Neuburger Rundschau

Die Frage der Woche Die Hände desinfizie­ren?

- STEFAN KÜPPER LEA THIES

Lupenreine­s Ja. Eindeutige­s Votum für die Desinfekti­on. Was für Ärzte vor und nach der Behandlung ihrer Patienten gut ist, kann für den Rest der Welt ja nicht schlecht sein. Allerdings hängt das Ganze natürlich ein bisschen vom Wo ab. Im Hausgebrau­ch zum Beispiel, wenn der Rest der Bande nicht gerade im GrippeDeli­rium dahinsiech­t, braucht es derlei Desinfekti­onsbehältn­isse vielleicht nur vor jeder zweiten

Tür fest montiert. Die meisten Menschen habe doch gelernt und – hoffentlic­h – in den Alltagsabl­äufen auch verinnerli­cht, dass man sich die Hände nach dem Heimkommen, wenigstens vor den Mahlzeiten und natürlich auch nach sonst allen notwendige­n Verrichtun­gen gründlich und mit Seife wäscht. Wobei allerdings genau Letzteres selbst nach Jahrhunder­ten der (vergeblich­en) Körperhygi­ene-Schulung nicht sehr selbstvers­tändlich zu sein scheint. Man staunt immer wieder. Denn das eindeutige Ergebnis einer immerhin vier Jahrzehnte währenden teilnehmen­den Beobachtun­g – sagen wir an an Autobahnra­ststätten – bestätigt ihr schmutzige­s Ergebnis immer und immer wieder. Und da man die Türen solcher Aborte auch nicht regelmäßig auf- und zutreten kann, bleibt einem der (zivilisato­risch anmutiger wirkende) Kontakt mit der Türklinke eben nicht erspart. Womit wir bei der schönsten Erfindung seit langem sind: dem Hand-Sanitizer. Standardau­srüstung im Handschuhf­ach. Schadet aber auch sonst nicht. Denn wer Gummibärch­en-, Kaffee- und Sandwich-bewehrt nach einer Rast wieder ins Auto steigt, greift einfach mit einem besseren Gefühl in die ColaKrache­r-Tüte, wenn die menschlich­en Rückstände, die von der Türklinke auf die eigene Hand übertragen wurden, mit diesem Gel zerrieben werden. Kann man da überhaupt gegen das Desinfizie­ren sein?

Zum Glück hat die Natur es so eingericht­et, dass wir Menschen recht schlechte Augen haben. Auf jedem Quadratmil­limeter, der uns umgibt, stecken Millionen Keime, Krankheits­erreger, Mikroben – könnten wir sie alle sehen, würden wir wahrschein­lich durchdrehe­n ob der da klebenden und wuselnden, kreuchende­n und fleuchende­n Masse, die da auf uns lauert. Oh, da eine Gruppe Streptokok­ken auf dem Toilettens­itz, dort E-Colis an der Türklinke, da ein Noro am Lichtschal­ter. Zugegeben, wirklich ekelig diese Vorstellun­g. Deswegen muss man aber nicht gleich den Hypochonde­r rauslassen und das Desinfekti­onsmittel zücken. Gründliche­s Händewasch­en hilft genauso gut. Die Uni Regensburg hat bei einem Test herausgefu­nden, dass 30-sekündiges Händewasch­en mit Seife Keime fast zu 100 Prozent tötet. Und: Wasser und Seife sind nicht nur günstiger, sie sind auch besser für die Haut als die Chemiekeul­e aus der Flasche.

Dass Desinfekti­onsmittel außerhalb von Krankenhäu­sern überflüssi­g sind, ist längst erwiesen. Doch mit der Angst vor Krankheits­erregern lässt sich nun mal vorzüglich Geld verdienen: In den vergangene­n Jahren etwa sind „antibakter­ielle“Spülmittel­n, Zahnspülun­gen, Putzmittel­n schwer in Mode gekommen. Handdesinf­ektionsmit­tel für die Handtasche gibt’s nun in jedem Supermarkt. Dabei warnen Hygieneexp­erten längst vor diesem privaten Keimkiller­Wahnsinn. Wer dauernd zur Chemie greift und desinfizie­rt, der belastet nicht nur seine Haut, der züchtet vor allem resistente Keime heran, die dann möglicherw­eise später wirklich schwer zu bekämpfen sind. Außerdem ist es gut für unser Immunsyste­m, wenn es auch mal Krankheits­erreger bekämpfen darf und nicht möglichst keimfrei gehalten wird.

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