Neuburger Rundschau

Weidels Flirt mit dem „Flügel“

Sie lobt Höcke, lässt seinen Anhängern aber keine Chance

- VON PETER REINHARDT

Böblingen Alice Weidel scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. Mit stoischer Ruhe sitzt die Chefin der AfD-Bundestags­fraktion in der ersten Reihe, bis die gut 1000 Mitglieder endlich im Saal sind und der Landespart­eitag mit einstündig­er Verzögerun­g beginnt. Von der wachsenden Nervosität um sie herum lässt sich die 41-Jährige nicht anstecken. Vier Stunden später ist sie mit 54 Prozent der Stimmen zur neuen Vorsitzend­en der badenwürtt­embergisch­en AfD gewählt. Ihr Gegenspiel­er, der Bundestags­abgeordnet­e Dirk Spaniel, bringt es nur auf 41 Prozent, fällt auch bei der Wahl der Stellvertr­eter durch. Das Weidel-Lager gewinnt alle Kampfabsti­mmungen um die vier Posten der engeren Parteiführ­ung. Es ist ein Durchmarsc­h der Gemäßigten, für die Anhänger des völkisch-nationalis­tischen „Flügel“, zu denen auch Spaniel gerechnet wird, ist das Treffen in Böblingen ein Desaster.

Schon vor drei Jahren wollte Weidel, die einen Wohnsitz in Überlingen am Bodensee hat, AfD-Landeschef­in werden. Nach einer schlechten Rede verlor sie gegen den ziemlich unbekannte­n Ralf Özkara, einem Vertrauten des Bundesvors­itzenden Jörg Meuthen. Özkara hat 2019 die AfD mit der Begründung, „die Partei wird von Idioten geleitet“, verlassen. Als „schlafende­n Riesen“beschreibt Weidel den Landesverb­and. Den müsse man nur wecken, dann seien auch im Südwesten Ergebnisse wie im Osten mit mehr als 20 Prozent möglich. Die AfD sei ein Fels geworden, an dem die anderen Parteien wie Nussschale­n

zerschelle­n würden. Dafür erntet sie auch ein paar „Buhs“.

Den Thüringer AfD-Chef und Anführer des völkisch-nationalis­tischen „Flügels“, Björn Höcke, lobt Weidel in den höchsten Tönen: „Was er letzte Woche geschafft hat, das hat noch keiner vor ihm geschafft. Dafür gebührt ihm der höchste Respekt.“Den „Flügel“bewertet Weidel nach ihrer Wahl als „ganz wichtige Strömung in der Partei“. Dieser Teil der Partei müsse eingebunde­n werden.

Natürlich weiß Weidel, wie stark das rechtsextr­eme Lager auch in der Südwest-AfD ist. Insider weisen darauf hin, dass es im letzten Jahr erhebliche Verschiebu­ngen in der Mitgliedsc­haft gegeben habe. Gemäßigte mit bürgerlich­em Hintergrun­d hätten die AfD verlassen, gesellscha­ftlich Abgehängte seien verstärkt eingetrete­n. Nach dem personelle­n Aderlass in der einst 23-köpfigen Landtagsfr­aktion haben dort die „Flügel“-Anhänger eine klare Mehrheit.

Der im Machtkampf unterlegen­e Spaniel macht aus seiner tiefen Enttäuschu­ng keinen Hehl. „Das war keine Personenwa­hl. Das ist ein stabiles Netzwerk“, sagt er. Das Lager Weidels sei besser organisier­t gewesen. Auf die Frage, ob Weidel den seit Monaten durch internen Streit gelähmten Landesverb­and befrieden könne, hat er eine klare Meinung: „Nein. Das können Sie vergessen.“Schon am Dienstag wird der Streit weitergehe­n, wenn sich der AfD-Bundesvors­tand mit Ordnungsma­ßnahmen gegen Spaniel beschäftig­t.

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Foto: Marijan Murat, dpa Alice Weidel.

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