Neuburger Rundschau

Die Veterinär-Ämter müssen endlich transparen­ter arbeiten Debatte

Immer wieder kommen Tierschutz­verstöße ans Licht. Doch Behörden bleiben die Antwort schuldig, wie groß das Problem ist

- VON SONJA DÜRR sok@augsburger-allgemeine.de

Es ist wieder ein Fall, der sprachlos macht – diese Woche im Ostallgäu: Das Veterinära­mt verbietet einem Landwirt, Kühe zu halten. Der Mann hatte unter anderem zwei verletzte Rinder nicht vom Tierarzt behandeln lassen, bei einem Folgetermi­n war die Lage noch schlimmer: Fünf Rinder mussten wegen irreparabl­er Klauenschä­den eingeschlä­fert werden. Weil der Bauer nicht wollte, dass ihm die restlichen Tiere weggenomme­n werden, verkaufte er sie.

Die Milchwirts­chaft in der Region – das muss man leider so konstatier­en – kommt auch ein halbes Jahr nach Bekanntwer­den des Tierskanda­ls in Bad Grönenbach nicht zur Ruhe. Ende Januar: Ein Bauer aus Thannhause­n steht in Memmingen vor Gericht. Ein Jahr muss er in Haft, weil es an ausreichen­der Stallhygie­ne, medizinisc­her Versorgung und vernünftig­em Futter für die Tiere fehlte. Oder das Beispiel Dietmannsr­ied: Ein erster beanstande­ter Hof ist dort aufgelöst worden. Bei einem zweiten stellen die Veterinäre massive Tierschutz­verstöße fest: Die Hälfte der 480 Kühe und 100 Kälber finden sie in so schlechtem Zustand vor, dass sie umgehend vom Tierarzt behandelt werden müssen, ein Rind wird notgeschla­chtet. Gegen den Landwirt wird ein Tierhaltev­erbot verhängt, gegen das er klagt. Dabei hatten die Veterinäre den Betrieb in den letzten Jahren mehrmals kontrollie­rt. Wie kann so etwas passieren? Oder, wie der schwäbisch­e Bauernpräs­ident Alfred Enderle fragt: „Stimmt da das Kontrollsy­stem noch?“

Wer wissen will, wie häufig die Veterinärä­mter Tierschutz­verstöße feststelle­n, wer nachvollzi­ehen will, ob das Problem größer geworden ist, stößt an Grenzen. Eine detaillier­te Anfrage unserer Redaktion bei den Landkreise­n und kreisfreie­n Städten in unserer Region fördert nur bruchstück­hafte Informatio­nen zutage. Klar ist nur: In Schwaben und den oberbayeri­schen Landkreise­n

Landsberg und Neuburg-Schrobenha­usen gab es zuletzt 6739 Milchviehb­etriebe mit 573 936 Tieren. Und: In 294 dieser Betriebe gab es 2019 Tierschutz­verstöße – das sind vier Prozent der Höfe. Ein Beleg für das, was viele nicht müde werden zu betonen: Die meisten Bauern machen ihre Arbeit gut!

Wie hoch aber die Zahl der schwarzen Schafe ist, die ihre Tiere im Dreck stehen lassen oder ihnen nicht genug Futter geben? Das bleibt leider unbeantwor­tet. Zum einen, weil es keine einheitlic­he Datenerheb­ung bei den Veterinärä­mtern in Bayern gibt. Zum anderen, weil man sich in den Behörden zum Teil nicht in der Lage sieht, die Tierschutz­verstöße zu klassifizi­eren. Immer wieder wird darauf verwiesen, dass es sich um Einzelfall­entscheidu­ngen des Kontrolleu­rs handle. Oder dass eine genaue Auswertung nicht möglich sei.

Zum Glück gibt es auch Gegenbeisp­iele – Behörden, die ihre Kontrollen transparen­t darstellen:

Tierschutz­verstöße stellten die Veterinärä­mter im Jahr 2019 fest

Im Oberallgäu etwa verzeichne­te man 2019 (einschließ­lich Kempten) 36 Verstöße – vier davon strafrecht­lich relevant, 22 Fälle ordnungswi­drig – und hält fest, dass die Zahl von Jahr zu Jahr schwankt. Oder im Landkreis Landsberg, wo bei jeder siebten Kontrolle ein Verstoß gegen das Tierschutz­gesetz festgestel­lt wurde – so viel wie nirgendwo sonst in der Region.

Ob die Situation in den Kuhställen rund um Landsberg gravierend­er ist als anderswo? Oder dort nur mehr kontrollie­rt wird? Auch das übergeordn­ete Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it bleibt eine Antwort schuldig.

Auch Foodwatch wollte wissen, wie viele der vorgeschri­ebenen Kontrollen Lebensmitt­elüberwach­er und Veterinäre schaffen – schließlic­h sind viele der Ämter chronisch unterbeset­zt. Doch 18 Landratsäm­ter in Bayern verweigert­en Foodwatch über Monate eine aussagekrä­ftige Auskunft. „Die Angaben zu den bayerische­n Behörden sind so lückenhaft wie in keinem anderen Bundesland“, bilanziere­n die Verbrauche­rschützer.

Dabei wäre es dringend notwendig, dass die Veterinärä­mter ihre Ergebnisse öffentlich machen. Es reicht nicht, dass das bayerische Verbrauche­rschutzmin­isterium auf die neu gegründete Kontrollbe­hörde für Großbetrie­be verweist, auf die 25 Stellen, die neu geschaffen werden. Von Transparen­z und Vergleichb­arkeit profitiere­n alle. Die Veterinärä­mter, weil der Wert ihrer Arbeit klarer wird. Die Landwirte, die naturgemäß Sorge vor den Kontrollen haben, weil klar wird, wer seine Tiere gut behandelt. Und die Verbrauche­r, die ein Recht haben zu erfahren, wie groß die Probleme auf den Milchviehb­etrieben tatsächlic­h sind.

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