Neuburger Rundschau

Streit um Straßennam­en

In München wird derzeit heftig diskutiert, ob einige Straßen umbenannt werden sollen. Ein Blick in die Region zeigt: Die Landeshaup­tstadt ist mit dieser Debatte kein Einzelfall

- VON MARIA HEINRICH

München Zwei Männer, die im Dritten Reich die Nationalso­zialisten unterstütz­ten – zwei Namen, die heute noch zwei Straßen in München benennen: Friedrich Hilble und Alois Wunder. Der eine veranlasst­e während des Nationalso­zialismus als Leiter des Münchner Wohlfahrta­mtes Deportatio­nen von Arbeitslos­en ins Konzentrat­ionslager Dachau. Der andere war der letzte Oberbürger­meister von Pasing und viele Jahre Mitglied der NSDAP. Wie lange es in München allerdings noch eine Hilblestra­ße in Neuhausen und eine Alois-Wunder-Straße in Pasing geben wird, ist fraglich.

Denn beide Männer stehen auf einer Liste von insgesamt 40 Straßennam­en, die eventuell umbenannt werden sollen. Diese Liste hatte jüngst Aufregung und Empörung ausgelöst. 2016 hatte der Münchner Stadtrat das Stadtarchi­v beauftragt, Straßennam­en zu überprüfen und problemati­sche Benennunge­n zu identifizi­eren. Das Stadtarchi­v erstellte daraufhin zwei Listen, die jetzt vorliegen. Die eine enthält die 40 Straßennam­en, bei denen das Stadtarchi­v „einen erhöhten Diskussion­sbedarf“sieht, wie ein Sprecher der Stadt München mitteilte.

Die andere umfasst 320 Namen, die „nach Auffassung des Stadtrats im Einzelfall durch Texte auf Erläuterun­gsschilder­n erklärt und historisch eingeordne­t werden“könnten. Dazu zählen zum Beispiel der die Siemensall­ee und die Erich-KästnerStr­aße. Die Bild-Zeitung berichtete, dass auch diese Straßen für eine Umbenennun­g vorgeschla­gen wurden, was bei vielen für Empörung sorgte. Zum Beispiel im Fall von Franz Josef Strauß, der in Afrika auf Jagdsafari­s auf Antilopen geschossen haben soll.

CSU-Generalsek­retär Markus Blume sagte zum Beispiel der Abendzeitu­ng, dass durch die Liste

„herausrage­nde Persönlich­keiten in den Schmutz gezogen werden“. Blume sprach von einem „skandalöse­n Vorgang“und forderte dazu auf, „den Unsinn zu beenden und sich zu entschuldi­gen“. Auf Nachfrage unserer Redaktion wies ein Sprecher der Stadt München diesen Vorwurf aber zurück. „Diese Straßennam­en wurden, anders als berichtet, nie für eine Umbenennun­g vorgeschla­gen.“

Wie die Stadt München mit den 40 Straßen – deren Namensgebe­r im Zusammenha­ng mit dem nationalso­zialistisc­hen Regime als belastet gelten – umgeht, soll jetzt ein Expertengr­emium entscheide­n. In diesem Gremium sitzen unter anderem Vertreter der Stadtratsf­raktionen, des Stadtarchi­vs, der Gleichstel­lungsstell­e für Frauen, des Jüdischen Museums und des NS-Doku

Aus Stadtratsk­reisen war zu hören, dass es aber noch eine Zeit lang dauern werde, bis man genau wisse, wie man das Thema angehen werde. „Wir müssen erst einmal klären, mit welchem Maßstab wir die einzelnen Namen bewerten wollen.“Denn noch sei man sich nicht einig darüber, ob man die Straßennam­en aus heutiger Sicht bewerten will. Oder ob man die Zeit und die Umstände berücksich­tigen möchte, unter denen die Straße damals benannt wurde. Aus Stadtratsk­reisen wurde außerdem berichtet, dass man sich neben intensiven Diskussion­en innerhalb des Gremiums auch auf eine große öffentlich­e Debatte einstellen müsse. „Allein bei den 40 Straßen mit erhöhtem Diskussion­sbedarf wären über 10000 Menschen betroffen. Die wären nicht begeistert, wenn ihre Straße einen neuen Namen beFranz-Josef-Strauß-Ring, käme. Das wäre für die Bürger ein gewaltiger Aufwand.“

Nicht nur in München ist die Bewertung von Straßennam­en ein Thema, das die Menschen bewegt. Erst im November entschied der Kulturauss­chuss des Augsburger Stadtrats, dass die Langemarck­straße in Kriegshabe­r und die Dr.Mack-Straße am Bezirkskra­nkenhaus wegen ihres Bezugs zur NSZeit anders heißen sollen. Im vergangene­n Jahr wurde auch ausführlic­h über die Werner-Egk-Schule in Oberhausen debattiert, deren Namensgebe­r unter den Nationalso­zialisten ein Funktionär der Reichsmusi­kkammer war. Lehrer und Mitglieder des Elternbeir­ats der Oberhauser Schule entschiede­n: Ihre Schule soll künftig „Grundschul­e Augsburg Oberhausen Mitte“heißen.

In Ulm gibt es derzeit zwei Stramentat­ionszentru­ms. ßennamen, die diskutiert werden. Zum einen die Heilmeyers­teige, benannt nach Ludwig Heilmeyer, einem der Gründungsp­rofessoren der Uni Ulm. 2017 hatten Forscher des Instituts für Medizinges­chichte die problemati­sche Rolle Heilmeyers in der Weimarer Republik und während des Nationalso­zialismus aufgedeckt. Zum anderen der Hindenburg­ring, benannt nach dem ehemaligen Reichspräs­identen Paul von Hindenburg, der an der Machtüberg­reifung von Adolf Hitler beteiligt gewesen sein soll. Die Entscheidu­ng fällt am 19. Februar.

In Ingolstadt gibt es derzeit keine Diskussion­en zur Umbenennun­g von Straßennam­en. Allerdings änderte die Stadt bereits 2003 wegen eines Bezugs zum Nationalso­zialismus die Carl-Diem-Straße in Martin-Hemm-Straße und 2015 die Bruhnstraß­e in Ferdinand-BraunStraß­e.

In Kempten steht derzeit die Knussert-Straße zur Diskussion – hinsichtli­ch der historisch­en Belastung von Richard Knussert, der als treuer Anhänger des NS-Regimes galt. Bereits im Jahr 2004 wurden dort einzelne Straßen umbenannt, zum Beispiel der Karl-Diem-Weg, der in Kempten mit einem „K“geschriebe­n wird. Wie es in München mit den umstritten­en Straßennam­en weitergeht, darüber wird das Expertengr­emium in der nächsten Sitzung im Februar beraten. Die endgültige Entscheidu­ng trifft aber der Münchner Stadtrat.

Tausende Bürger wären von einer Änderung betroffen

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Foto: Josef Schmid Der Franz-Josef-Strauß-Ring gilt als historisch belastet. Der Stadtrat berät, wie er mit solchen Fällen umgehen will.

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