Rechter Terror: Die Spur führt nach Schwaben
Die Polizei nimmt einen Mann im Kreis Augsburg fest. Er soll ein Netzwerk organisiert haben, das Anschläge auf Politiker oder Asylbewerber plante. Durchsuchungen auch in mehreren anderen Bundesländern
Augsburg Es ist noch dunkel, als die Razzia am Freitagmorgen beginnt: Vermummte Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos der Polizei sind die Ersten, die das Anwesen in der kleinen Gemeinde Mickhausen im südlichen Landkreis betreten. In den Stunden darauf durchsuchen fast den ganzen Tag über ein Dutzend Mitarbeiter des Bayerischen Landeskriminalamts den sanierten ehemaligen Bauernhof, bei dem sofort auffällt: Sämtliche Fensterscheiben im Erdgeschoss sind vergittert.
Hier soll der Kopf einer rechtsterroristischen Vereinigung leben, die laut Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Personen muslimischen Glaubens ins Auge gefasst hatte. Ziel sollte es sein, „die Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu erschüttern und letztlich zu überwinden“und „bürgerkriegsähnliche herbeizuführen. Nicht nur der 53-Jährige aus Mickhausen wurde festgenommen. Der Generalbundesanwalt bestätigte am Freitagnachmittag, dass zwölf von 13 Beschuldigten – alles deutsche Männer, darunter auch einer aus München und einer aus Pfaffenhofen/Ilm – festgenommen worden seien. Sie sollen an diesem Samstag dem Haftrichter vorgeführt werden.
Der Hauptverdächtige gehört zu den fünf Männern, die sich im September 2019 zu einer rechtsterroristischen Vereinigung zusammengeschlossen haben sollen. Sie trafen sich nach den Ermittlungen mehrfach persönlich. Der Mann aus dem Augsburger Land soll das Ganze organisiert haben. Die Mitglieder der mutmaßlichen Terrorgruppe hatten auch über Chatgruppen sowie telefonisch Kontakt. Online ausgetauscht wurden wohl auch Fotos selbst gebauter Waffen – darauf war das Bundesamt für Verfassungsschutz aufmerksam geworden.
Nachbarn berichten unserer Redaktion, dass der vor einigen Jahren
Mann nicht ins Dorfleben von Mickhausen integriert und auch sonst nicht aufgefallen sei.
Durchsuchungen fanden am Freitagmorgen auch bei mutmaßlichen Helfern statt: Sie sollen zugesagt haben, die Vereinigung finanziell zu unterstützen, Waffen zu beschaffen oder an Anschlägen mitzuwirken. Die groß angelegte Aktion fand an insgesamt 13 Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,
Rheinland-Pfalz sowie Sachsen-Anhalt statt. Dabei sollen die Ermittler auf mehrere Waffen gestoßen sein, darunter offenbar auch eine Schusswaffe, die der des antisemitischen Attentäters von Halle ähnelt.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) bestätigte, im Zusammenhang mit den Razzien sei auch ein Verwaltungsmitarbeiter der Polizei in NRW suspenZustände“ diert worden. Die Mitglieder der rechtsextremen Szene habe man „schon länger im Blick gehabt“. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, begrüßte die entschiedenen Maßnahmen: „Es ist gut, dass die mutmaßlichen Rechtsterroristen entdeckt wurden, bevor sie ihre Anschläge verüben konnten. Mit dem Verdacht der Beteiligung eines Polizeibeamten an der Gruppe erhält dieser Fall eine ganz neue Dimension.“Sollte sich dies bestätigen, wäre es nach den Erkenntnissen über rechtsextremistische Bewegungen innerhalb der Bundeswehr die nächste beunruhigende Unterwanderung.
Thomae erfüllt es mit Sorge, dass sich offenbar ausgerechnet Staatsdiener, die sich der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet haben, in verfassungsfeindlichen Vereinigungen organisieren und sogar einen Staatsumsturz anstreben. Es stelle sich die Frage, wie viele Netzwerke es noch gibt, die unter dem Radar der Sizugezogene cherheitsbehörden fliegen. Thomae: „Die Bundesregierung muss alles unternehmen, um diese Netzwerke ausfindig zu machen und zu zerschlagen.“
Bereits vor vier Jahren gab es einen ähnlichen Einsatz in Augsburg. Damals wurde ein Mann als Kopf einer rechtsextremen Terrorgruppe festgenommen. Deren Mitglieder sollen Anschläge auf bekannte Salafisten, Moscheen und Asylbewerberunterkünfte geplant haben. Offenbar hatten sie dafür bereits erste Vorbereitungen getroffen. Der Hass auf Ausländer, den Islam und den Staat wurde vor allem im Internet ausgelebt. Dort bezeichnete sich der Augsburger als Kopf einer Gruppe, die sich „Oldschool Society“– kurz OSS – nennt.
Auch damals hatte der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen. 2017 wurde die Führungsriege der Gruppe zu Haftstrafen zwischen drei und fünf Jahren verurteilt. Der „Präsident“aus Augsburg erhielt eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren.
Fotos von Waffen im Internet ausgetauscht