Neuburger Rundschau

Es geht um Prokops Job

Die DHB-Auswahl will unbedingt das EM-Spiel um Rang fünf erreichen. Sollte das nicht gelingen, wird eine Diskussion um den Bundestrai­ner entflammen

- VON MARC STEVERMÜER

Am Tag nach der dramatisch­en 24:25-Niederlage gegen Kroatien bietet der Deutsche Handballbu­nd (DHB) im Wiener Mannschaft­shotel seine geballte Prominenz auf. Trainer Christian Prokop und Kapitän Uwe Gensheimer betreten die Bühne, die genau genommen aber erst zu einer wird, als Bob Hanning Platz nimmt. Der Vize-Präsident ist beim DHB zuständig für den Leistungss­port – und letztendli­ch der Mann, der bestimmt, wo es langgeht. Entspreche­nd gibt der 51-Jährige dann auch gleich die Richtung für den weiteren Turnierver­lauf vor: Nachdem die Chancen auf den Halbfinale­inzug auf ein absolutes Minimum gesunken sind, bleibt Stockholm das Ziel des WM-Vierten. Dort wird am Samstag die Partie um den fünften Rang ausgetrage­n, die Deutschen wollen dabei sein. „Es wäre eine Enttäuschu­ng, wenn wir das nicht schaffen“, stellt der Berliner klar.

Am Montag (20.30 Uhr) kann die DHB-Auswahl einen großen Schritt in Richtung Schweden machen, dann trifft sie auf Gastgeber Österreich. Hanning ist gespannt auf den Auftritt und die Beantwortu­ng seiner Fragen: „Was macht diese Mannschaft mit ihrem Trainer? Was kommt da jetzt raus?“Kurzum: Der Verbands-Vize nimmt die Spieler in die Pflicht und legt damit das Schicksal von Prokop in die Hände des Teams, das zum Hauptrunde­nabschluss am Mittwoch (20.30 Uhr) auf Tschechien trifft. Auch in dieSpiel erwartet Hanning einen Sieg. Bleiben die Erfolge aus und wird die Partie um Rang fünf verpasst, ist trotz der guten Leistung gegen Kroatien eine Diskussion um Prokops Zukunft unausweich­lich, weil zwangsläuf­ig auch die Zweifel zurückkehr­en. Denn bislang blieben die Erfolge in dessen Amtszeit aus: Das EM-Turnier 2018 endete als Neunter in einem Desaster, die angepeilte Medaille wurde mit Rang vier bei der Heim-WM 2019 ebenso verpasst wie der diesmal angestrebt­e Halbfinale­inzug – auch wenn dieser nach den vielen verletzung­sbedingten Absagen gewiss keine Pflicht mehr war. Aber: Im Spitzenspo­rt geht es um Zählbares. Das gilt für alle Teams, insbesonde­re aber für den DHB, den größten Handballve­rband der Welt.

Das weiß auch Hanning, der es richtig findet, trotz der personelle­n Sorgen am Ziel Halbfinale festgehalt­en zu haben. „Wenn wir ganz ehrlich sind, waren wir nur einen Millimeter davon entfernt, die Chance darauf zu haben“, sagt der Berliner, der selbst bislang keine Diskussion um den von ihm vor drei Jahren installier­ten Prokop führen will. Auf eine Trainerdeb­atte angesproch­en, sagt er: „Wir werden das Turnier wie jedes andere analysiere­n und intern besprechen. Aber ich sehe im Moment keinen Bedarf, darüber jetzt zu sprechen.“Muss das nach der EM passieren? „Ich gehe nicht davon aus, dass das kommt.“

Dass er nur „davon ausgeht“, aber offenbar nicht davon überzeugt ist, unterstrei­cht die durchaus kom

plexe Gemengelag­e. Denn meistens sind Hannings Aussagen klar, diesmal aber lassen seine Sätze Raum für Interpreta­tionen und Spekulatio­nen. Kurzum: So ausführlic­h der DHB-Vize auch stets Rede und Antwort steht, so sehr fällt augenblick­lich auf, was er nicht sagt. Der 51-Jährige vermeidet bislang ein eindeutige­s Bekenntnis zu Prokop, was die hohen internen Ansprüche nur noch verdeutlic­ht.

Der Bundestrai­ner suchte nach einer kurzen Nacht das Gespräch mit der Mannschaft. Und weil das offenbar beim DHB gerade in Mode ist, stellte auch er bei einer Teamsitzun­g am Morgen eine Frage. Und zwar seinen Spielern: „Was machen wir mit dieser EM?“Die Antwort fiel klar und deutlich aus, wie zumindest Prokop am Sonntagmit­tag berichtet. Die Mannschaft sei gesem willt, Vollgas zu geben. Kapitän Gensheimer bestätigt das: „Auch wenn wir das Halbfinale nicht mehr erreichen können, wollen wir das fortführen, was wir in Wien begonnen haben.“

In der Tat präsentier­t sich das Team seit dem Umzug vom norwegisch­en Vorrundens­pielort Trondheim in die österreich­ische Hauptstadt stark verbessert. Gegen das kroatische Weltklasse­team führte die DHB-Auswahl mit 17:12 (37.), beide Mannschaft­en trieben sich in diesem spektakulä­ren Duell an eine Grenze, die sie ohne einander nie erreicht hätten. Es waren 60 Minuten des Hoffens, des Hinfallens, des Frusts und der Freude, erst gegen Spielende verschwand neben der Souveränit­ät auch die Energie aus den Körpern der Deutschen. So wie bei einem Gewichtheb­er, der die Langhantel nicht mehr oben halten kann, wenngleich auch ein wenig Pech dabei war. Kai Häfner traf in den Schlussmin­uten den Pfosten, Jannik Kohlbacher von den RheinNecka­r Löwen verpasste Sekunden vor dem Abpfiff den Ausgleich.

„Das hat etwas mit Nuancen zu tun“, meint Hanning. Angesichts der anstehende­n Olympia-Qualifikat­ion im April sagt er aber noch etwas viel Wichtigere­s: „Wir sind eine Ergebnissp­ortart. Und wir müssen ein gutes Gefühl bekommen für das, was bald ansteht. Ich bin extrem gespannt, ob die Mannschaft das, was sie sich vorgenomme­n hat, auch bringt.“Macht sie das gegen Österreich und Tschechien nicht, wird es bald wieder Fragen geben.

 ?? Foto: Robert Michael, dpa ?? Christian Prokop kann es nicht fassen. Trotz langer und teilweise hoher Führung verlieren die deutschen Handballer kurz vor Schluss noch gegen Kroatien. Nun geht es darum, zumindest noch das Spiel um Rang fünf zu erreichen.
Foto: Robert Michael, dpa Christian Prokop kann es nicht fassen. Trotz langer und teilweise hoher Führung verlieren die deutschen Handballer kurz vor Schluss noch gegen Kroatien. Nun geht es darum, zumindest noch das Spiel um Rang fünf zu erreichen.

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