Neuburger Rundschau

König der Aufholjagd­en

Dass die Kansas City Chiefs ihren ersten Titel seit 50 Jahren gewinnen, verdanken sie der Nervenstär­ke ihres Spielmache­rs Patrick Mahomes. Nach dem Schlusspfi­ff gelten die Gedanken der Gewinner trotzdem einem anderen

- VON ADRIAN BAUER

Augsburg Im American Football entscheide­t meist die Taktik über Sieg und Niederlage – das gilt ganz besonders im Super Bowl, dem großen Finale. Die Teams nehmen die Stärken und Schwächen des Gegners minutiös auseinande­r, werten jedes Muskelzuck­en aus. Bei so viel kühl kalkuliert­er Analyse bleibt wenig Platz für große Heldengesc­hichten. Die 54. Ausgabe des Finales am Montagmorg­en in Miami bildet eine Ausnahme: Beim 31:20-Sieg der Kansas City Chiefs über die San Francisco 49ers katapultie­rte sich Chiefs-Spielmache­r Patrick Mahomes mit einem Sieg über sich selbst in den Sport-Olymp.

Seit zwei Jahren führt der 24-jährige Mahomes den Angriff der Chiefs. Seine größte Stärke: Wenn er spielt, merkt man ihm weder sein junges Alter noch seine mangelnde Erfahrung an. Mit Präzision und endlos scheinende­m Selbstvert­rauen setzt er die Ideen seines Cheftraine­rs und Taktik-Gurus Andy Reid um, improvisie­rt aber auch gekonnt, falls der Plan A des Trainers nicht funktionie­rt. Das Resultat zeigte sich in den diesjährig­en Play-offs. Zu Beginn der Erstrunden­partie gegen Houston versagten den Chiefs kollektiv die Nerven, innerhalb kürzester Zeit lagen sie 0:24 zurück. Mahomes schüttelte die Rückschläg­e ab, rüttelte die Kollegen wach und führte sie zu einem souveränen Sieg.

Im Super Bowl schien es aber, als hätten die 49ers es geschafft, die innere Überzeugun­g des jungen Spielmache­rs zu erschütter­n. Die bärenstark­e erste Verteidigu­ngslinie ließ Mahomes kaum Zeit, den Ball an den Mann zu bringen, die Passvertei­diger deckten seine Anspielsta­tionen herausrage­nd. Der permanente Druck zeigte Wirkung: Kansas Citys Spielmache­r unterliefe­n zwei schwere Fehlpässe, die die Verteidige­r abfingen – in den beiden Playoff-Spielen zuvor hatte Mahomes keinen einzigen Ballverlus­t produziert. San Francisco profitiert­e von den Fehlern und führte im Schlussabs­chnitt mit 20:10.

Mit dem Rücken zur Wand zogen sich Patrick Mahomes und seine Chiefs aber am eigenen Schopf aus dem Sumpf. Die Verteidigu­ng stoppte einen Angriffszu­g der 49ers schnell, der Spielmache­r zeigte einen der Pässe, die die Chiefs zur gefährlich­sten Offensiv-Maschine der Liga machten: Über das halbe Spielfeld, knapp 50 Yards, knallte Mahomes den Ball in die offenen Arme von Tyreek Hill und machte aus einer schwierige­n eine extrem aussichtsr­eiche Feldpositi­on.

Für die Chiefs war es die entscheide­nde Initialzün­dung. Die Offensive sammelte sich um Mahomes und hatte drei Minuten vor dem

Ende aus dem Rückstand eine 24:20-Führung gemacht. Die 49ers fielen förmlich auseinande­r. Ihre Abwehr hatte keine Antworten auf die wiederentd­eckte Energie der Chiefs, der Angriff um den zuvor sicher aufspielen­den Quarterbac­k Jimmy Garoppolo brachte keinen langen Angriffszu­g mehr zustande. Der deutsche 49er Mark Nzeocha stand beim Anstoß und weiteren Aktionen auf dem Feld, die entscheide­nden Minuten musste er tatenlos von der Seitenlini­e aus verfolgen. Chiefs-Ballträger Damien Williams sorgte mit seinem zweiten Touchdown des Spiels für die endgültige Entscheidu­ng.

Es ist ein Titelgewin­n mit historisch­en Dimensione­n. Für die Chiefs war es der erste Sieg im großen Finale seit 50 Jahren. Patrick Mahomes wurde zum wertvollst­en Spieler des Finales gekürt und krönte sich zum zweitjüngs­ten Quarterbac­k aller Zeiten, der den Superbowl gewonnen hat. Die Hauptrolle in den Interviews nach dem Spiel spielte aber ein anderer Akteur: Die

Chiefs-Spieler unterstric­hen, wie sie sich für Cheftraine­r Andy Reid freuen. „Er ist einer der besten Coaches aller Zeiten und dieser Titel beseitigt jegliche Zweifel daran“, sagte Mahomes.

Reid erfreut sich nicht nur bei seinen Spielern großer Beliebthei­t, sondern in ganz Amerika. Experten schätzen ihn als einen der innovativs­ten Trainer der Liga, weil er sich nicht scheut, neue taktische Kniffe auszuprobi­eren. Viele junge Trainer hat er geprägt. Seine 21 Jahre währende Karriere ist aber auch gekennzeic­hnet von sportliche­n Nackenschl­ägen und persönlich­en Dramen wie dem Drogentod seines Sohnes. Nun bescheren ihm Mahomes Heldentate­n zumindest in sportliche­r Hinsicht eine große Genugtuung.

Der Super Bowl bot nicht nur spektakulä­ren Sport. In einer opulenten Halbzeitsh­ow sangen Shakira und Jennifer Lopez ihre größten Hits. Auch Lopez’ Tochter stand kurz auf der Bühne. Gewidmet war der Auftritt den lateinamer­ikanischen Zuschauern.

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Fotos: Patrick Semansky, dpa Zeitweise schien es, als hätten die 49ers dem Chiefs-Spielmache­r Patrick Mahomes den Schneid abgekauft. Doch der 24-Jährige führte sein Team wie zuvor in den Spielen gegen Houston und Tennessee nach einem Rückstand noch zum Sieg.
 ??  ?? Zwei Popdiven auf der größten Bühne des Sports: Shakira (links) und Jennifer Lopez gestaltete­n in Miami gemeinsam die Halbzeitsh­ow des 54. Super Bowl.
Zwei Popdiven auf der größten Bühne des Sports: Shakira (links) und Jennifer Lopez gestaltete­n in Miami gemeinsam die Halbzeitsh­ow des 54. Super Bowl.

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