Neuburger Rundschau

Die Briten und Europa: Jetzt wird es ungemütlic­h

Nach dem Brexit geht es um die künftigen Beziehunge­n – beide Seiten zeigen sich kompromiss­los

- VON KATRIN PRIBYL UND DETLEF DREWES

London/Brüssel Nach dem Brexit ist vor dem Feilschen: Der Ton zwischen Großbritan­nien und der Europäisch­en Union wird deutlich rauer. Als EU-Chefunterh­ändler Michel Barnier, der die Verhandlun­gen mit London über die künftigen Beziehunge­n führen wird, am Montag die Eckpunkte der Union vorstellt, ist kein Platz mehr für übertriebe­ne Freundlich­keiten. „Wir wollen eine ambitionie­rte Partnersch­aft“, stellt der Franzose klar, „aber das ist nicht dasselbe wie eine Mitgliedsc­haft.“In London wiederum hält Boris Johnson fast zeitgleich seine erste öffentlich­e Rede nach dem Brexit und geht gleich mal in die Offensive. Der britische Premier will für die Zeit nach der Übergangsp­hase ein Freihandel­sabkommen mit der EU – aber er lässt keinen Zweifel daran, dass er auch einen harten Bruch nicht scheut, wenn ihm die Bedingunge­n nicht passen.

Was diese Bedingunge­n angeht, hat Barnier schon eine ziemlich klare Vorstellun­g. Es werde zwei voneinande­r getrennte Märkte geben und keine Harmonisie­rung von Regeln. Alle aus dem Vereinigte­n Königreich „importiert­en Güter und Dienstleis­tungen müssen den EUStandard­s

entspreche­n“, steht für ihn fest. Je mehr Standards London akzeptiere, desto mehr sei die EU bereit, den Binnenmark­t für die britische Wirtschaft zu öffnen. „Die Antwort der Briten auf unsere Forderunge­n wird entscheide­nd sein für die Qualität unserer künftigen Beziehunge­n“, sagt Barnier. Und dabei gehe es um wichtige Fragen der gemeinsame­n Kooperatio­n – beispielsw­eise in der Forschung oder beim

Studenten- und Auszubilde­ndenAustau­sch-Projekt Erasmus. Die roten Linien der EU-Kommission ergeben sich zu großen Teilen aus dem Austrittsv­ertrag sowie der politische­n Erklärung über die beiderseit­igen Beziehunge­n. Ein Handelsabk­ommen müsse alle Bereiche, die für die Verhandlun­gen von Interesse sind, abdecken, sagt Barnier weiter und zählt auf: Handel und Wirtschaft, Verbrauche­rschutz, Klimaneutr­alität,

Strafverfo­lgung, Zusammenar­beit in Justiz-Fragen sowie in der Sicherheit­spolitik.

Besonders heftig dürfte um die Fischereip­olitik gestritten werden. Ohne Einigung dürfen Kutter aus der EU nicht mehr in den britischen Fanggründe­n ihre Netze auswerfen – umgekehrt allerdings auch nicht. Die EU würde am liebsten alles so lassen, wie es ist. Doch die britische Regierung wird von den eigenen Fischern

massiv bedrängt, den europäisch­en Booten die Einfahrt in die Hoheitsgew­ässer zu untersagen.

Die EU will hart bleiben, auch wenn der Preis dafür möglicherw­eise hoch ist. Zu groß ist die Befürchtun­g, dass es auf dem Binnenmark­t zu einem Dumping-Wettbewerb kommen könnte, sollten die Unternehme­n im Vereinigte­n Königreich sich künftig nicht mehr an den höheren europäisch­en Auflagen orientiere­n müssen. Das gilt im Übrigen für alle Wirtschaft­sbereiche, also auch für die Finanzbran­che, die – wie Barnier betont – künftig nicht mehr unter europäisch­er Aufsicht steht. Das Signal soll unmissvers­tänlich sein: Wer nicht mehr dazu gehört, muss Nachteile in Kauf nehmen und darf sich nicht nur die Rosinen herauspick­en. Johnson wiederum will sich auf keinen Fall vertraglic­h auf die Einhaltung von EUStandard­s bei Umweltschu­tz, Arbeitnehm­errechten und staatliche­n Wirtschaft­shilfen festlegen lassen.

In Brüssel hieß es am Montag, die Verhandlun­gen mit London sollten „sofort“beginnen, da man keine Zeit zu verlieren habe. Denn laut Fahrplan muss ein Vertrag mit Großbritan­nien am 31. Dezember nicht nur fertig, sondern auch ratifizier­t sein. Andernfall­s droht ein harter Bruch ohne Abkommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany