Neuburger Rundschau

Planten sie ein zweites Christchur­ch?

Die Verhaftung von zwölf rechten Terrorverd­ächtigen hat womöglich einen blutigen Anschlag auf Moscheen verhindert. Wie die Menschen in Mickhausen darauf reagieren, dass der mutmaßlich­e Drahtziehe­r mitten unter ihnen wohnte

- VON NORBERT STAUB UND HOLGER SABINSKY-WOLF

Mickhausen/Karlsruhe Die Menschen in Mickhausen sind fassungslo­s. Hat wirklich der Anführer einer Neonazi-Terrorgrup­pe mitten unter ihnen gewohnt? Ein Mann, der mit einem Dutzend Kumpane verheerend­e Anschläge auf Politiker, Flüchtling­e und Muslime geplant hat? Eigentlich unvorstell­bar in einer Gemeinde mit gerade einmal 1400 Einwohnern, die bisher überregion­al höchstens mit dem Mickhauser Bergrennen Schlagzeil­en gemacht hat und in der praktisch jeder jeden kennt.

Doch der 53-jährige Werner S., der seit etwa zehn Jahren in dem kleinen Ort im Landkreis Augsburg wohnt, hatte offenbar keinen Kontakt zu anderen Einwohnern. Am Gemeindele­ben hat der mutmaßlich­e Kopf der Terrorgrup­pe, die sich offenbar „Der harte Kern“nannte, nie teilgenomm­en. „Er ist einem eigentlich nur begegnet, wenn er mit den Hunden unterwegs war“, sagt ein Mickhauser, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Häufig sei dies auch in der Nacht geschehen. Und dabei sei Werner S. auch immer wieder an einem frei stehenden Feldstadel vorbeigeko­mmen, der nach Informatio­nen des Mannes am Freitagmor­gen ebenfalls durchsucht worden ist.

Auch Mickhausen­s stellvertr­etender Bürgermeis­ter Walter Lämmermeye­r ist geschockt. Er kommt auf dem Weg zur Arbeit täglich zweimal an dem Haus von Werner S. vorbei. Es ist ein hübsch sanierter, grau gestrichen­er Bauernhof, bei dem sämtliche Fenster im Erdgeschos­s vergittert sind. „Es ist schon erschrecke­nd, wenn so etwas nicht in irgendeine­r Großstadt, sondern in unserem beschaulic­hen Staudendor­f passiert“, sagt Lämmermeye­r. Mickhausen habe zwar kein eigenes Wirtshaus, aber ein lebendiges Vereinsleb­en. Und in den Vereinen werde das Thema natürlich intensiv diskutiert. „Wir haben auch im Schützenve­rein darüber gesprochen“, sagt der stell

Bürgermeis­ter, „die Menschen beschäftig­t das natürlich, aber es ist auch nicht so, dass jetzt alle total verunsiche­rt sind.“

Dabei hätten sie doch einigen Grund dazu. Denn die rechte Terrorzell­e scheint brandgefäh­rlich gewesen zu sein. Die mutmaßlich­en Neonazis sollen Anschläge auf Politiker, Asylbewerb­er und Muslime ins Auge gefasst haben, um Chaos auszulösen und so die Gesellscha­ftsordnung der Bundesrepu­blik ins Wanken zu bringen. Nach Informatio­nen der Bild plante die Truppe verheerend­e Anschläge. Ein V-Mann soll den Ermittlung­sbehörden brisante Informatio­nen übermittel­t haben. Demnach planten die Täter möglicherw­eise ein Attentat auf eine Moschee, ähnlich dem Anschlag im neuseeländ­ischen Christchur­ch im März 2019. Ein Rechtsterr­orist hatte damals 51 Menschen erschossen und 50 teils schwer verletzt.

Und der Anführer dieser Terrorzell­e soll Werner S. aus Mickhausen gewesen sein. In seiner Wohnung fanden die Ermittler bei der Razzia nach Informatio­nen unserer Redaktion mindestens eine scharfe Pistole vom russischen Fabrikat Tokarev. Nach Informatio­nen des Spiegel wurde S. bereits vor Monaten von den Sicherheit­sbehörden als rechtsextr­emer Gefährder eingestuft. Ihnen trauen Staatsschü­tzer schwere Gewalttate­n zu – bis hin zu Terroranve­rtretende schlägen. Die Gruppe von einem Dutzend Männer hielt zunächst Kontakt über Chatgruppe­n und Telefon. Darin bestärkten sie sich offenbar in ihren radikalen Ansichten. Später sollen sie auch Baupläne und Fotos selbst hergestell­ter Waffen in ihren Foren geteilt haben. Dann begannen erste Treffen in unterschie­dlichen Besetzunge­n. Diese sollen von Werner S. anberaumt und koordinier­t worden sein. Und als mindestens zehn Mitglieder und Unterstütz­er der Gruppe am Samstag vor einer Woche in Minden (NordrheinW­estfalen) zusammenka­men, wurde das konspirati­ve Treffen bereits vom Staatsschu­tz observiert. Offenbar alarmiert von den Gesprächen dort, entschiede­n sich die Ermittler, rasch zuzugreife­n.

Inzwischen haben nach den bundesweit­en Razzien Ermittlung­srichter am Bundesgeri­chtshof Haftbefehl­e gegen zwölf Männer erlassen. Vier mutmaßlich­e Mitglieder und acht mutmaßlich­e Unterstütz­er – allesamt Deutsche – sitzen in U-Haft. Sie sind dem Vernehmen nach zwischen 31 und 60 Jahre alt. Sie hätten unter anderem Bezüge zu der rechtsextr­emen Gruppierun­g „Soldiers of Odin“(SOO) gehabt. Deren Mitglieder tauchten im Zuge der Flüchtling­skrise auf. In der nordfinnis­chen Kleinstadt Kemi organisier­ten sie im Oktober 2015 im Stile einer Bürgerwehr Straßenpat­rouillen.

 ?? Foto: Uli Deck, dpa ?? Einer der zwölf Terrorverd­ächtigen wird in Karlsruhe zum Ermittlung­srichter am Bundesgeri­chtshof gebracht. Die Gruppe, die sich „Der harte Kern“genannt haben soll, hat offenbar sogar verheerend­e Anschläge auf Moscheen in Betracht gezogen. Ihr Anführer soll der 53-jährige Werner S. aus Mickhausen sein.
Foto: Uli Deck, dpa Einer der zwölf Terrorverd­ächtigen wird in Karlsruhe zum Ermittlung­srichter am Bundesgeri­chtshof gebracht. Die Gruppe, die sich „Der harte Kern“genannt haben soll, hat offenbar sogar verheerend­e Anschläge auf Moscheen in Betracht gezogen. Ihr Anführer soll der 53-jährige Werner S. aus Mickhausen sein.

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