Neuburger Rundschau

Erst vertraut, dann gekündigt

Der deutsche Verband versucht die Trennung von Nationaltr­ainer Christian Prokop zu begründen. Wirklich gelingen mag das allerdings nicht

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Hannover In seinem kurzärmeli­gen DHB-Shirt wirkte Alfred Gislason zwischen all den Anzugträge­rn aus der Verbandsfü­hrung etwas verloren – und nicht nur optisch musste sich der neue Hoffnungst­räger des deutschen Handballs bei seiner Vorstellun­g als Bundestrai­ner mit der ungewohnte­n Nebenrolle abfinden. Bei der Pressekonf­erenz in Hannover drehte sich am Freitag wenig um den 60 Jahre alten Isländer und vieles um den Rauswurf seines Vorgängers Christian Prokop. „Wir verstehen, dass der Wechsel von Christian als unfair wahrgenomm­en wird und bedauern dies“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann.

Mit wortreiche­n Erklärunge­n versuchte die DHB-Spitze die

Trennung von Prokop zu rechtferti­gen. „Es tut mir leid für Christian“, sagte Michelmann. „Das war nicht geplant.“Vizepräsid­ent Bob Hanning, der anders als in den Vorjahren keine führende Rolle bei der Trainerent­scheidung spielte, räumte ein: „Wir haben das nicht gut gemacht.“Liga-Präsident Uwe Schwenker sprach von einer situations­bedingten Strategiev­eränderung, „die drei, vier Tage vorher noch nicht abzusehen war“. Im Klartext: Weil Gislason bereits mit einem anderen Verband

verhandelt­e, warf der DHB sein Personalko­nzept über den Haufen und ersetzte Prokop durch den langjährig­en Erfolgstra­iner des THW Kiel. „Ich war schon mit einem anderen Verband einig über ein langfristi­ges Projekt. Vier, fünf Stunden nach meiner Landung in Berlin kam der Anruf von Uwe Schwenker“, berichtete Gislason.

Schwenker hatte sich zuvor auf der Präsidiums­sitzung als Strippenzi­eher des Deals betätigt. „Ich war der Einzige, der Kontakt zu Alfred hatte, und wusste, dass er zu Verhandlun­gen im Ausland war, um dort einen Vertrag zu unterschre­iben.“Er habe dem Präsidium mitgeteilt, dass Gislason bald nicht mehr zur Verfügung stünde. Nach einer Diskussion sprach sich die Mehrheit für Gislason aus.

Dabei hatte man Prokop bei der EM noch das Vertrauen ausgesproc­hen. „Wir haben abgewogen, wo sind die größeren Chancen für die Zukunft – das hat den Ausschlag gegeben“, berichtete Schwenker. Schon im April muss er bei der Olympia-Quali in Berlin liefern. In dem Turnier mit Schweden, Slowenien und Algerien muss mindestens der zweite Platz her, um das TokioTicke­t zu buchen. „Ich schäme mich für unseren Verband, er gibt gerade ein erbärmlich­es Bild ab“, schimpfte Karsten Günther, Manager des Bundesligi­sten SC DHfK Leipzig, in der Leipziger Volkszeitu­ng.

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Christian Prokop

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