Das Coronavirus wird zum Risiko für die Weltwirtschaft
China bekommt die Epidemie derzeit kaum in den Griff. Sie belastet auch die Unternehmen. Die globalisierte Welt ist verwundbar geworden
Erst war es ein Toter, der am 11. Januar als Opfer einer „mysteriösen Lungenkrankheit“aus China gemeldet worden ist. Sechs Tage später zählte man zwei Tote, dann neun, dann 26, dann hunderte. Am Freitag geht man davon aus, dass in China inzwischen 1400 Menschen durch das Coronavirus gestorben sind, 64000 Menschen waren infiziert. Es wird immer deutlicher, dass China die Epidemie schlecht in den Griff bekommt. Jeder Mensch, der stirbt, ist ein Grund für Trauer. Das ist außer Frage. Der Gesundheitsschutz muss nun das Wichtigste sein, zum Beispiel die Entwicklung eines Impfstoffs. Es zeichnet sich aber auch ab, dass das sich ausbreitende Virus immer stärker zum Unsicherheitsfaktor für die Weltwirtschaft wird. Die globalisierte Ökonomie scheint für Krisen dieser Art anfällig und bisher nicht gut gerüstet zu sein.
Die ersten Schäden für die Wirtschaft sind erkennbar. In China sind die Börsen eingebrochen, in Millionenstädten steht das öffentliche Leben still. Ökonomen rechnen damit, dass das Virus das Wachstum in China dieses Jahr empfindlich dämpfen wird. In Europa und Amerika halten sich die Aktienmärkte bisher einigermaßen stabil, was allerdings daran liegen könnte, dass Unternehmen und Anleger die weitere Entwicklung der Epidemie schlecht abschätzen können und im Dunkeln tappen.
Trotzdem wird es auch uns treffen: Beim oberbayerischen Autozulieferer Webasto bangen plötzlich Mitarbeiter um die Gesundheit ihrer Kollegen. In Spanien fällt die wichtigste Mobilfunk-Messe der Welt aus. Und die Luftfahrtbranche rechnet mit Umsatzverlusten von vier bis fünf Milliarden Dollar.
Das Coronavirus zeigt, wie dicht verwoben die globalisierte Wirtschaft ist. Lieferketten überspannen Kontinente, damit steigt die Anfälligkeit
des Wirtschaftssystems. Elektronikkonzerne wie Apple rechnen damit, dass sich die Produktion ihrer Produkte in China verzögert. Teils sind die Konsequenzen dramatisch. Europa droht nämlich ein Mangel an Antibiotika, da viele Wirkstoffe aus China stammen.
Bald könnten auch deutsche Maschinenoder Autobauer vergeblich auf Bauteile aus China warten, weil dort Fabriken pausieren. Wie stark die Folgen sein werden, wird ganz davon abhängen, wie sich die Epidemie weiterentwickelt. Bereits sicher ist aber, dass in den betroffenen chinesischen Provinzen aktuell wenige Bürger dazu kommen, zum Beispiel einen BMW oder Audi zu kaufen. Die Verkäufe von Autos sind im Januar in China verglichen mit dem Vorjahreszeitraum um 20 Prozent massiv eingebrochen. Und China ist ein wichtiger Markt für deutsche Firmen.
Derzeit wird eine Debatte geführt, ob es die Staaten in den 90er und 2000er Jahren mit der Globalisierung zu weit getrieben haben. Über Zölle und Handelskriege werden neue Schranken hochgezogen. Das Coronavirus zeigt aber, dass die Renationalisierung Grenzen hat. Die Welt ist über Handel und Tourismus eng verwoben, Industrieunternehmen sind auf spezialisierte Zulieferbetriebe im Ausland angewiesen. Und deutsche Konzerne wie VW brauchen inzwischen internationale Absatzmärkte zum Überleben. Diese Entwicklung wird sich ohne Schaden kaum zurückdrehen lassen.
Die globalisierte Welt braucht deshalb robuste Instrumente, um Krisen wie das Coronavirus zu managen. Dazu gehören internationale Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation, um Gefahren zu bewerten und über sie zu informieren. Und dazu gehören Expertennetzwerke von Ärzten. Nötig ist am Ende mehr internationale Kooperation, nicht weniger.
Mehr internationale Kooperation, nicht weniger