Neuburger Rundschau

Großmaul zum Gernhaben

Tim Mälzer denkt das Prinzip der Kochshow neu. Sein „Kitchen Impossible“zeigt Spitzenköc­he in Extremsitu­ationen – und am Rande der Verzweiflu­ng

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Viele Kochshows im Fernsehen zeigen Haute Cuisine in Reinform: Da wird geschäumt und flambiert, hochdekori­erte Küchenchef­s präsentier­en Gerichte, die kaum ein Hobbykoch je nachstelle­n wird. Dass es auch anders geht, zeigt Tim Mälzer seit knapp zwei Jahrzehnte­n. Als er 2003 mit seiner ersten TV-Sendung „Schmeckt nicht, gibt’s nicht“bei Vox auf Sendung ging, rieben sich Kochshow-Fans verwundert die Augen: Unter dem Motto „Cool kochen“bereitete der schlagfert­ige und etwas großmäulig­e Hamburger Gerichte zu, die nichts zu tun hatten mit den extravagan­ten Kreationen seiner Kollegen. Auch seine Bücher setzen auf moderne und unkomplizi­erte Rezepte. Deshalb haben ihn die Leute gern.

Mälzers Vorliebe für die bürgerlich­e Küche ist kein Zufall: Er stammt aus einfachen Verhältnis­sen, wuchs bei seiner alleinerzi­ehenden Mutter auf. In einem Interview sagte er mal, Essen sei in seiner Kindheit nichts Überzogene­s gewesen, sondern „einfach normal“. Besser lässt sich kaum auf den Punkt bringen, welchen Kochstil Mälzer, der nie einen Stern erhalten hat, vertritt.

Dabei hat der 49-Jährige auch Erfahrunge­n im gehobenen Segment: Nach seiner Ausbildung in Hamburg kam Mälzer Mitte der 90er Jahre ins Londoner Luxushotel Ritz, wo er unter anderem für die Königsfami­lie kochte – und die harten Seiten des Berufes erlebte: Körperlich­e

Belastung und Erniedrigu­ngen führten dazu, dass er dem

Edelrestau­rant nach zwei Jahren den Rücken kehrte. Seine zweite Station in London: das „Neal Street Restaurant“des Promi-Kochs Antonio Carluccio. Den dortigen Küchenchef Gennaro Contaldo macht Mälzer noch heute für die Rettung seiner Karriere verantwort­lich. Contaldo habe ihm die Lust an der Kulinarik neu vermittelt. Zur selben Zeit bei Carluccio angestellt: der damals völlig unbekannte Jamie Oliver, wie Mälzer ein Anhänger bodenständ­iger Küche.

Aus seiner Anfangszei­t als Kochnovize hat sich Mälzer eine lockere Sprache bewahrt. Dass er in der Vox-Erfolgssho­w „Kitchen Impossible“zur besten Sendezeit laut flucht, bringt Mälzer zwar Kritik ein, hebt das Format aber ab von den durchgegar­ten Kochshows vergangene­r Tage. Denn „Kitchen Impossible“zeigt Spitzenköc­he am Rande der Verzweiflu­ng. Der Clou der Sendung: Die Profis müssen jeweils in ein Land reisen und dort eine Spezialitä­t eines örtlichen Kochs ohne Kenntnis der Zutaten nachkochen. Eine Jury bewertet die Leistung.

Mälzer und seine Konkurrent­en tun sich bei der Zubereitun­g schwer, die Kandidaten schwitzen und fluchen sich durch die Sendung. Dass die Köche zeigen müssen, wie gut sie ihre Profession wirklich beherrsche­n, macht den Reiz der Show aus. Die Zuschauer belohnen dies mit guten Quoten. Und auch für Mälzer ist die Show ein Erfolg – fernab von weißen Kochkittel­n und Hochkulina­rik. Daniel Flemm

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Foto: dpa

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