So leben Betroffene mit ADHS
56-Jähriger gründet eine Selbsthilfegruppe für Erwachsene mit der Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung. Die „Grenzgänger“treffen sich erstmals am Mittwoch in Aichach. Wie sich die Erkrankung im Alltag auswirkt
Aichach Er konnte nicht schlafen und fühlte sich oft orientierungslos. Der Hausarzt schickte den heute 56-Jährigen aus dem Raum Aichach vor rund vier Jahren zu einem Psychiater. Die diagnostizierte ADHS, eine Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung. Eine Erkrankung, die zu deutlichen Einschränkungen und Problemen im Alltag führt. Dass auch Erwachsene ADHS haben, sei kaum bekannt, sagt der 56-Jährige. Um anderen Betroffenen zu helfen, gründete er die Selbsthilfegruppe „Grenzgänger“. Am Mittwoch, 5. Februar, findet das erste Treffen statt.
Rückblickend weiß der 56-Jährige, dass er schon als Kind an ADHS litt. „Ich war ein Zappelphilipp.“In den 1960er Jahren habe man die Krankheit aber noch gar nicht gekannt. Heute weiß er, dass damals auch schon „ein bisschen Autismus“dabei war, denn er wollte nie berührt werden. Jahrelang konnte der 56-Jährige seine Symptome nicht einordnen. Er machte unter anderem eine Lehre als Koch und Bäcker, schloss sie jedoch nicht ab, weil er sich auf die Prüfungen nicht konzentrieren konnte. Erst 2015 wurde bei ihm in einer Klinik ADHS diagnostiziert.
Die Krankheit bringt eine ganze Reihe von Einschränkungen mit sich. Fremde Räume seien für ihn schwierig, sagt der 56-Jährige. „Meine Wohnung ist mein Reich.“Dieser geschützte Bereich sei für ihn wichtig. Deshalb geht er auch nicht zu Konzerten oder auf Weihnachtsmärkte. „Ich bin oft allein, aber nicht einsam, sondern will meine Ruhe haben.“Weitere Einschränkungen beschreibt er so: „Ich kann keinen Stress ab, Termine sind für mich ein Horror.“Er fühle sich dann unter Druck gesetzt. Deshalb gibt es in seiner Wohnung auch keine Uhr. Auch Einkaufen sei schwierig, weil er von der Musik oder den Durchsagen abgelenkt werde. Die Folge: „Ich vergesse, was ich eigentlich kaufen will.“
Mit seiner Selbsthilfegruppe „Grenzgänger“will er anderen Erwachsenen helfen, die an ADHS
ADS leiden. „In der Gruppe können wir Themen ansprechen, die uns innerlich bewegen.“Hier könnten die Betroffenen darüber reden, wie es ihnen wirklich gehe, was sie denken und fühlen. „Vertraulich und in kleinen Schritten wollen wir uns gegenseitig unterstützen, besser mit unserem Problem umzugehen.“
Den Namen „Grenzgänger“wählte der 56-Jährige ganz bewusst.
Als „zu sehr an der Oberfläche“habe er Namen wie Zappelphilipp oder Träumerle empfunden, sagt er. Mit ADHS lebe man als Erwachsener zwischen Traum und Realität. Das soll der Name Grenzgänger ausdrücken.
Das erste Treffen der Selbsthilfegruppe für Menschen mit ADS und ADHS im Erwachsenenalter findet am Mittwoch, 5. Februar, ab 19 Uhr in der Tagesstätte an der Müncheoder
ner Straße 19 in Aichach statt. Danach trifft sich die Gruppe hier regelmäßig am ersten Mittwoch im Monat, jeweils um 19 Uhr.
OKontakt Nähere Informationen gibt es bei der Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen am Gesundheitsamt der Stadt Augsburg unter der Telefonnummer 0821/324-2013 bei Christiane Dehne oder per E-Mail an shg.gesundheitsamt@augsburg.de.