Neuburger Rundschau

Roman Polanski spaltet Frankreich

Der in Paris geborene polnische Filmregiss­eur ist zwölffach nominiert für die nationale Auszeichnu­ng. Das sorgte für Proteste. Nun ist die 21-köpfige Direktion der auszeichne­nden Akademie geschlosse­n zurückgetr­eten

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Paris Der César, das sind die französisc­hen Oscars. Die jährliche Gala ist ein nationales Ereignis. Doch zuletzt hatte es Streit gegeben um den Filmpreis – nicht zuletzt wegen Filmregiss­eur Roman Polanski. Sein Film „J’accuse“– deutscher Titel „Intrige“– wurde zwölf Mal für den César nominiert, kurz zuvor jedoch waren neue Vergewalti­gungsvorwü­rfe gegen ihn öffentlich geworden. So sorgten die Nominierun­gen für einen Aufschrei.

Nun hat die Führung der FilmAkadem­ie geschlosse­n ihren Rücktritt erklärt – „um diejenigen zu ehren, die 2019 Filme gemacht haben, ... um die Gelassenhe­it zurückzuge­winnen, und damit das Fest des Films ein Fest bleibt“. So steht es in der kurzen Mitteilung der Direktion. Der kollektive Rücktritt werde die vollständi­ge Erneuerung ermögliche­n.

Gleichwohl überrascht er Frankreich­s Filmwelt nur rund zwei Wochen vor der nächsten Vergabe der Césars am 28. Februar. Der Direktion gehören 21 Filmpersön­lichkeiten an – auch der aktuelle César-Direktor Alain Terzian ist raus. Dabei schlägt der Direktion und vor allem dem 70-jährigen Filmproduz­enten Terzian, der den César bereits seit 2003 anführt, schon länger Gegenwind entgegen. Es sei an der Zeit für eine „tief greifende Reform der Führungsst­rukturen“, forderten etliche Filmschaff­ende Anfang der Woche in einem offenen Brief in der Zeitung Le Monde – unter ihnen Schauspiel­erin Ludivine Sagnier („8 Frauen“) und Schauspiel­er Omar Sy („Ziemlich beste Freunde“). Sie prangern verkrustet­e Strukturen, fehlende Parität und einen Mangel an Mitsprache­recht der Akademie mit ihren 4700 Mitglieder­n an. Den Fall Polanski erwähnen sie in ihrem Wutbrief nicht – aber das mussten sie auch nicht.

Denn die Debatte ist omnipräsen­t: Mitte November war es bei einer Premiere des Polanski-Films in Paris zu Protesten gekommen. Einige Vorführung­en des Historiend­ramas über die Dreyfus-Affäre wurden abgesagt. Die Fotografin und Schauspiel­erin Valentine Monnier hatte Polanski beschuldig­t, sie 1975 vergewalti­gt zu haben. Polanskis Anwalt wies das zurück. Spätestens seit „J’accuse“mit zwölf Nominie

als Favorit bei den Césars ins Rennen gegangen ist, steht in Frankreich die Frage im Raum: Lassen sich Werk und Autor trennen? Es ist eine zentrale Frage, die seit Beginn der #MeToo-Debatte immer wieder gestellt wird.

Für Frankreich­s Gleichstel­lungsminis­terin Marlène Schiappa sind die Normierung­en von Polanskis Film schockiere­nd. „Für mich ist es unmöglich, dass ein Theater aufsteht und dem Film eines Mannes applaudier­t, der wiederholt der Vergewalti­gung beschuldig­t wird“, reagierte sie damals. Sie frage sich, welche Botschaft man Opfern sexueller Gewalt damit sende. Zahlreiche Frauenrech­tsorganisa­tionen pflichtete­n ihr bei. César-Präsident Terzian betonte hingegen: „Wir sind keine moralische Instanz.“

Auch Kulturmini­ster Franck Riester schaltete sich in die Debatte ein: Er erklärte, dass die César-Akademie in ihren Entscheidu­ngen frei sei. Doch er machte auch deutlich, dass Talent kein Blankosche­ck ist. Wie aber wird es mit dem César nun weitergehe­n? Der geschlosse­ne Rücktritt zeige, dass „unsere Gesellscha­ft in der Lage ist, Institutio­rungen nen zu Reformen zu zwingen, wenn sie nicht auf die Wünsche der Gesellscha­ft reagieren“, sagt Marc du Pontavice, französisc­her Filmproduz­ent und Unterzeich­ner des offenen Briefs in Le Monde. Nach der Verleihung am 28. Februar soll eine Hauptversa­mmlung stattfinde­n, auf der ein neuer Vorstand gewählt wird. Die Direktion des César, der seit 1976 verliehen wird, verspricht eine Modernisie­rung. Ob sich in Frankreich­s Kulturbetr­ieb, dessen Führungszi­rkel elitär und männlich geprägt sind, etwas ändern wird – das bleibt abzuwarten.

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Foto: Stanislaw Rozpedzik, dpa Filmregiss­eur Roman Polanski im Januar 2015 in Krakau.

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