Brandmauer
Ein Leben ganz ohne Feuer kann man sich nicht vorstellen. Gleichzeitig erschreckt man davor, wenn es lichterloh brennt (und ist natürlich insgeheim auch ein bisschen fasziniert von der Gewalt der Flammen, solange man sich in Sicherheit vor ihnen wähnt). Ja, im Angesicht des Feuers zeigt der Mensch sein Doppelgesicht. Er hat nicht nur die Streichhölzer erfunden, sondern gleichzeitig die Brandmauer, es gibt ihn nicht nur in der Version Biedermann und Brandstifter, sondern gleichzeitig auch als Feuerwehrmann und natürlich auch Feuerwehrfrau.
Das Feuer hat an der Entwicklung der Menschheit auf jeden Fall einen wichtigen Anteil, es hat uns Dampf gemacht – bis hin zur totalen Herrschaft des Menschen über die Erde. Natürlich hat auch da – im übertragenen Sinn – das Konzept der Brandmauer einen ungemein wichtigen Beitrag geleistet, frei nach dem Sankt-Florian-Prinzip: Solange die Brandmauer hält, solange es „nur“in Haus X lichterloh brennt und nicht in meinem, ist alles gut. Brandmauern unterscheiden die moderne Welt von der mittelalterlichen, in der es immer wieder zu unkontrollierbaren Feuersbrünsten kam – meint man.
Heute, im Hightech-Zeitalter, gehört das Feuer zur Offline-Welt von vorgestern. Man ist sich ja gar nicht mehr bewusst, dass überhaupt noch etwas brennt, so weit weg von aller offenen Flamme wähnt man sich im 21. Jahrhundert. Rußverschmierte Gesichter, ausgebrannte Städte, verkohlte Gerippe – das war gestern. Aber gleichzeitig herrschen in diesem beginnenden 21. Jahrhundert wieder ideale Bedingungen für Feuer aller Art: Es bedarf nur ein paar Funken hier und der ausgetrocknete Wald ist nicht mehr zu löschen, und ein paar Funken dort und die darbende Volksseele steht wieder in Flammen. Nur helfen dann Brandmauern allein nicht mehr beim Löschen.
Feuilleton kompakt