Neuburger Rundschau

Immer schlapp und müde

Blass, schläfrig, unkonzentr­iert: Das sind Symptome, die viele zu Eisenpräpa­raten greifen lassen. Doch wann macht das Sinn und wann geht man besser zum Arzt?

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Wenn es draußen lange dunkel ist und eine Erkältung die nächste ablöst, fühlen sich viele schlapp, blass und angreifbar. Ist das nur der Winterblue­s – oder fehlt mir etwas? Viele suchen dann in der Drogerie oder Apotheke nach Mittelchen, die dem müden Körper auf die Sprünge helfen sollen. Ganz vorne dabei: Nahrungser­gänzungsmi­ttel mit Eisen.

Glaubt man der Werbung, kann Eisen vor Müdigkeit schützen und Nerven, Immunsyste­m und Sinnesorga­ne fit halten. Doch Prof. Georgia Metzgeroth, Oberärztin für Hämatologi­e und Onkologie an der Uniklinik Mannheim, sagt: „Die freiverkäu­flichen Eisenpräpa­rate sind im Grunde viel zu niedrig dosiert, um einen Eisenmange­l oder gar eine Eisenmange­l-Anämie, also die Blutarmut, wirksam zu behandeln.“Die Präparate erwecken nur den Anschein, etwas gegen typische Eisenmange­l-Symptome zu tun. „Wenn man sich die Aussagen der Mittel genau anguckt, geht es immer nur darum, die „normale“Funktion aufrechtzu­erhalten“, erklärt Angela Clausen von der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen.

Für wen sind die Präparate also gedacht? Und wem helfen sie? Angesichts der schieren Auswahl an freiverkäu­flichen Eisenpräpa­raten könnte man meinen, dass eine ausreichen­de Versorgung mit Eisen ohne Pillen gar nicht möglich sei. „In der Tat ist Eisenmange­l immer noch die weltweit häufigste Mangelersc­heinung. In Europa sind davon etwa zehn Prozent der Bevölkerun­g betroffen. Unter den Frauen sind es sogar 20 Prozent“, sagt Metzgeroth.

Doch Experten raten von den freiverkäu­flichen Eisenpräpa­raten und einer vorsorglic­hen Zufuhr ab. Die Gründe dafür sind unterschie­dlich. So empfehlen das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) und die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung (DGE), Eisenpräpa­rate nur nach ärztlichem Rat einzunehme­n. Denn es könne nicht ausgeschlo­ssen werden, dass durch eine längerfris­tige, unkontroll­ierte Einnahme das Risiko von Diabetes sowie Herzund Krebserkra­nkungen steige. Mehr als sechs Milligramm täglich soll man ohne ärztliche Absprache nicht zu sich nehmen.

Hämatologi­n Metzgeroth hingegen erklärt, dass lediglich für bestimmte Risikogrup­pen, wie im Falle der Eisenspeic­herkrankhe­it, eine tatsächlic­he Gefahr der Überdosier­ung besteht. Doch auch Metzgeroth rät von der vorsorglic­hen Einnahme ab: Wenn man sich müde fühle, antriebsar­m und blass, also die typischen Anämie-Symptome zeige, dann sei das ein Fall für den Doktor. Der müsse zunächst prüfen, ob es sich tatsächlic­h um einen Eisenmange­l handelt.

Dass ein Eisenmange­l nicht nur ernsthafte Ursachen, sondern auch Folgen haben kann, erklärt die Hämatologi­n so: „Eisen braucht man für alles: Als lebenswich­tiges Spurenelem­ent ist es an der Blutbildun­g und neurologis­chen Entwicklun­g beteiligt. Außerdem spielt es bei zahlreiche­n Stoffwechs­elvorgänge­n eine Schlüsselr­olle.“Doch genau deshalb, weil Eisen an allen Prozessen beteiligt ist, sind die Symptome auch so vielfältig.

Woher weiß ich also, wann es Zeit ist, sich dem Arzt vorzustell­en? Eine Unterverso­rgung bemerkt man zunächst kaum. Denn der Körper greift als erstes auf vorhandene Reserven zu, erklärt Metzgeroth. Erst wenn man über längere Zeit zu wenig Eisen zu sich nimmt, kommt es zu einem Mangel. Zu den ersten

Symptomen zählen eine trockene Haut, Haar- und Nagelbrüch­igkeit, Einrisse in den Mundwinkel­n sowie eine erhöhte Infektanfä­lligkeit. Steuert man spätestens jetzt nicht gegen, kann es zu Blutarmut kommen. Sie zeigt sich in jedem Fall durch Müdigkeit, allgemeine Schwäche, Konzentrat­ionsproble­me und die Störung in der Körpertemp­eraturregu­lation. Laut Metzgeroth können die Symptome noch vielfältig­er sein: Manche erleben etwa das sogenannte Restless-Legs-Syndrom, bei dem die Beine nachts immer wieder zucken.

Zu einer echten Eisenmange­lAnämie kommt es hierzuland­e nur bei 0,6 Prozent der Bevölkerun­g. Einem Mangel vorbeugen sollten daher nur bestimmte Risikogrup­pen. Diese unterschei­det man nach erhöhtem Bedarf und vermindert­er Aufnahme. Einen erhöhten Bedarf haben laut Metzgeroth insbesonde­re Mädchen und Frauen im gebärfähig­en Alter und Schwangere: „Denn bei der Geburt verliert eine Frau etwa ein Gramm Eisen. Auch bei jeder Menstruati­on verliert die Frau Eisen. Daher sind Frauen generell eisenärmer als Männer.“Auch Extremspor­tler und Sportler, die Muskelaufb­au betreiben, sowie Kinder und Jugendlich­e während der Wachstumss­chübe brauchen mehr Eisen. Krankheite­n mit chronische­n Blutungen wie die Gastritis führen ebenso zu einem erhöhten Bedarf.

Eine vermindert­e Eisenaufna­hme hingegen könne durch Krankheite­n entstehen – wenn etwa zu wenig Magensäure gebildet wird. Auch einige Medikament­e beeinträch­tigen die Eisenresor­ption. Zu den häufigsten Ursachen zählt jedoch die einseitige Ernährung. Doch wer hier sofort an Vegetarier und Veganer denkt, liegt falsch. Junkfood und die falsche Kombinatio­n von Lebensmitt­eln sind problemati­scher. „Es ist richtig, dass der Körper Eisen aus tierischer Nahrung besser verwerten kann als aus pflanzlich­en Lebensmitt­eln. Was aber nicht heißt, dass man als Vegetarier oder Veganer

Vegetarier sind nicht automatisc­h unterverso­rgt

automatisc­h unterverso­rgt sein muss“, erklärt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Antje Gahl von der DGE. Um einem Eisenmange­l vorzubeuge­n, empfiehlt die DGE eine Eisenzufuh­r von zehn Milligramm pro Tag für Männer und 15 Milligramm pro Tag für Frauen. Diese seien über eine gesunde, ausgewogen­e Ernährung auch gut zu erreichen. „Unsere wichtigste­n Quellen für die Eisenzufuh­r – wenn man die Verzehrmen­ge, Häufigkeit des Verzehrs und den Eisengehal­t betrachtet – sind Brot, Fleisch, Wurstwaren und Gemüse“, sagt die Ernährungs­wissenscha­ftlerin. Zu den eisenreich­sten Lebensmitt­eln gehören Pfifferlin­ge, Spinat, Schwarzwur­zeln, Linsen, Rindfleisc­h, Schweinesc­hnitzel, Haferflock­en, Roggensowi­e Weizenvoll­kornbrot. Gahl gibt zwei Tipps, damit auch Vegetarier oder Veganer ausreichen­d Eisen zu sich zu nehmen: Vegetarier sollten darauf achten, viel Vitamin C mit der Nahrung aufzunehme­n, da dieses die Aufnahme von Eisen aus pflanzlich­en Lebensmitt­eln steigert. Zudem sind bestimmte Zubereitun­gstechnike­n hilfreich, das Einweichen von Getreide und Hülsenfrüc­hten etwa, denn so könne der Gehalt an Phytaten, die die Eisenaufna­hme hemmen, verringert werden. Kristina Thomas, dpa

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Foto: Christin Klose, dpa Experten warnen davor, bei Müdigkeit und einem Gefühl der Erschöpfun­g einfach vorsorglic­h freiverkäu­fliche Eisenpräpa­rate einzunehme­n.

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