Durch den Sturm
Für Audi hat ein hartes Jahr begonnen. Digitalisierung, E-Mobilität, Sparprogramm. Wohin der Wind des Strukturwandels die VW-Tochter weht, steht noch nicht fest. Wie Gesamtbetriebsratschef Peter Mosch die Lage sieht
Ingolstadt Als VW-Chef Herbert Diess neulich davon sprach, dass der „Sturm jetzt erst losgeht“, hatte er nicht „Sabine“gemeint. Das Orkantief konnte Ingolstadt wenig anhaben. Diess meinte den Wandel in der Automobilindustrie, den Wandel der Autohersteller hin zum Anbieter vernetzter Fahrzeuge. Im Vergleich zu dem, was kommen könnte, hat „Sabine“nur mal ein bisschen durchgelüftet.
Wie wetterfest ist man also bei Audi? Fragt man beim Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Peter Mosch nach, sagt er: „Es gibt ab und zu natürlich Sturm, es gibt aber auch ruhige Zeiten. Und es gibt den Betriebsrat, um die Wogen wieder zu glätten.“Ja, die Lage, die weltwirtschaftliche Großwetterlage sei eine „große Herausforderung“, aber bange ist Mosch nicht.
Die vergangenen Jahre haben die vormalige Vorzeige-Tochter des VW-Konzerns regelmäßig durchgerüttelt. Der nach wie vor nicht ausgestandene Abgas-Skandal, die erheblichen Probleme mit dem Testzyklus WLTP, dazu spürbare Absatzeinbrüche. Der langjährige Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler wurde aus dem Unternehmen geweht. Und der derzeitige Chef Bram Schot kann sich auch nicht halten und wird im April vom früheren BMW-Vorstand und DiessWunschkandidaten Markus Duesmann abgelöst. Und dann wurde im vergangenen November vom Unternehmen endlich offiziell verkündet, was zuvor über Monate die Audi-Belegschaft verunsichert hatte: Zum von Bram Schot zuvor angekündigten rigiden Sparkurs gehört auch, dass bis 2025 9500 Stellen im Ingolstädter Stammwerk und in Neabgebaut werden. Zwar werden auch 2000 neue Jobs geschaffen, Milliarden-Investitionen für die E-Modell-Offensive getätigt. Zudem wurde die Arbeitsplatzgarantie für die Stammbelegschaft bis 2029 ausgeweitet, für Mosch ein „Meilenstein“, der den Audianern Sicherheit gibt. Zugleich aber wurde amtlich: Bis das Reich der vier Ringe wieder sonnenbeschienen von einer sanften Brise umweht wird, kann es dauern.
Audi.Zukunft heißt die Grundsatzvereinbarung, die Mosch und Kollegen über Monate mit der Unternehmensführung ausverhandelt hatten. Klar war nach der Verkün
im November auch, dass man danach noch in die Details gehen würde. In dieser Phase sei man nach wie vor, erklärt Mosch im Gespräch mit unserer Redaktion. Wann alles geregelt ist, steht noch nicht fest. Bis in drei Wochen erwartet der 48-Jährige das Angebot aus der Chef-Etage für die Vorruhestandspakete. Die Gespräche laufen, bestätigt auch das Unternehmen. Für welche Altersgruppen genau diese Angebote alle gelten könnten, teilten aber weder das Unternehmen noch Mosch mit. Aber auch für die unter 60-Jährigen könnte wohl etwas dabei sein. Wie die 9500 abzubauenden Stellen auf die beiden Standorte verteilt werckarsulm den, ist ebenfalls noch nicht gewiss und Teil der Gespräche, wie Mosch und Unternehmen bestätigen. Die 2000 neuen Stellen sollen in den „Zukunftsfeldern“Elektromobilität und Digitalisierung geschaffen werden. Dabei gelte den Angaben eines Sprechers zufolge „intern vor extern“.
Das ist die Zukunft. Die Folgen der Vergangenheit bekamen vor wenigen Wochen die Mitarbeiter einer Wechselschicht zu spüren. Die wurde nämlich gestrichen, was bei Audi erneut zu Verunsicherung geführt hatte. Es war ein unschöner Windstoß gewesen, nachdem zum Jahresende so etwas wie Weihdung nachtsfrieden eingekehrt war und Audi 2019 mit einem Plus von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abschließen konnte. Mosch gibt mit Blick auf die gestrichene Schicht zu: „Das war ein schmerzlicher Schritt“, der aber „so sozial verträglich wie möglich“gestaltet werde. Sprich: Es soll versucht werden, die 1250 Mitarbeiter im Schichtrhythmus wie bisher zu belassen, aber eben verteilt auf andere Linien. Stehen noch weitere Schichtauflösungen an? Mosch sagt, ihm sei nichts bekannt. Ein Audi-Sprecher antwortet auf Nachfrage identisch und fügt an, dass die Produktion „flexibel den Marktgegebenheiten“angepasst werde.
Audi konnte im Januar die Zahl der Auslieferungen um 1,8 Prozent steigern. Um über die Auswirkungen das Coronavirus auf die weitere Geschäftsentwicklung im auch für Audi so bedeutsamen chinesischen Markt „eine detaillierte Prognose abzugeben, sei es noch „zu früh“, die Situation sei weiterhin „volatil“.
Mosch rechnet damit, dass 2020 in Ingolstadt 400 000 bis 450 000 Autos vom Band laufen werden. „Kurzarbeit“sei „aus heutiger Sicht kein Thema“. Mosch ist überzeugt, dass die „Kraft von Audi im Gesamtkonzern“sichtbar sei. Die Ingolstädter seien „gut unterwegs“.
Und mit Duesmann komme im April ein Mann, der „durch und durch Techniker“sei, von dem man sich „sehr viel“in Sachen Forschung, Entwicklung, „technischer Lead innerhalb des Konzerns“erwarte. „Wir haben da große Hoffnungen und den Anspruch, dass er Audi gegenüber den Konkurrenten ziemlich weit an die Spitze führt“. Der Slogan „Vorsprung durch Technik“müsse mit „neuen Inhalten belebt werden“. Duesmann bringe „viel Erfahrung“mit. Er erwarte ferner, dass Audi.Zukunft vom neuen Vorstand „abgearbeitet“werde, man gemeinsam an „einem Strang“ziehe.
Denn wohin und wie heftig der Wind pfeifen wird, steht nicht fest.