Der neue Augsburger Bischof wird eine Kirche im Wandel führen
Die Mentalität und die Bevölkerung in Deutschland ändern sich rapide. Auch der Katholizismus muss neue Wege gehen, ob er Reformen gutheißt oder nicht
Für diese Feststellung muss man kein Prophet sein: Die katholische Kirche in Deutschland – und die Diözese Augsburg wird da keine Ausnahme sein – wandelt sich derzeit grundlegend. Die Veränderung geht fast von selbst. Sie folgt einerseits dem Mentalitätswandel im Lande, wo jeder sein Leben selbst designt, und andererseits den statistischen Gegebenheiten mit immer weniger Priestern, hohen Austrittszahlen und weniger Taufen. Der Kirche schmilzt die Basis ab und ihre Autorität im öffentlichen Diskurs schwindet.
Darauf hat sich der kommende Augsburger Bischof Bertram Meier einzustellen. Er wird keine flächendeckende Volkskirche mehr führen, sondern eine bestimmte Religionsgemeinschaft in einer pluralen Gesellschaft. Bei aller Bedeutsamkeit in ethischen Fragen kann die katholische Kirche nicht mehr beanspruchen, die maßgebliche Werteinstanz zu sein. Sie steht immer stärker in Konkurrenz zu anderen säkularen Einstellungen.
Meier, der bisher das Seelsorgeamt der Diözese Augsburg geleitet hat, ist durchaus im Bilde über den Wandel. Obwohl auch in Bayern der Anteil der Katholiken an der Bevölkerung (derzeit 55 Prozent) abnimmt, heißt dies noch nicht, dass sie keinen Einfluss darauf hätten, woran sich das Zusammenleben in Zukunft orientieren sollte. In die kirchlichen Kindergärten gehen auch ungetaufte und andersgläubige Kinder. Sie können dort lernen, was Nächstenliebe, was Vergebung, was schöpfungsgemäßer Lebensstil ist. Ebenso besteht weiterhin die Chance, in sozialkaritativen Einrichtungen der Kirche durch ein klares Leitbild ein menschlicheres Klima zu schaffen.
Leider hat die katholische Kirche und ihr geistliches Personal in der Vergangenheit massiv Vertrauen verspielt, indem Schutzbefohlene auf übelste Weise missbraucht wurden. Mit den Folgen wird sie sich noch lange Zeit auseinandersetzen müssen. Die geforderten Entschädigungen könnten einzelne Diözesen an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringen. Und die religiösen Erschütterungen sind unabsehbar.
Der Synodale Weg, der nun von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der Katholiken beschritten wird, muss bohrende Fragen stellen. Welche Stellung
wird in Zukunft der Priester im Kirchenvolk einnehmen? Wie sehr wird die Kirche die Teilhabe von Frauen auch in den Ämtern fördern? Wer kontrolliert die Mächtigen der Kirche? Gewaltig wird hier am Selbstverständnis einer hierarchisch verfassten Kirche gerüttelt. Aber zu Recht nennt der künftige Augsburger Bischof Meier diesen Prozess „alternativlos“.
Harte Opposition kündigte sich in der ersten Synodalversammlung seitens der Konservativen an. Der entmachtete Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller verstieg sich sogar dazu, den Reformdialog mit Hitlers Ermächtigungsgesetz 1933 zu vergleichen. Der Synodale Weg wird zur Zerreißprobe für den deutschen Katholizismus werden. Der neue Augsburger Bischof bleibt jedoch trotz der sich zuspitzenden Polarisierung zuversichtlich, dass es ein guter Weg werden kann.
Warum? Weil sich der Gestaltwandel der katholischen Kirche in der heutigen Welt bereits unaufhaltsam vollzieht. Bei der bekannten Alterspyramide der Priester steht fest, dass die Lücken in der geistlichen Versorgung immer größer werden – wenn nicht der Kreis der Seelsorger erweitert wird um die vielen, die sich aus ihrem Glauben heraus einfach tröstend ihrer Mitmenschen annehmen. Das kirchliche Handeln wird weniger aus Pfarrämtern heraus bestimmt als von engagierten Gläubigen. Bald heißt es auch, Abschied zu nehmen von den überdimensionierten Sakralgebäuden, die sich nicht mehr füllen, aber Geld verschlingen.
Der Synodale Weg wird zur Zerreißprobe