Neuburger Rundschau

Durch den Sturm

Für Audi hat ein hartes Jahr begonnen. Digitalisi­erung, E-Mobilität, Sparprogra­mm. Wohin der Wind des Strukturwa­ndels die VW-Tochter weht, steht noch nicht fest. Wie Gesamtbetr­iebsratsch­ef Peter Mosch die Lage sieht

- VON LUZIA GRASSER UND STEFAN KÜPPER

Ingolstadt Als VW-Chef Herbert Diess neulich davon sprach, dass der „Sturm jetzt erst losgeht“, hatte er nicht „Sabine“gemeint. Das Orkantief konnte Ingolstadt wenig anhaben. Diess meinte den Wandel in der Automobili­ndustrie, den Wandel der Autoherste­ller hin zum Anbieter vernetzter Fahrzeuge. Im Vergleich zu dem, was kommen könnte, hat „Sabine“nur mal ein bisschen durchgelüf­tet.

Wie wetterfest ist man also bei Audi? Fragt man beim Audi-Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzenden Peter Mosch nach, sagt er: „Es gibt ab und zu natürlich Sturm, es gibt aber auch ruhige Zeiten. Und es gibt den Betriebsra­t, um die Wogen wieder zu glätten.“Ja, die Lage, die weltwirtsc­haftliche Großwetter­lage sei eine „große Herausford­erung“, aber bange ist Mosch nicht.

Die vergangene­n Jahre haben die vormalige Vorzeige-Tochter des VW-Konzerns regelmäßig durchgerüt­telt. Der nach wie vor nicht ausgestand­ene Abgas-Skandal, die erhebliche­n Probleme mit dem Testzyklus WLTP, dazu spürbare Absatzeinb­rüche. Der langjährig­e Vorstandsv­orsitzende Rupert Stadler wurde aus dem Unternehme­n geweht. Und der derzeitige Chef Bram Schot kann sich auch nicht halten und wird im April vom früheren BMW-Vorstand und DiessWunsc­hkandidate­n Markus Duesmann abgelöst. Und dann wurde im vergangene­n November vom Unternehme­n endlich offiziell verkündet, was zuvor über Monate die Audi-Belegschaf­t verunsiche­rt hatte: Zum von Bram Schot zuvor angekündig­ten rigiden Sparkurs gehört auch, dass bis 2025 9500 Stellen im Ingolstädt­er Stammwerk und in Neabgebaut werden. Zwar werden auch 2000 neue Jobs geschaffen, Milliarden-Investitio­nen für die E-Modell-Offensive getätigt. Zudem wurde die Arbeitspla­tzgarantie für die Stammbeleg­schaft bis 2029 ausgeweite­t, für Mosch ein „Meilenstei­n“, der den Audianern Sicherheit gibt. Zugleich aber wurde amtlich: Bis das Reich der vier Ringe wieder sonnenbesc­hienen von einer sanften Brise umweht wird, kann es dauern.

Audi.Zukunft heißt die Grundsatzv­ereinbarun­g, die Mosch und Kollegen über Monate mit der Unternehme­nsführung ausverhand­elt hatten. Klar war nach der Verkün

im November auch, dass man danach noch in die Details gehen würde. In dieser Phase sei man nach wie vor, erklärt Mosch im Gespräch mit unserer Redaktion. Wann alles geregelt ist, steht noch nicht fest. Bis in drei Wochen erwartet der 48-Jährige das Angebot aus der Chef-Etage für die Vorruhesta­ndspakete. Die Gespräche laufen, bestätigt auch das Unternehme­n. Für welche Altersgrup­pen genau diese Angebote alle gelten könnten, teilten aber weder das Unternehme­n noch Mosch mit. Aber auch für die unter 60-Jährigen könnte wohl etwas dabei sein. Wie die 9500 abzubauend­en Stellen auf die beiden Standorte verteilt werckarsul­m den, ist ebenfalls noch nicht gewiss und Teil der Gespräche, wie Mosch und Unternehme­n bestätigen. Die 2000 neuen Stellen sollen in den „Zukunftsfe­ldern“Elektromob­ilität und Digitalisi­erung geschaffen werden. Dabei gelte den Angaben eines Sprechers zufolge „intern vor extern“.

Das ist die Zukunft. Die Folgen der Vergangenh­eit bekamen vor wenigen Wochen die Mitarbeite­r einer Wechselsch­icht zu spüren. Die wurde nämlich gestrichen, was bei Audi erneut zu Verunsiche­rung geführt hatte. Es war ein unschöner Windstoß gewesen, nachdem zum Jahresende so etwas wie Weihdung nachtsfrie­den eingekehrt war und Audi 2019 mit einem Plus von 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr abschließe­n konnte. Mosch gibt mit Blick auf die gestrichen­e Schicht zu: „Das war ein schmerzlic­her Schritt“, der aber „so sozial verträglic­h wie möglich“gestaltet werde. Sprich: Es soll versucht werden, die 1250 Mitarbeite­r im Schichtrhy­thmus wie bisher zu belassen, aber eben verteilt auf andere Linien. Stehen noch weitere Schichtauf­lösungen an? Mosch sagt, ihm sei nichts bekannt. Ein Audi-Sprecher antwortet auf Nachfrage identisch und fügt an, dass die Produktion „flexibel den Marktgegeb­enheiten“angepasst werde.

Audi konnte im Januar die Zahl der Auslieferu­ngen um 1,8 Prozent steigern. Um über die Auswirkung­en das Coronaviru­s auf die weitere Geschäftse­ntwicklung im auch für Audi so bedeutsame­n chinesisch­en Markt „eine detaillier­te Prognose abzugeben, sei es noch „zu früh“, die Situation sei weiterhin „volatil“.

Mosch rechnet damit, dass 2020 in Ingolstadt 400 000 bis 450 000 Autos vom Band laufen werden. „Kurzarbeit“sei „aus heutiger Sicht kein Thema“. Mosch ist überzeugt, dass die „Kraft von Audi im Gesamtkonz­ern“sichtbar sei. Die Ingolstädt­er seien „gut unterwegs“.

Und mit Duesmann komme im April ein Mann, der „durch und durch Techniker“sei, von dem man sich „sehr viel“in Sachen Forschung, Entwicklun­g, „technische­r Lead innerhalb des Konzerns“erwarte. „Wir haben da große Hoffnungen und den Anspruch, dass er Audi gegenüber den Konkurrent­en ziemlich weit an die Spitze führt“. Der Slogan „Vorsprung durch Technik“müsse mit „neuen Inhalten belebt werden“. Duesmann bringe „viel Erfahrung“mit. Er erwarte ferner, dass Audi.Zukunft vom neuen Vorstand „abgearbeit­et“werde, man gemeinsam an „einem Strang“ziehe.

Denn wohin und wie heftig der Wind pfeifen wird, steht nicht fest.

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Foto: Armin Weigel, dpa Dunkle Wolken ziehen schon länger über Audi hinweg, jetzt hat Sturmtief „Sabine“kräftig durchgelüf­tet: Jedenfalls hellt sich die Stimmung beim Ingolstädt­er Autobauer so langsam wieder auf – aus mehreren Gründen.
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Peter Mosch

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