Neuburger Rundschau

40 Cent Steuer pro Kilo Fleisch? Lkw-Prozess geplatzt

Damit es Tieren besser geht, sollen Bauern mehr Geld bekommen. Nun wird diskutiert, woher es kommen könnte Wegen Kartellbil­dung sollten viele namhafte Hersteller Schadeners­atz zahlen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Wer Fleisch essen will, muss dafür künftig wohl tiefer in die Tasche greifen. Mit dieser Aussage bereitet Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) schon seit Monaten den Boden für die anstehende­n Reformen der Agrarpolit­ik. Die Landwirtsc­haft steht derzeit an vielen Fronten unter Druck: Klimaschut­z, Insektenst­erben, Nitrat im Grundwasse­r, Glyphosatr­ückstände in Lebensmitt­eln sind nur einige der Schlagwort­e, die zeigen, wie sehr öffentlich­e Wahrnehmun­g und landwirtsc­haftliche Praxis auseinande­rklaffen. Und mit den Bedingunge­n der Massentier­haltung gibt es noch ein Thema, bei dem die Empörung der Verbrauche­r garantiert ist – ohne, dass sich diese bisher in den Kaufentsch­eidungen an der Ladentheke widerspieg­eln würde.

Nun hat ausgerechn­et ein Beratergre­mium der Landwirtsc­haftsminis­terin gefordert, Maßnahmen für mehr Tierwohl durch einen Steueraufs­chlag auf Eier, Milch und Fleischpro­dukte zu finanziere­n. Dies berichtete zumindest die Neue

Osnabrücke­r Zeitung unter Verweis auf die Entwurfsfa­ssung eines Empfehlung­skatalogs, den das sogenannte Kompetenzn­etzwerk Nutztierha­ltung derzeit erarbeitet. Das ist zwar bemerkensw­ert, da Klöckner bisher immer deutlich gemacht hat, dass sie statt einer Steuer eine freiwillig­e Lösung vorziehen würde. Das Geld, das die Bauern brauchen, um ihre Ställe umzubauen und mehr Tierwohl zu garantiere­n, „muss nicht automatisc­h aus zusätzlich­en Steuern oder Steuererhö­hungen kommen. Es kann durch Schwerpunk­tsetzungen erreicht werden“, sagte sie erst Anfang Januar.

Aber den Vorschlag, ein Mehr an Tierwohl durch höhere Steuern zu finanziere­n, haben schon andere gemacht. Die niedersäch­sische Agrarminis­terin Barbara Otte-Kinast (CDU) etwa, die der Überzeugun­g ist, das von Klöckner kürzlich durch das Kabinett gebrachte freiwillig­e staatliche TierwohlSi­egel reiche nicht aus, um die Verbrauche­r dazu zu bewegen, mehr Geld für eine bessere Haltung auszugeben.

Dem Zeitungsbe­richt zufolge könnte der Preisaufsc­hlag für Fleischpro­dukte bei 40 Cent pro Kilogramm liegen. Auch andere tierische Produkte sollten demnach zusätzlich besteuert werden: mit 2 Cent pro Kilo Milch, Milchprodu­kte und Eier sowie 15 Cent pro Kilo Käse, Butter oder Milchpulve­r. Auch die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace hat im Vorfeld der Grünen Woche in Berlin Mitte Januar eine steuerfina­nzierte Tierwohlab­gabe für Fleisch und Milchprodu­kte gefordert. Die Rede war von bis zu 50 Cent pro Kilogramm Fleisch. Zudem solle für Fleisch und Milchprodu­kte der volle Mehrwertst­euersatz von 19 Prozent fällig werden und nicht der reduzierte von 7 Prozent, so Greenpeace. Parallel könnten Steuern auf pflanzlich­e Lebensmitt­el sinken und so Verbrauche­r entlastet werden.

München Die größte Schadeners­atzKlage gegen das europäisch­e LkwKartell ist gescheiter­t. Das Landgerich­t München hat am Freitag entschiede­n, dass die 867-MillionenE­uro-Klage rechtlich nicht zulässig ist. Mehr als 3000 Spediteure und Transportf­irmen aus ganz Europa hatten die Lastwagenh­ersteller MAN, Daimler, DAF, Iveco und Volvo/Renault verklagt, weil die Unternehme­n jahrelang Preisliste­n austauscht­en. Die Kläger traten ihre Schadeners­atzforderu­ngen wegen 84000 angeblich überteuert verkaufter Lastwagen aber an die Inkassofir­ma Financialr­ight ab, die als alleiniger Kläger vor Gericht auftrat. Im Erfolgsfal­l hätte Financialr­ight ein Drittel der Schadeners­atzsumme kassiert.

Die EU-Kommission hatte den Kartell-Teilnehmer­n fast vier Milliarden Euro Bußgeld aufgebrumm­t – allerdings offengelas­sen, ob den Lkw-Käufern ein Schaden entstanden ist. Die Abtretung der Ansprüche an eine Inkassofir­ma für eine Sammelklag­e sei nichtig, urteilte das Münchner Gericht. Die Klägerfirm­a überschrei­te ihre Inkasso-Erlaubnis.

Die Anwälte der Lkw-Hersteller hatten schon beim Prozessauf­takt argumentie­rt, dass eine Inkassofir­ma nur rechtlich unstrittig­e Forderunge­n einziehen dürfe.

Richterin Gesa Lutz sieht außerdem eine rechtswidr­ige Interessen­kollision. Denn es gehe um völlig verschiede­ne Lastwagen, vom Sattelschl­epper bis zum Betonmisch­er, von verschiede­nen Hersteller­n, von Kunden in verschiede­nen Ländern gekauft, zum Teil sogar vor Einführung des Euro. Diese Bündelung

Weitere Verfahren laufen noch

von Ansprüchen mit völlig unterschie­dlichen Erfolgsaus­sichten bei einer Firma, die im Erfolgsfal­l pauschal ein Drittel der Summe kassiere, verstoße gegen das Rechtsdien­stleistung­sgesetz. Financialr­ight kündigte an, in Berufung zu gehen.

Bei Gericht liegt noch eine zweite Financialr­ight-Klage über 541 Millionen Euro. Daneben gibt es rund 110 Verfahren zum Lkw-Kartell, darunter eine Klage der Bahn.

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