Wenn Gerhard Polt und Franz Hohler über Humor reden
Bei der 100. „Sonntagsbegegnung“in Markt Schwaben geht es um „Wort, Witz und Wahrheit“
Markt Schwaben Kann man es einem wie Gerhard Polt, der seit mehr als vier Jahrzehnten die Menschen zum Lachen (und zum Nachdenken) bringt, tatsächlich glauben, dass er sich keine Witze merken kann? Er behauptet es jedenfalls steif und fest – und das noch dazu bei einer Veranstaltung, bei der in aller Ernsthaftigkeit über „Wort, Witz und Wahrheit“gesprochen wird. Der Bayer, so sagt der große bayerische Kabarettist unter Berufung auf den großen bayerischen Literaten Oskar Maria Graf, habe es nicht so sehr mit Pointen, eher mit Humor. Und das geht zum Beispiel so: Zwei Männer sitzen schweigend beim Bier in einer Wirtschaft. Sie sind die einzigen Gäste. Irgendwann sagt der eine: „Des is doch a Sauerei.“Darauf sagt der andere. „Des stimmt.“Dann schweigen sie wieder.
Es gehört zum Wesen der „Sonntagsbegegnungen“in Markt Schwaben,
sich nicht mit einfachen Antworten abzufinden oder sich wie in einer Talkshow die Meinungen um die Ohren zu hauen. Der gebürtige Augsburger und frühere Bürgermeister von Markt Schwaben (Landkreis Ebersberg), Bernhard Winter, hat die Veranstaltungsreihe im Jahr 1992 ins Leben gerufen, um für echten Dialog zu sorgen.
Bei dieser 100. Sonntagsbegegnung stehen sich vor rund 300 Gästen Gerhard Polt, 77, und sein Schweizer Kollege Franz Hohler, 76, als Dialogpartner gegenüber. Hohler sagt, er mag Witze. Sie sind für ihn „das Kleingeld des Geistes“. Aber selbstverständlich versteht er, was Polt sagen wollte. Und so sind sie sich schnell über vieles einig: Dass Humor nur schwer erlernbar ist, dass Karl Valentin mit seiner „Sabotage der Realität“bis heute ein überragendes Vorbild ist und dass Ironie besonders unter Diktaturen Wirkung entfalten kann.
Polt berichtet, wie Valentin sich in der Zeit des Nationalsozialismus schriftlich bei der Obrigkeit darüber beschwert hat, dass es doch eine „Schweinerei“sei, einen Künstler zu verfolgen, wenn der Staat es zuvor versäumt habe, ihn rechtzeitig zu zensieren. Hohler erzählt von einem Vorfall in der
DDR, wo eine Künstlerin bei einem Auftritt improvisieren musste und damit tags darauf einen Aushang am Schwarzen Brett auslöste. Die Anord- nung lautete: „Improvisationen sind ab sofort bei der Direktion anzumelden.“
So mündet eine Geschichte in die nächste und irgendwann landen die beiden in ihrer Kindheit und bei ihren Erlebnissen mit der Kirche. Polts Karriere als Ministrant in Altötting scheiterte, wie er berichtet, an seiner „Unbotmäßigkeit“und an einem anderen Ministranten mit Segelohren. Die Sache war die: Im Ministrantenunterricht saß Polt hinter dem Wolfgang mit den großen Ohren. Die Sonne schien durch die bunten Kirchenfenster und wenn der Wolfgang seinen Kopf bewegte, dann schimmerte es mal grün, mal blau durch die Ohren. „Recht viel unterhaltsamer“, so Polt, „kann ein Kirchgang kaum sein.“Der Mesner freilich verstand keinen Spaß und setzte den Buben Gerhard vor die Tür. Darüber, so Polt, habe er lange nachgedacht, „weil, der liebe Gott, der möcht’ doch auch eine Gaudi ham“.
Hohlers prägendes Erlebnis mit der Kirche war ein anderes. Er sei immer sehr beeindruckt gewesen von dem ganzen Glanz in der Kirche und dem prunkvollen Altar. Irgendwann aber habe er als Bub mal hinter den Altar geschaut, und da war nur eine kahle Wand und ein Putzeimer mit einer Bürste. „Da hab ich mir gedacht: Schau an, hinter dem Altar, da geht das Leben los.“
Einer simplen Antwort zu den Fragen nach „Wort, Witz und Wahrheit“entziehen sich die beiden Protagonisten. Zum bayerischen Humor etwa sagt Polt nur: „Persönlich kenne ich ihn nicht.“Und Hohler glaubt eh nicht dran, dass der Humor eine Heimat hat. Er sei ein weltweites Phänomen.
Zur Wirkung von Humor hatte zuvor schon der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, etwas gesagt, der nach einem Grußwort des früheren Landtagspräsidenten Alois Glück die Jubiläumsrede zur 100. Sonntagsbegegnung hielt. Humor ermögliche Distanz, „wer über sich selbst lachen kann, der hasst nicht“.