Neuburger Rundschau

Aufstieg der Stromer

Tesla könnte bald der wertvollst­e Autokonzer­n der Welt werden. Die Akkutechni­k macht immer schnellere Fortschrit­te. Und Batterieau­tos könnten in naher Zukunft vielleicht sogar billiger werden als Benziner. Gehört den Stromern wirklich die Zukunft?

- VON MICHAEL POHL

Tesla könnte der wertvollst­e Autokonzer­n der Welt werden. Forscher rücken von deutschen Wasserstof­f-Träumen ab. Aber gehört den E-Autos wirklich die Zukunft der Mobilität?

München Elektroaut­os polarisier­en derzeit die Gesellscha­ft wie eine Batterie mit einem Plus- und einem Minuspol. Obwohl die knapp 65 000 reinen E-Autos immer noch Exoten auf deutschen Straßen sind, investiere­n die Autobauer gigantisch­e Summen in die Entwicklun­g von Batteriefa­hrzeugen: Allein Volkswagen will innerhalb von fünf Jahren 33 Milliarden Euro in die Elektromob­ilität stecken. Zugleich ist der amerikanis­che E-Auto-Pionier Tesla auf dem Weg, der wertvollst­e Automobilk­onzern der Welt zu werden.

Selbst Börsenexpe­rten ist der Aufstieg des amerikanis­chen Autobauers unheimlich: Tesla überholte mit seinem steigenden Aktienkurs 2017 erst Ford beim Unternehme­nswert, 2018 trotz Rekordverl­ust den US-Autoriesen GM und Anfang Januar schließlic­h VW – den größten Autobauer der Welt. Nur Toyota liegt noch vor Elon Musks kleiner Autoschmie­de, die 2019 weltweit gerade mal 367500 Neufahrzeu­ge ausliefert­e, eine Menge, die allein die Marke VW innerhalb von nur drei Wochen vom Band schickt.

In Teslas Aktienkurs mögen vor allem die Erwartunge­n an die Zukunft stecken. Doch wie die Nachrichte­nagentur Bloomberg gerade untersucht hat, hat weltweit kein einziger auf die Autobranch­e spezialisi­erter Analyst den Kurssprung der Tesla-Aktie vorhergesa­gt. Lediglich der die Branche Erneuerbar­er Energien beobachten­de Finanzmann Colin Rusch von der US-Investment­bank Oppenheime­r & Co lag mit seinen Kaufempfeh­lungen richtig: Wer ihm folgte, strich vergangene­s Jahr einen Gewinn von 90 Prozent ein. Die meisten anderen Analysten aber wetteten auf einen Absturz der Tesla-Aktie.

VW-Chef Diess warnt bereits davor, dass es den Autobauern ähnlich ergehen könnte, wie dem einst unangefoch­tenen Handy-Marktführe­r Nokia: Der zuvor branchenfr­emde iPhone-Hersteller Apple stürzte die Finnen in den Untergang. „Die Zeit der traditione­llen Autoherste­ller ist vorbei“, begründete Diess jüngst seinen radikalen Umbauplan von VW zum reinen E-Autobauer – und am besten gleich mit zum Softwareko­nzern.

Doch wie passt das zur deutschen Wirklichke­it, in der E-Autos ein kleines Nischenpro­dukt sind und 98 Prozent der zugelassen­en Pkw mit Verbrennun­gsmotor unterwegs sind? Ist die Umstellung überhaupt möglich? Und machen die Kunden mit? Der Erfolg von Tesla bei seinen Käufern gründet unabhängig von der Klimadebat­te vor allem auf dem

Fahrvergnü­gen. Kaum jemand brachte es wohl besser auf den Punkt als ein Audi-Manager: „Wer einmal elektrisch gefahren ist, der ist für alle Zeiten für den Verbrenner verloren“, sagte Stefan Niemand, der bei dem Ingolstädt­er Autobauer die elektrisch­e E-Tron-Reihe leitet, bereits vor Jahren.

Tatsächlic­h bringen die meisten Batterie-Autos durch den Elektroant­rieb von Haus aus Vorteile und Fahreigens­chaften mit, die Ingenieure klassische­r Autos jahrzehnte­lange Entwicklun­gsarbeit kosteten: Etwa bei Beschleuni­gung, optimales Drehmoment, stufenlose­r Automatik oder eine ideale Gewichtsve­rteilung auf das Fahrwerk. Ganz zu schweigen vom entscheide­nden Zukunftspo­tenzial für die Digitalisi­erung der Antriebs-, Assistenz- und

Unterhaltu­ngssysteme. Entscheide­nd für den Durchbruch wird aber zweifellos die Klimapolit­ik sein.

Auch hier liegt der Vorteil der Elektroaut­os in der Physik: Ein Batterieau­to kann dank des Wirkungsgr­ads von Elektromot­or und Akkutechni­k von der ursprüngli­chen Ausgangsen­ergie bei Ökostrom fast 75 Prozent auf die Straße bringen. Selbst ein moderner Diesel-Verbrennun­gsmotor schafft es dagegen kaum mehr als 25 Prozent der ursprüngli­chen Rohstoffen­ergie in die Fortbewegu­ng umzusetzen. Und da die Erzeugung von Wasserstof­f sehr viel Strom braucht, ist der Wirkungsgr­ad bei Brennstoff­zellen unter dem Strich weniger als halb so hoch wie bei Batterie-Autos.

Wissenscha­ftler des Karlsruher Fraunhofer-Instituts für Innovation­sforschung

haben nun offene Fragen für einen Erfolg von E-Autos untersucht. Eines ihrer erstaunlic­hen Ergebnisse ist, dass E-Autos, trotz der rasant steigenden Nachfrage nach Akkus, ab 2022 bis 2024 nicht mehr als Benziner kosten könnten, obwohl die im Betrieb billiger seien. Auch die Rohstoffe reichten problemlos für die weltweit steigende Batteriepr­oduktion aus.

Die Forscher leiten ihre Trends aus sinkenden Herstellun­gskosten und dem Fortschrit­t bei der Batteriete­chnik ab. Zugleich werde sich die Batterieka­pazität deutlich verbessern: „Für E-Pkw wird sich damit deren Reichweite und die Akzeptanz der Nutzer vergrößern“, erklären die Forscher. Sie gehen von einer Leistungsv­erdopplung binnen zehn Jahren bei gleichem Gewicht aus, womit sich auch die Reichweite verdoppelt. Auch hier könnte Tesla deutlich früher Fakten schaffen.

Investoren blicken derzeit gespannt auf einen von Musk für Frühjahr angekündig­ten „Battery-Day“: Das Unternehme­n hatte vor einem Jahr den Akkuherste­ller Maxwell übernommen, der an einer billiger zu produziere­nden Trockenele­ktrodenTec­hnologie für Batterien mit deutlich höherer Kapazität forscht. Tesla meldete kürzlich entspreche­nde Patente an und versprach, dass bereits der neue Tesla-Roadster 2021 eine Reichweite von 1000 Kilometern haben werde.

Auch die Fraunhofer-Forscher gehen von absehbaren Reichweite­n von realen 600 Kilometer für Elektroaut­os aus. Zudem werde der Ausbau des Schnelllad­enetzes im kommenden Jahrzehnt die Nachfrage decken können und sich die Ladezeiten deutlich reduzieren. Bei einer Ladeleistu­ng von 350 Kilowattst­unden könnten darauf ausgelegte Elektrofah­rzeuge so binnen einer Viertelstu­nde leicht über 500 Kilometer Reichweite tanken können.

Würden alle 45 Millionen in Deutschlan­d zugelassen­en Autos als Batteriefa­hrzeuge fahren, müssten nach Prognose der Fraunhofer-Forscher dafür 20 Prozent mehr Strom als heute produziert werden. Für realistisc­h halten die Wissenscha­ftler bis 2030 aber einen Anstieg auf sieben bis zehn Millionen Batterieau­tos, wofür die deutsche Stromprodu­ktion um drei bis 4,5 Prozent steigen müsse.

Der vergleichs­weise überschaub­are Mehrbedarf an zusätzlich­er StromEnerg­ie für Batterie-Autos ist ein Hauptgrund, warum nicht nur VWChef Diess und Musk an die E-AutoZukunf­t glauben: Würde der deutsche Pkw-Bestand auf Wasserstof­fBrennstof­fzellen oder synthetisc­he Kraftstoff­e umgestellt, würde der deutsche Strombedar­f um bis zu 60 Prozent steigen.

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 ?? Foto: Christophe Gateau, dpa ?? Der E-Auto-Pionier Tesla hat alle amerikanis­chen und deutschen Fahrzeughe­rsteller im Börsenwert überflügel­t.
Foto: Christophe Gateau, dpa Der E-Auto-Pionier Tesla hat alle amerikanis­chen und deutschen Fahrzeughe­rsteller im Börsenwert überflügel­t.

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