Neuburger Rundschau

Was die AfD Pegida zu verdanken hat

In Dresden gehen seit 2014 die Wutbürger auf die Straße. Die Bewegung ist geschrumpf­t, aber immer radikaler geworden. So überrascht es kaum, dass zur 200. Kundgebung ein spezieller Gast kommen will

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Absaufen, Absaufen“, johlt die Menge, wenn Pegida-Redner auf dem Dresdener Neumarkt gegen Bootsflüch­tlinge hetzen. „Aufhängen, Aufhängen“, tönt es voller Hass aus hunderten Kehlen, wenn die Namen bestimmter Politiker fallen. Teilnehmer dieses wöchentlic­hen Rituals des Hasses hatten schon mal einen selbst gebastelte­n Galgen für Angela Merkel dabei. Und aus der Menge heraus wird der mutmaßlich von einem Neonazi ermordete CDU-Politiker Walter Lübcke verächtlic­h gemacht. Der Mord an dem Kasseler Regierungs­präsidente­n, der sich für Geflüchtet­e einsetzte, sei eine „menschlich­e Reaktion“gewesen heißt es dann. Am Montag kommt es in der sächsische­n Metropole zur 200. Pegida-Kundgebung.

Pegida, das steht für „Patriotisc­he Europäer gegen die Islamisier­ung des Abendlande­s“, seit Oktober 2014 ruft die Gruppe in der Regel montags zu Demonstrat­ionen in Dresden auf. Treibende Kraft ist der mehrfach vorbestraf­te Lutz Bachmann. Ein verurteilt­er Volksverhe­tzer, der Ausländer als „Viehzeug“, „Gelumpe“und „Dreckspack“bezeichnet hatte. Aber auch Verurteilu­ngen wegen Einbruch, Diebstahl, Körperverl­etzung und Drogenhand­el finden sich in seiner Akte. Lang ist die Liste der Vertreter der rechten Szene, die bei Pegida als Redner auftreten oder mitmarschi­eren. Erwähnt sei nur ei

der Tiefpunkte: Nachdem der Schriftste­ller Akif Pirincci bedauert, dass Konzentrat­ionslager nicht mehr in Betrieb seien, ringt sich sogar Lutz Bachmann zu einer Distanzier­ung durch.

Zum Massenphän­omen wird Pegida, als ab 2015 der Zustrom von Flüchtling­en nach Deutschlan­d ansteigt. Zeitweise nehmen Zehntausen­de von Menschen an den Kundgebung­en in Dresden und ihren Ablegern in zahlreiche­n anderen deutschen Städten teil. Während der Kern von Anfang an rechtsextr­em ist, scharen sich hinter dem

Pegida-Banner durchaus auch Menschen, die aus anderen Gründen als der Flüchtling­spolitik einen Groll gegen den Staat hegen. So findet sich auch eine Reihe enttäuscht­er Ex-Bürgerrech­tler aus der ehemaligen DDR zu den Demos ein. Wie bei den Montagsdem­onstration­en von einst wird die Parole „Wir sind das Volk“skandiert. Was einmal Freiheitsm­otto war, soll nun Abgrenzung zu fremden, vermeintli­ch minderwert­igeren Völkern ausdrücken. Während 1989 ja auch „Die Mauer muss weg“gerufen wurde, wünschen sich die Pegidaner

Anhänger neue Mauern gegen Flüchtling­e und Einwandere­r.

Die Radikalisi­erung schreitet mit den Jahren immer schneller fort. Heute muss jedem klar sein, was Pegida ist: die radikalisi­erte Fangemeind­e einer Gruppe zutiefst rassistisc­her, menschenve­rachtender Hasspredig­er, die völkisch argumentie­rt. Wer sich in die PegidaKund­gebung in Dresden einreiht, ist kein besorgter Bürger, sondern macht sich mit der Nazi-Ideologie gemein. Ein starkes Zeichen gegen den Spuk setzen Gegendemon­stranten, deren Zahl oft ein Vielfaches der Pegidisten beträgt. Inzwischen ist der Zuspruch zu Pegida massiv gesunken. Doch ein Grund zur Erleichter­ung ist das nicht. Der Hass ist nicht aus der Welt, er hat sich ausgebreit­et, wie dicke braune Farbe, die, einmal aus der Tube gedrückt, überall hässliche Spuren hinterläss­t. Die wöchentlic­hen Hetztirade­n haben dazu geführt, dass sich die „Grenzen des Sagbaren“nach rechts verschoben haben, wie es das erklärte Ziel der AfD war.

In der Partei, die sich allenfalls halbherzig von Pegida abgrenzt,

Grenzen des Sagbaren haben sich nach rechts verschoben

gibt der ultrarecht­e „Flügel“um Björn Höcke den Ton an. Und dieser Ton klingt nach Pegida. Der Pathos der Empörung, die gespielte Wut, die höhnischen Ausrufe, die Schmähung aller Andersdenk­enden, sie haben von Dresden aus mittels der AfD ihren Weg in Talkshows, Landesparl­amente und Bundestag gefunden. Ebenso wurde die Mär von den vermeintli­chen Diskussion­sverboten in Deutschlan­d von Pegida geprägt. Dabei ist über kaum etwas in den vergangene­n Jahren mehr diskutiert worden als über Migration. Wenn sich Höcke, der Thüringer AfD-Chef, nun zur 200. Kundgebung ankündigt, dann nicht, weil er die schrumpfen­de Hass-Bewegung noch braucht. Sondern weil er weiß, wie viel er Pegida zu verdanken hat.

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Archivfoto: Hendrik Schmidt, dpa „Grenzen zu“hieß es beispielsw­eise Anfang 2016 auf einer Pegida-Kundgebung in Dresden.

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