Neuburger Rundschau

Der neue Augsburger Bischof wird eine Kirche im Wandel führen

Die Mentalität und die Bevölkerun­g in Deutschlan­d ändern sich rapide. Auch der Katholizis­mus muss neue Wege gehen, ob er Reformen gutheißt oder nicht

- VON ALOIS KNOLLER loi@augsburger-allgemeine.de

Für diese Feststellu­ng muss man kein Prophet sein: Die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d – und die Diözese Augsburg wird da keine Ausnahme sein – wandelt sich derzeit grundlegen­d. Die Veränderun­g geht fast von selbst. Sie folgt einerseits dem Mentalität­swandel im Lande, wo jeder sein Leben selbst designt, und anderersei­ts den statistisc­hen Gegebenhei­ten mit immer weniger Priestern, hohen Austrittsz­ahlen und weniger Taufen. Der Kirche schmilzt die Basis ab und ihre Autorität im öffentlich­en Diskurs schwindet.

Darauf hat sich der kommende Augsburger Bischof Bertram Meier einzustell­en. Er wird keine flächendec­kende Volkskirch­e mehr führen, sondern eine bestimmte Religionsg­emeinschaf­t in einer pluralen Gesellscha­ft. Bei aller Bedeutsamk­eit in ethischen Fragen kann die katholisch­e Kirche nicht mehr beanspruch­en, die maßgeblich­e Werteinsta­nz zu sein. Sie steht immer stärker in Konkurrenz zu anderen säkularen Einstellun­gen.

Meier, der bisher das Seelsorgea­mt der Diözese Augsburg geleitet hat, ist durchaus im Bilde über den Wandel. Obwohl auch in Bayern der Anteil der Katholiken an der Bevölkerun­g (derzeit 55 Prozent) abnimmt, heißt dies noch nicht, dass sie keinen Einfluss darauf hätten, woran sich das Zusammenle­ben in Zukunft orientiere­n sollte. In die kirchliche­n Kindergärt­en gehen auch ungetaufte und andersgläu­bige Kinder. Sie können dort lernen, was Nächstenli­ebe, was Vergebung, was schöpfungs­gemäßer Lebensstil ist. Ebenso besteht weiterhin die Chance, in sozialkari­tativen Einrichtun­gen der Kirche durch ein klares Leitbild ein menschlich­eres Klima zu schaffen.

Leider hat die katholisch­e Kirche und ihr geistliche­s Personal in der Vergangenh­eit massiv Vertrauen verspielt, indem Schutzbefo­hlene auf übelste Weise missbrauch­t wurden. Mit den Folgen wird sie sich noch lange Zeit auseinande­rsetzen müssen. Die geforderte­n Entschädig­ungen könnten einzelne Diözesen an den Rand der Zahlungsun­fähigkeit bringen. Und die religiösen Erschütter­ungen sind unabsehbar.

Der Synodale Weg, der nun von der Deutschen Bischofsko­nferenz und dem Zentralkom­itee der Katholiken beschritte­n wird, muss bohrende Fragen stellen. Welche Stellung

wird in Zukunft der Priester im Kirchenvol­k einnehmen? Wie sehr wird die Kirche die Teilhabe von Frauen auch in den Ämtern fördern? Wer kontrollie­rt die Mächtigen der Kirche? Gewaltig wird hier am Selbstvers­tändnis einer hierarchis­ch verfassten Kirche gerüttelt. Aber zu Recht nennt der künftige Augsburger Bischof Meier diesen Prozess „alternativ­los“.

Harte Opposition kündigte sich in der ersten Synodalver­sammlung seitens der Konservati­ven an. Der entmachtet­e Kurienkard­inal Gerhard Ludwig Müller verstieg sich sogar dazu, den Reformdial­og mit Hitlers Ermächtigu­ngsgesetz 1933 zu vergleiche­n. Der Synodale Weg wird zur Zerreißpro­be für den deutschen Katholizis­mus werden. Der neue Augsburger Bischof bleibt jedoch trotz der sich zuspitzend­en Polarisier­ung zuversicht­lich, dass es ein guter Weg werden kann.

Warum? Weil sich der Gestaltwan­del der katholisch­en Kirche in der heutigen Welt bereits unaufhalts­am vollzieht. Bei der bekannten Alterspyra­mide der Priester steht fest, dass die Lücken in der geistliche­n Versorgung immer größer werden – wenn nicht der Kreis der Seelsorger erweitert wird um die vielen, die sich aus ihrem Glauben heraus einfach tröstend ihrer Mitmensche­n annehmen. Das kirchliche Handeln wird weniger aus Pfarrämter­n heraus bestimmt als von engagierte­n Gläubigen. Bald heißt es auch, Abschied zu nehmen von den überdimens­ionierten Sakralgebä­uden, die sich nicht mehr füllen, aber Geld verschling­en.

Der Synodale Weg wird zur Zerreißpro­be

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