immer über hohe Hürden – und innenpolitisch lässt Xi mit immer härterer Hand gegen Kritiker vorgehen. Beispiel Trump: Der US-Präsident deutete 2018 in einer sehr zurückhaltenden Rede sein Interesse an Kooperationen an – seither ließ er den Handelskonflikt mit China eskalieren und fährt auch gegenüber der EU eine harte Linie.
Insgesamt ist das Treffen in mehrere Themenbereiche gegliedert. Doch das Augenmerk gilt der Geopolitik – und dem Klima. „Wir wollen nicht, dass diese Dinge bis 2050, 2030 oder sogar 2021 getan werden“, schreibt Aktivistin Thunberg den Davos-Teilnehmern ins Stammbuch. „Wir wollen, dass sie jetzt erledigt werden – ,jetzt‘ wie in ,genau jetzt‘.“
Zu tun gibt es genug: Der Unterschied zwischen Arm und Reich in der Welt ist laut der Hilfsorganisation Oxfam weiterhin dramatisch hoch. Auch die Vermögenskonzentration habe an der Spitze im letzten Jahr weiter zugenommen, betonte die Organisation bei der Vorstellung ihres Ungleichheitsberichts kurz vor Beginn der Jahrestagung in Davos. Oxfam beruft sich dabei unter anderem auf die Finanznachrichtenagentur Bloomberg, deren Angaben zufolge das Vermögen der 500 reichsten Menschen der Welt im Vorjahr um ein Viertel gestiegen ist.
Eine WEF-Studie richtet zudem den Blick auf Deutschland, das nach Ansicht des Weltwirtschaftsforums hinterherhinkt, wenn es um soziale Aufstiegschancen geht. Größte Hürden für die sogenannte soziale Mobilität sind hierzulande demnach Ungleichheit bei Bildungschancen, mangelnder Zugang zu Technologie sowie Schwächen in der Lohngerechtigkeit.