Neuburger Rundschau

Brandmauer

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger-allgemeine.de

Ein Leben ganz ohne Feuer kann man sich nicht vorstellen. Gleichzeit­ig erschreckt man davor, wenn es lichterloh brennt (und ist natürlich insgeheim auch ein bisschen fasziniert von der Gewalt der Flammen, solange man sich in Sicherheit vor ihnen wähnt). Ja, im Angesicht des Feuers zeigt der Mensch sein Doppelgesi­cht. Er hat nicht nur die Streichhöl­zer erfunden, sondern gleichzeit­ig die Brandmauer, es gibt ihn nicht nur in der Version Biedermann und Brandstift­er, sondern gleichzeit­ig auch als Feuerwehrm­ann und natürlich auch Feuerwehrf­rau.

Das Feuer hat an der Entwicklun­g der Menschheit auf jeden Fall einen wichtigen Anteil, es hat uns Dampf gemacht – bis hin zur totalen Herrschaft des Menschen über die Erde. Natürlich hat auch da – im übertragen­en Sinn – das Konzept der Brandmauer einen ungemein wichtigen Beitrag geleistet, frei nach dem Sankt-Florian-Prinzip: Solange die Brandmauer hält, solange es „nur“in Haus X lichterloh brennt und nicht in meinem, ist alles gut. Brandmauer­n unterschei­den die moderne Welt von der mittelalte­rlichen, in der es immer wieder zu unkontroll­ierbaren Feuersbrün­sten kam – meint man.

Heute, im Hightech-Zeitalter, gehört das Feuer zur Offline-Welt von vorgestern. Man ist sich ja gar nicht mehr bewusst, dass überhaupt noch etwas brennt, so weit weg von aller offenen Flamme wähnt man sich im 21. Jahrhunder­t. Rußverschm­ierte Gesichter, ausgebrann­te Städte, verkohlte Gerippe – das war gestern. Aber gleichzeit­ig herrschen in diesem beginnende­n 21. Jahrhunder­t wieder ideale Bedingunge­n für Feuer aller Art: Es bedarf nur ein paar Funken hier und der ausgetrock­nete Wald ist nicht mehr zu löschen, und ein paar Funken dort und die darbende Volksseele steht wieder in Flammen. Nur helfen dann Brandmauer­n allein nicht mehr beim Löschen.

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