„Der Ehrgeiz hält mich jung“
Der Füssener Ernst Köpf feiert seinen 80. Geburtstag. Der Bronzeheld von Olympia 1976 erzählt von guten und schwierigen Jahren in Augsburg
Augsburg Was riecht denn hier so penetrant nach Latschenkiefernöl? Während des Schlittschuhbindens bohrt sich der Geruch in die Nase. Und ein Blick in die Runde verrät schnell den Täter. Ernst Köpf schmiert sich von Kopf bis Fuß mit dem öligen, stinkenden Zeug ein. Das ist Teil der Matchvorbereitung, die offensichtlich wirkt. Natürlich verkneift sich ein Junioren-Spieler, der im Frühjahr 1982 in die Eishockey-Mannschaft des Augsburger EV rutscht, jeglichen Kommentar. Einige Stammkräfte waren nach ausgebliebenen Gehaltszahlungen nicht mehr angetreten, die Kanadier streiken und sagen: „No pay, no play“. Deshalb kommen AEV-Junioren als Aushilfen zum Einsatz. Ernst Köpf ist damals schon ein Star, zu dem junge Spieler aufschauen, eine lebende Legende. Mit 42 Jahren trifft der Stürmer in der Zweitliga-Saison 1981/82 überragend.
Mit 39 Toren und 38 Vorlagen in 44 Partien ist Ernst „Gore“Köpf der zweitbeste Angreifer nach Gary Prior. Der Kanadier soll später als Trainer zu den Panthern zurückkehren, aber das ist eine andere Geschichte. Der AEV geht nach der Saison 81/82 pleite. Köpf verlässt den Klub wieder und setzt seine großartige Karriere bei der EA Kempten fort.
Der gebürtige Füssener zählt zu den Eishockey-Helden von Innsbruck 1976, die mit der Bronzemedaille einen der größten Erfolge im deutschen Eishockey feiern. Erst die Silber-Gewinner von Pyeongchang werden die Idole Erich Kühnhackl, Alois Schloder, Franz Reindl oder Köpf im Jahr 2018 ablösen. In seiner aktiven Zeit zählt der Allgäuer zu den besten Außenstürmern in Deutschland. Immer und immer wieder zeigt er seine Spezialität: Von Außen läuft er in Richtung Tor und platziert die Scheibe unhaltbar in der unteren Ecke. „Um ein Tor zu schießen, muss man erst das Tor treffen. Die Stürmer heute ballern ja überall hin, nur nicht auf das Tor“, motzt Köpf, der am Montag seinen 80. Geburtstag feiert.
Der Außen startet 1959 seine Karriere beim EV Füssen, mit dem er fünf Mal den deutschen Meistertitel holt. Der damalige AEV-Präsident Curt Frenzel holt den gelernten Maurer 1966 zum ersten Mal zum Augsburger EV. Köpf ist offiziell in der Hausverwaltung der Augsburger Allgemeinen angestellt. Der Verleger ist ein Mäzen des Klubs und behandelt die Spieler wie seine Söhne. „Wenn wir gewonnen haben, hat er mich beiseite genommen und schon mal 500 Mark zugesteckt. Das war damals ein Haufen Geld“, erinnert sich der Torjäger. Doch wenn die AEV-Mannschaft in Füssen mit 1:11 verlor, strafte Frenzel das Team mit eisigem Schweigen.
Es folgen die Stationen Berliner SC, ERC Freiburg und später wieder der AEV. Als Nationalspieler glänzt er mit 83 Treffern in 154 Partien. Im biblischen Eishockey-Alter von 45 Jahren lässt er seine Laufbahn beim Zweitligisten EV Füssen ausklingen. Sein Sohn Ernst Köpf junior wird ebenfalls Stürmer und Nationalspieler, muss aber nach zahlreichen schweren Verletzungen die Schlittschuhe vergleichsweise früh in die Ecke stellen.
Der Vater jagt noch bis zum Alter von 75 Jahren in einer Füssener Hobby-Mannschaft dem Puck hinterher. Dann zieht der Ex-Nationalspieler einen Schlussstrich. „Ich habe zwei Eishockey-Ausrüstungen zum Wertstoffhof gebracht, damit ich auch ja nicht mehr in Versuchung komme“, erzählt Köpf, der mit seiner Frau Petra in Füssen wohnt und das Leben genießt. Seine Ferienwohnung, um die er sich jahrelang kümmerte, hat er verkauft. Der Sport hält ihn gesund, vier Mal pro Woche geht er ins Fitnessstudio an die Geräte. „Der Ehrgeiz hält mich jung. Früher beim Eishockey, jetzt beim Golfen.“Im vergangenen Sommer hatte er eine gute Saison, spielte Handicap 15,3.
Jetzt wartet Ernst Köpf, dass der Winter bald weicht und er seine Golftasche aus dem Keller holen kann. Der Mann ruht in sich: „Wir waren noch nie so glücklich. Meine Frau versteht gar nicht, dass man mit 80 so gesund sein kann.“Er ist kein Nörgler. An den jungen Leuten hat er lediglich auszusetzen, „dass sie zu schnell satt sind“.
Das war Köpf nie. Dieser mit Latschenkiefernöl eingeriebene Mitspieler geht aufs Eis und schießt in dem Zweitliga-Spiel mit 42 Jahren wieder ein Tor.