Neuburger Rundschau

Dammbruch in Erfurt?

Zur Ministerpr­äsidentenw­ahl haben uns so viele Leserbrief­e erreicht, dass wir hier eine zusätzlich­e Auswahl veröffentl­ichen

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Ein schwarzer Tag

Das, was am Mittwoch in Erfurt passiert ist, ist nicht nur eine Schande, es ist ein politische­r Skandal, es ist ein „schwarzer Tag“für Deutschlan­d und für unsere Demokratie! Gleichzeit­ig auch Ausdruck einer eklatanten Führungssc­hwäche unseres politische­n Top-Personals. Der Ansehensve­rlust unserer Politiker wird weiter zunehmen, der „Mann auf der Straße“(Wähler) wird ob solcher Vorgänge immer orientieru­ngsloser, Parteien, die unser Land wirklich zum Wohle seiner Bürger regieren wollen, immer schwächer. Gerade unsere jüngere Geschichte (Weimarer Republik) sollte uns etwas anderes lehren! Jürgen Bachies, Bobingen

Eine Ungeheuerl­ichkeit

Es ist schon erstaunlic­h. Noch am Dienstag wurde in Ihrer Zeitung der österreich­ische Kanzler Kurz als Vorbild für Deutschlan­d und für Frau Merkel gelobt. Vor wenigen Monaten war er Kanzler, auch von Gnaden der rechtslast­igen FPÖ. Nun ist er in einer Koalition mit der von ihm wenig geliebten Partei der Grünen. Er würde wohl auch mit dem Teufel paktieren, wenn es seinem Machtanspr­uch dient. Das aber ist genau die Blaupause, die nun auch in Erfurt zur Anwendung kam. Machtanspr­uch ohne Moral oder Populismus pur. Es ist zu hoffen, dass die Parteien, die diese Ungeheuerl­ichkeit angerichte­t haben, bei einer baldigen Neuwahl zur Rechenscha­ft gezogen werden. Anton Müller, Mühldorf

Nur folgericht­ig

Nun sind sie also alle entsetzt, die sich ansonsten in dieser Demokratie mehr oder weniger wohlfühlen. In dieser Demokratie, die es so gar nicht schaffen wollte, eine NPD zu verbieten oder der AfD den Weg in die Parlamente zu versperren oder, oder, oder… Und sie sind sogar bereit, ihre eigenen Regeln über den Haufen zu werfen und Neuwahlen zu fordern, nur weil das jetzige Ergebnis eben doch etwas anrüchig ist. Aber die Dammbrüche finden nicht jetzt statt, sondern die haben dieses politische System in seiner jetzigen Form, mit staatliche­r Gewalt gegen alle bedrohlich­en Widerständ­e von links, über Jahrzehnte geprägt und etabliert. Was wir jetzt sehen, ist also nur das folgericht­ige Ergebnis „bundesdeut­scher Demokratie“anno 2020. Artur Hoch, Augsburg

Spätestens jetzt…

Das ist das Ergebnis der schandhaft­en Politik in Berlin. Denn die, die jetzt so schreien, haben die AfD so stark gemacht! Spätestens jetzt sollte es die Bundesregi­erung begreifen, dass ihre miserable Lobbyund Machtpolit­ik von den Wählern durchschau­t wird.

Berthold Knaus, Wallerstei­n

Geht so Demokratie?

Was für ein Skandal wird daraus gemacht. Es wurde in dieser verfahrene­n Situation mit Herrn Kemmerich (FDP) ein Mann aus der Mitte dieses Parlamente­s zum Ministerpr­äsidenten gewählt. Man kann zu Herrn Höcke stehen, wie man will, aber er beziehungs­weise die AfD ist immerhin von einem Viertel des Landes gewählt worden. Sie schaffen es, diesen Artikel mit wenigen Sätzen zu vergiften mit: „Die Schande von Erfurt“– „Die Rechtsausl­eger“– „Chef des radikalen Flügels“– „darf als Faschist bezeichnet werden“: Ihr Artikel ist weit davon entfernt, dem Sachverhal­t halbwegs neutral gerecht zu werden. So machen Sie Werbung für Herrn Höcke. Jede Zusammenar­beit mit der AfD wird von den etablierte­n Parteien kategorisc­h abgelehnt. Jede Art, die AfD zu diskrediti­erten, ist hoffähig. Geht so Demokratie? Man bedenke, dass viele der Parteimitg­lieder der AfD aus der CDU entstammen und dass viele AfD-Positionen die Positionen der CDU von vor 20 Jahren sind. Der aufgeweckt­e Bürger durchschau­t dieses Treiben immer mehr und wird bei künftigen Wahlen die Quittung liefern.

Manfred Gerum, Langerring­en

Aufgehetzt­es Volk

In Thüringen hat das politische Schmuddelk­ind, die AfD, die gesamte deutsche politische Elite in eine totale Hysterie gestoßen und ihr die bigotte Maske vom Gesicht gezogen. Dem Anschein nach hatte vorher schon festgestan­den, wie die Wahl auszugehen hat. Unsere Demokratie verabschie­det sich jeden Tag mehr. Wenn jetzt die FDP vor der Bevormundu­ng der Regierung einknickt, muss man sich fragen, wohin steuern wir. Egal, was jetzt in Thüringen entschiede­n wird, es wird unsere Demokratie aushebeln. Und alles, was noch nachkommt, wird an dieser Entscheidu­ng gemessen werden. Das deutsche Volk ist dermaßen aufgehetzt, dass nichts Normales mehr zustande kommen kann. Diesen Fehdehands­chuh in Form eines Blumenstra­ußes hinzuschme­ißen, ist an Dramatik nicht mehr zu überbieten. Die AfD ist eine Partei, die keiner will, aber die aus Protest gewählt wird, warum und wer daran die Schuld trägt, braucht sich keiner mehr fragen, sondern nur noch, was kann man daran ändern.

Marianne Böhm, Augsburg

Was zu erwarten war

Nun ist das Wehklagen groß, nachdem ein Ministerpr­äsident mithilfe der AfD gewählt wurde. Von Schande ist sogar die Rede. Aber diese Argumentat­ion greift zu kurz. Denn wenn hier der Begriff Schande bemüht wird, dann reicht diese in ihren Anfängen bis ins Jahr 2015 zurück. Denn erst die Merkel’sche Flüchtling­spolitik hat die AfD in weiten Bevölkerun­gskreisen hoffähig gemacht. Die etablierte­n Parteien waren bis heute nicht in der Lage oder willens, ein akzeptable­s Politik- und Personalan­gebot vorzulegen, das die breite Wählerwand­erung zur AfD gestoppt bzw. Wechselwäh­ler wieder zurückgeho­lt hätte. Die so erstarkte AfD wurde zwischenze­itlich in viele Landesparl­amente gewählt und ist auch im Bundestag vertreten, so auch in Thüringen. Es war zu erwarten, dass diese Partei ihre Chance nutzt, ebenfalls in einer rein demokratis­chen Wahl, ihren Zielen näher zu kommen.

Heinz Haaf, Finning

Das ist Demokratie!

Ja liebe Medien, Alt-Öko- und Linksparte­ien: Das nennt man Demokratie! Die größte Schande waren die Zwischenru­fe der Verlierer sowie das Hinwerfen des Blumenstra­ußes vor die Füße des gewählten Ministerpr­äsidenten!

Jörg Jüngling, Jettingen-Scheppach Keine Schande

Schande, Skandal, Dammbruch – Begriffe, die ich in diesem Fall für falsch halte. Auch die Pressevert­reter sollten sich etwas zurückhalt­en. Was ist passiert? In einer demokratis­ch abgelaufen­en, geheimen Wahl wurde ein Kandidat gewählt, den vorher niemand so richtig eingeplant hatte. So etwas gibt es in einer Demokratie – und falls es im Vorfeld keine Absprachen gab und zudem gar nicht klar ist, wer für wen welche Stimmen abgab, ist das weder eine Schande noch ein Dammbruch. Einen Dammbruch würde ich aber erst dann sehen, wenn die AfD in eine Koalition mit FDP und CDU einträte. Eine Vorschrift, wer wen wählt, sollte es in einer Demokratie aber nicht geben, und grundsätzl­ich sollten auch Gespräche mit allen im Landtag vertretene­n Parteien möglich sein und nicht von vornherein ausgeschlo­ssen werden. Wenn man dann nicht zu passenden Schnittste­llen kommt, muss eben mit einer Minderheit­enkoalitio­n regiert werden. Bin gespannt, was dabei rauskommt.

Ernst Luibl, Mering

Bitte zur Nachhilfe

Ideologie schlägt Demokratie, so kann man den Sturm der Empörung, der in den deutschen Medien stattfinde­t, betiteln. Es ist beschämend und gefährlich, was für ein „Demokratie­verständni­s“in unserem Lande inzwischen propagiert wird. Ich würde all unseren medialen Chefideolo­gen und Politikern einen Nachhilfek­urs in Demokratie empfehlen, am besten in der Schweiz oder in Großbritan­nien! Leonhard Höld, Bad Grönenbach

Wie ein trotziges Kind

Man muss die AfD nicht mögen, man muss die AfD nicht wählen. Sie ist aber nun mal eine Partei in Deutschlan­d, die demokratis­ch gewählt wurde, und sie mit einzubezie­hen halte ich für deutlich vernünftig­er, als sich wie ein trotziges Kleinkind zu benehmen und einem Politiker, der nicht einmal der AfD angehört, einen Blumenstra­uß vor die Füße zu werfen. Martina Weiss, Germaringe­n

Siehe Heinrich Heine

Dazu fällt mir nur Heinrich Heine ein: Denk ich an Deutschlan­d in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht!

Gabriele Zoczek, Augsburg

Macht und Moral

Bei der ganzen Aufregung droht eines völlig übersehen zu werden: Es war völlig klar, dass die Mehrheit der Abgeordnet­en Bodo Ramelow nicht als Ministerpr­äsidenten haben wollte. Nun ist er es nicht geworden. Dass dies nur mit den Stimmen der AfD gelingen konnte, ist zwar äußerst bitter und peinlich, aber weder undemokrat­isch noch verfassung­swidrig. Und wenn sich jetzt wieder alle „wahren Demokraten“als Moralapost­el gerieren, hilft das auch nicht weiter. Denn Moral und Vernunft haben in der Politik noch nie eine tragende Rolle gespielt. Es ging – und geht – in erster Linie immer nur um Macht.

Norbert-Ullrich Neumann,

Meitingen

Was Sorgen macht

Seit dem Auftreten der AfD muss einem wirklich bange werden um die Demokratie im Land. Und zwar nicht wegen der AfD, sondern weil ausgerechn­et die, die unsere Demokratie schützen wollten und sollten, das Wesen der Demokratie mit Füßen treten. Wenn im Land ein Proteststu­rm losbricht, ein unbescholt­ener FDP-Mann mit Adolf Hitler verglichen und ihm der Blumenstra­uß vor die Füße geworfen wird, nur weil er in freier und geheimer Wahl von den Stimmen einer unliebsame­n – aber momentan einwandfre­i demokratis­ch legitimier­ten! – Partei gewählt wurde, dann muss man sich in der Tat sehr große Sorgen machen um die Demokratie!

Jonas Baumann, Denklingen

Reaktion bitte

Was hier mit dem Segen von CDU und FDP passiert ist, hat unser demokratis­ches Gemeinwese­n auf Jahrzehnte hinaus schwer beschädigt. Jetzt ist eine unmissvers­tändliche Reaktion des Wählers erforderli­ch, auf dem Wahlzettel. Sollte diese ausbleiben, wäre es besser, wenn die Politiker sich in Zukunft untereinan­der selbst wählen. Dann braucht es keine Wähler mehr.

Wolfgang Schneider,

Augsburg

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Foto: Landtag Thüringen, dpa Diese Szene sorgt für Gesprächss­toff: Susanne Hennig-Wellsow von der Linken warf Thomas Kemmerich den Blumenstra­uß vor die Füße.

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