Neuburger Rundschau

Experte in eigener Sache

Mit Handicap zur richtigen Ausbildung

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Feuerwehrm­ann, Profi-Fußballer, Astronaut – für kleine Kinder ist die Frage „Was will ich werden?“oft ganz leicht zu beantworte­n. Wenn es Jahre später tatsächlic­h an die Berufswahl geht, fällt die Entscheidu­ng schwerer. Zumal dann auch das „Was kann ich?“in den Fokus rückt. Jugendlich­e mit Behinderun­g stehen bei der Berufswahl oft vor einer besonderen Herausford­erung. Vier Experten geben Ratschläge.

Die richtige Selbsteins­chätzung

Die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen, hilft bei der Suche nach dem passenden Ausbildung­sberuf. Das kann für Jugendlich­e mit Handicap zur Schwierigk­eit werden, weiß Kevin Huhs, RehaBerate­r der Agentur für Arbeit in Kiel. „Eine Behinderun­g ist für ganz viele Jugendlich­e ein schlimmes Übel, das sie natürlich am liebsten gar nicht hätten und deswegen kaschieren, verstecken oder davon ablenken“, erklärt er. Häufig würden auch Eltern dazu neigen, Behinderun­gen herunterzu­spielen. Die Konsequenz: „Überschätz­ung, fehlende Einsicht und Ablehnung unserer Förderange­bote sind an der Tagesordnu­ng“, sagt der Berufsbera­ter. Huhs empfiehlt, sich selbst gegenüber ehrlich zu sein, die eigenen Stärken und Schwächen zu analysiere­n und für Alternativ­en offen zu bleiben: Oft eignet sich eine bestimmte Ausbildung besser als eine andere, etwa weil der Theorieant­eil geringer ist.

Die richtige Vorbereitu­ng

Eine gute Berufsorie­ntierung beginnt schon während der

Schulzeit. „Dabei können nicht nur das familiäre Umfeld und die Lehrkräfte unterstütz­en, sondern auch der regional zuständige Integratio­nsfachdien­st oder die Agentur für Arbeit“, so Matthias Münning, Vorsitzend­er der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der überörtlic­hen Träger der Sozialhilf­e. Auch Tobias Schmidt von der Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Berufsbild­ungswerke empfiehlt eine frühe Vorbereitu­ng. „Es gibt Bundesländ­er, die haben Berufseins­tiegsbegle­iter. Die gucken auf den einzelnen Schüler, da ist es erstmal egal, ob er ein Handicap hat oder nicht.“Schulen hätten oft ein gutes Netzwerk zu Integratio­nsfachdien­sten, der Agentur für Arbeit oder anderen Experten. Insbesonde­re das Schulprakt­ikum kann Aufschluss geben, zu welchen

Tätigkeite­n der Schüler eine Affinität hat.

Der richtige Umgang mit dem Handicap

Manche Behinderun­gen sind offensicht­lich, andere für den Gegenüber kaum zu erkennen. In jedem Fall empfehlen die Experten, offen damit umzugehen. „Vielfach sind Menschen mit Handicap Experten in eigener Sache und können Strategien benennen, wie im Ausbildung­salltag mit dem Handicap umgegangen werden kann“, erklärt Dennis Müller vom Integratio­nsfachdien­st Minden. Kevin Huhs empfiehlt Jugendlich­en, bereits im Bewerbungs­prozess auf die Behinderun­g aufmerksam zu machen. Etwa, indem sie ein Zusatzblat­t entwickeln, auf dem der Schüler seine Behinderun­g genauer beschreibt und darstellt, wie sich die Behinderun­g auf die Arbeit auswirken würde. Häufig spielt das Handicap aber eine unwesentli­che Rolle, sind sich Kevin Huhs und Dennis Müller einig.

Die richtigen Unterstütz­ungsangebo­te finden

Die Beratungsa­ngebote rund um die Berufswahl sind zahlreich und von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich. Grundsätzl­ich stehen die Berufsbera­ter der Agentur für Arbeit, aber auch der Integratio­nsfachdien­st, Berufseins­tiegsbegle­itungen, Coachingan­gebote über Landesprog­ramme sowie Integratio­nsund Inklusions­ämter zur Verfügung. Wichtig ist, dass sich Betriebe und auch der Auszubilde­nde kundig machen. tmn

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