Hunderte Lehrer demonstrieren gegen Mehrarbeit
Kultusminister Piazolo will den Lehrermangel abwenden. Die Betroffenen sind „auf 180“
Augsburg Wertschätzung: Sechs! Rechenfähigkeit: Sechs! Zukunftsfähigkeit: Sechs! Das Zeugnis, das Schwabens Lehrer dem Kultusminister ausstellen, ist verheerend. Grund-, Mittel- und Förderschullehrer protestierten am Freitag in Augsburg gegen den Notfallplan, mit dem die Regierung den Lehrermangel im nächsten Schuljahr abwenden will. Nach Angaben der Polizei kamen rund 500 Pädagogen in die Innenstadt, die Lehrerverbände sprechen von bis zu 1000.
Der Annahof in der Fußgängerzone ist ein Schilderwald, das Pfeifkonzert
riesig, wann immer der Name von Michael Piazolo (Freie Wähler) fällt: „Wir sind auf 180“ist zu lesen, „Wir können nicht alles auffangen“und „Wir brauchen keinen Professor als Kultusminister, sondern einen, der rechnen kann!“Piazolo, selbst habilitierter Politikwissenschaftler, hatte im Januar umstrittene Maßnahmen vorgestellt, um die erwartete Lücke von 1400 Lehrern zu füllen: Mehrarbeit für Voll- und vor allem Teilzeitkräfte, vorerst kein Ruhestand vor 65 Jahren und keine Sabbaticals mehr.
Grundschullehrerin Jana Römer ist aus dem Kreis Donau-Ries gekommen. Sie arbeitet eigentlich
Teilzeit, häuft aber gerade Arbeitszeit für ein Sabbatjahr an und steht deshalb die volle Stundenzahl im Klassenzimmer. Nach dem aktuellen Stand sind bereits genehmigte Auszeiten nicht in Gefahr. Römer, die im Vorstand des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands von Donauwörth aktiv ist, fürchtet trotzdem um ihre Pläne. Sie leitet eine Kombiklasse, in der Schüler der dritten und vierten Jahrgangsstufe zusammen lernen. Deshalb schreibt die 52-Jährige doppelt so viele Proben wie in einer normalen Klasse – deutlich mehr als 30. Mit Vor- und Nachbereiten komme sie mindestens auf eine 50-Stunden-Woche.
„Das geht an die Substanz.“Eine andere Lehrerin kommt aus Richtung Neu-Ulm. Bisher unterricht sie 16 Stunden pro Woche. Bald muss sie mindestens acht mehr übernehmen, der Notfallplan sieht keine Verträge unter 24 Stunden vor. „Das ist keine Teilzeit mehr.“
Lehrer an den betroffenen Schulen fordern Mitsprache beim Auffangen des Lehrermangels, ein Einstiegsgehalt wie Kollegen an Realschulen und Gymnasien und Entlastungen bei Verwaltungsaufgaben fernab des Unterrichts. Zuletzt hatten sie etwa in Würzburg, Nürnberg und Eichstätt demonstriert – teils mit mehreren tausend Teilnehmern.