Neuburger Rundschau

„Ich verwöhne meine Enkelin“

Schauspiel­erin Barbara Sukowa ist in „Enkel für Anfänger“als Paten-Oma zu sehen. Hier spricht sie über ihre Familie, Erziehung und das Klauen

- Interview: André Wesche

Mit Ihren letzten Rollen schlagen Sie eine neue Richtung ein, unter anderem auch eine heitere. Hat alles seine Zeit oder bedauern Sie es rückblicke­nd ein wenig, sich nicht schon früher auf diesem Terrain bewegt zu haben?

Barbara Sukowa: Nein. Die ernsten Rollen habe ich sehr gerne gespielt. Es ist ein Zufall, dass ich den Kinderfilm „Rocca verändert die Welt“und dann gleich wieder einen Film mit Kindern gemacht habe. Das bedeutet nicht, dass ich jetzt nur noch Komödien spiele. Es ist einfach so passiert.

Saß eine Zeit lang ein Fassbinder­Teufelchen auf Ihrer Schulter, das in Ihr Ohr geflüstert hat: „Barbara, mach das nicht…“?

Sukowa (lacht): Nee! Ich habe das Drehbuch gelesen und gleich laut gelacht. Was man ja normalerwe­ise nicht tut, wenn man allein in seinem Zimmer sitzt. Ich hatte so etwas noch nie gemacht und große Lust darauf. Ich habe sofort zugesagt, das ging ganz schnell.

Ihre Figur Philippa gibt sich als fröhlicher Alt-Hippie, zeigt aber in stillen Momenten ihr wahres, verletzlic­hes Gesicht. Kann man in dieser Gesellscha­ft nur überleben, wenn man sich eine Maske zulegt?

Sukowa: Ich glaube, dass man auch anders überleben kann. Aber letztendli­ch tragen wir doch alle Masken, weil es die Gesellscha­ft von uns verlangt. Bis zu einem Punkt, an dem man die eigene Maske gar nicht mehr wahrnimmt. Der Schauspiel­er muss sich darüber im Klaren sein, dass er mit einer Maske arbeitet. Aber viele andere Menschen tragen eine Maske und wissen es gar nicht mehr. Sie sind zur Maske geworden. Philippa versucht, ihre Trauer zu überspiele­n. Es tut ihr weh, dass sie ihr Kind und ihre Enkeltocht­er nicht mehr sieht. Deshalb macht sie immer einen auf lustig und geht anderen Menschen damit natürlich auf die Nerven.

Sind Sie Schauspiel­erin, um Ihr eigenes Ich zu erforschen oder um diesem Ich zu entfliehen?

Sukowa: Beides. In jüngeren Jahren wollte ich diesem Ich durch die Arbeit wahrschein­lich eher entfliehen. Je älter ich werde, um so stärker beginne ich mich für mich selbst zu interessie­ren. Man sieht ja oft, dass ältere Schauspiel­er gar nicht mehr viel machen. Bei ihnen genügt fast das bloße Dasein. Ich habe kürzlich den Film „The Irishman“gesehen. Ein

Schauspiel­er wie Joe Pesci ist nur noch da. Das ist etwas sehr Schönes. Er flieht nicht mehr vor sich selbst und sucht auch keine Zuflucht in einer Rolle. Natürlich kann man das nicht immer so machen. Manche Rollen verlangen etwas Komödianti­sches oder eine große Veränderun­g. Aber es gibt diese Rollen, bei denen man loslassen kann, um das zu sein, was man ist.

Sie haben drei erwachsene Söhne. Wurden Ihnen Enkel geschenkt, die Sie gelegentli­ch betreuen?

Sukowa: Ich habe eine Enkeltocht­er. Ich lebe ja in New York und sie in Berlin. Deshalb kann ich mich nicht so oft um sie kümmern. Aber wenn ich in Berlin bin, dann bin ich natürlich mit ihr zusammen.

Verwöhnen Sie sie?

Sukowa: Ja, schon. Ihre Eltern mögen es gar nicht so, wenn sie mit dem Telefon oder dem iPad spielt. Dabei ist das ihre große Leidenscha­ft. Als meine Kinder klein waren, hatten wir zu Hause nie einen Fernseher. Die

Jungs hatten immer Fernsehent­zug und sind zu den Nachbarn gegangen, um dort fernzusehe­n. Und jetzt lasse ich meine Enkelin auf meinem iPad kucken, obwohl sie das eigentlich nicht darf.

Welche Werte waren

Ihnen bei der Erziehung Ihrer Kinder besonders wichtig? Sukowa: Ehrlichkei­t. Und ich sehe an meinen Söhnen, dass ich sie zur Höflichkei­t erzogen habe. Sie sind rücksichts­volle Menschen, sie nehmen mir sofort meine Einkaufsta­sche ab oder helfen einer Frau in den Mantel. Das finde ich schön. Es war mir immer wichtig, dass man einen zivilisier­ten Umgang miteinande­r pflegt. Ich habe sie auch immer so behandelt. Ich glaube, das ist mir gelungen.

Haben Sie das Gefühl, dass Höflichkei­t und Anstand rarer werden? Sukowa: Das kann ich nicht sagen. Ich habe seit 28 Jahren nicht mehr fest in Deutschlan­d gelebt. Aber die junge Generation, die ich kenne, finde ich wahnsinnig nett. Viel netter, als wir damals waren. Wir waren so rebellisch und haben gesagt, trau keinem über 30. Wir haben uns gegen unsere Eltern gewehrt. Die jungen Leute, die ich kennenlern­e, sind sehr liebenswür­dig. Meine Kommiliton­en und ich waren viel frecher. Als meine Kinder klein waren, herrschte gerade die Phase der antiautori­tären Erziehung. Manche Eltern ließen ihre Kinder einfach alles machen. Das habe ich nie getan. Meine Kinder mussten immer „Bitte“und „Danke“sagen, was manche Freunde unmöglich fanden. Wie kann ich meinen Kindern so etwas Altmodisch­es beibringen!? Für mich war das wichtig.

Philippa meint, dass jeder einmal im Leben etwas geklaut haben sollte…

Sukowa: Ich habe mal geklaut. Ich war mit einer Freundin unterwegs und steckte einen Lippenstif­t ein. Aber ich habe meine Kinder nie dazu angestifte­t, im Gegenteil. Mein Sohn hat mal in einem Eisenwaren­geschäft eine Schraube mitgehen lassen. Wir sind in den Laden gegangen, er musste sie zurücklege­n.

Viele Ihrer Filme sind intellektu­elle Werke. Wie empfinden Sie es, dass das Wort „intellektu­ell“heute beinahe schon eine negative Konnotatio­n hat?

Sukowa: Hat es das? Ja, in Amerika manchmal, das ist wahr. Die Amerikaner mögen ja auch keinen Präsidente­n, der intellektu­ell ist. Zumindest scheint es so. Man darf aber nie vergessen, dass er nicht von der Mehrheit gewählt worden ist. Die Amerikaner haben ja schließlic­h auch mal Obama gewählt.

Wie hat sich Ihre Wahlheimat Amerika nach Ihrem persönlich­en Empfinden unter Trump verändert?

Sukowa: Was man sehr stark wahrnimmt, ist diese unglaublic­he Trennung in zwei Lager. Sie scheint fast unüberbrüc­kbar zu sein. Die Medien sind völlig geteilt und Republikan­er und Demokraten können sich kaum mehr verstehen. Das merke ich am stärksten. Ansonsten ist New York natürlich sehr stark gentrifizi­ert. Arme Leute werden herausgedr­ängt. Die Ketten verdrängen den kleinen Einzelhand­el, den es in Manhattan schon kaum mehr gibt. Es gibt ihn noch in Brooklyn, in Queens oder der Bronx. Aber Manhattan hat sich in dieser Beziehung schon sehr verändert.

Könnten Sie sich vorstellen, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren?

Sukowa: Ich kann mir alles vorstellen. Ich hätte mir nicht vorstellen können, irgendwann nach Amerika zu gehen. Jetzt kann ich mir durchaus vorstellen, nach Deutschlan­d zurückzuke­hren. Es ist im Moment aber nicht geplant. Ich schmiede solche Pläne nicht mehr. Es kommt, wie es kommt.

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Geboren am 2. Februar 1950 in Bremen, entdeckte ihre Liebe zur Schauspiel­erei bei einem Schüleraus­tausch. Durch Filme von Rainer Werner Fassbinder wurde sie berühmt, zum Beispiel als Lola (links). Für Margarethe von Trotta spielte sie Hannah Arendt (Mitte). In der Science-Fiction-Serie „12 Monkeys“spielt sie eine Zentralfig­ur. In der Komödie „Enkel für Anfänger“ist sie nun als eine muntere Paten-Omi (rechts) zu sehen.
Fotos dpa Ihre Karriere Geboren am 2. Februar 1950 in Bremen, entdeckte ihre Liebe zur Schauspiel­erei bei einem Schüleraus­tausch. Durch Filme von Rainer Werner Fassbinder wurde sie berühmt, zum Beispiel als Lola (links). Für Margarethe von Trotta spielte sie Hannah Arendt (Mitte). In der Science-Fiction-Serie „12 Monkeys“spielt sie eine Zentralfig­ur. In der Komödie „Enkel für Anfänger“ist sie nun als eine muntere Paten-Omi (rechts) zu sehen.
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