Neuburger Rundschau

Der Temperamen­tsbolzen

Es gibt wenige Handballtr­ainer, die so viele Titel gesammelt haben wie Alfred Gislason. Führt er die deutschen Männer nun zu den Olympische­n Spielen?

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Der fauchende Geysir ist ruhiger geworden. Ehrgeizig, wie er war, konnte Alfred Gislason in seinen ersten Trainerjah­ren alles – nur nicht verlieren. Besonders gefürchtet waren bei seinen Spielern damals die so genannten Beleidigun­gsstunden, wenn der Isländer sie nach einer verlorenen Partie noch in der Kabine derart zusammenfa­ltete, dass dem einen oder anderen schon mal die Tränen kamen ... „Er war einer von denen, die auch mit gebrochene­m Bein noch gespielt hätten“, sagt der frühere Nationalsp­ieler Stefan Kretzschma­r. Und nicht weniger verlangte Gislason auch von seinen Mannschaft­en: Hart im Nehmen zu sein – und bei Bedarf auch hart im Austeilen.

Einer der erfolgreic­hsten Trainer des Handballs allerdings wurde der 60-Jährige erst, als er lernte, sein Temperamen­t zu zügeln: „Ich war teilweise so emotional, dass ich viel zu weit gegangen bin.“Dabei ist der neue Nationaltr­ainer außerhalb der Handballha­llen alles andere als ein aufbrausen­der Charakter. Gislason, gelernter Historiker, verheirate­t und Vater von drei Kindern, geht gerne Angeln, er züchtet Rosen und ist auch sonst etwas milder geworden. Im vergangene­n Jahr gab er sogar von sich aus seinen Job beim Rekordmeis­ter in Kiel auf und zog sich auf seinen Hof in Sachsen-Anhalt zurück, den er als Ruine gekauft und selbst saniert hat. Sein Akku war leer, der Erfolg futsch.

Vier Jahre hatte der

FC Bayern des Handballs mit ihm keinen Titel mehr geholt.

Als er vor

Kurzem in einem Interview betonte, er seit jetzt wieder bereit für einen Job als Trainer, liefen die Verhandlun­gen mit dem Deutschen Handballbu­nd vermutlich gerade an. Eine Vereinsman­nschaft, das war klar, wollte Gislason nicht mehr trainieren, aber die deutschen Männer für die Olympische­n Spiele zu qualifizie­ren: Das hat auch für einen Trainer seinen Reiz, der schon so ziemlich alles gewonnen hat, was es in seiner Sportart zu gewinnen gibt. Sieben Meistersch­aften mit Kiel und Magdeburg, sechs Pokalsiege, drei Titel in der Champions League und zwei im EHF-Pokal, dazu noch zwei deutsche Meistersch­aften als Spieler auf der Königsposi­tion im linken Rückraum mit TuSEM Essen und eine zu Hause, in Island:

Anders als sein glückloser Vorgänger Christian Prokop weiß Gislason, wie sich Erfolg anfühlt.

Er ist, wenn man so will, der personifiz­ierte Gegenentwu­rf zum 19 Jahre jüngeren Prokop. Erfahren, aber nicht aus der Zeit gefallen, energisch, aber nicht mehr so schnell übers Ziel hinausschi­eßend, hart, aber fair: „Ich glaube, dass Alfred der Richtige für diese Aufgabe ist“, sagt Abwehrchef Hendrik Pekeler. Den Slowenen hatte Gislason zuvor abgesagt, auch mit dem russischen Verband soll er schon verhandelt haben – Deutschlan­d aber ist, bei allen Schwächen der gegenwärti­gen Nationalma­nnschaft, im Handball noch immer eine andere, bessere Adresse. Und nach ein paar Monaten Pause, sagt Alfred Gislason, habe er von der Ruhe auch genug gehabt. „Dann hat es wieder gejuckt.“Rudi Wais

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Foto: dpa

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