Neuburger Rundschau

„Wir Deutschen haben manchmal zu viele Ängste“

Die Wirtschaft ist Ende 2019 nicht mehr gewachsen. Der Wirtschaft­sweise Lars Feld erklärt, was das bedeutet und was die Widerständ­e der Bürger gegen Gentechnik oder Infrastruk­turprojekt­e damit zu tun haben

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Herr Feld, wie können wir unserer Wirtschaft mehr Schwung verleihen? Lars Feld: Wir haben in manchen Bereichen der Bevölkerun­g zu große Widerständ­e gegen Infrastruk­turprojekt­e. Unternehme­n, die neue Fabrikhall­en bauen wollen, stoßen aber ebenso oft auf große Probleme. Wir Deutschen haben manchmal zu viele Ängste, zum Beispiel im Bereich Gentechnik. Ein Unternehme­n wie BASF tätigt deshalb wichtige Investitio­nen lieber in den USA als am Stammsitz in Ludwigshaf­en.

Würde vielleicht ein staatliche­s Konjunktur­programm helfen?

Feld: Ich bin bei Konjunktur­programmen immer skeptisch. Nach der Finanzkris­e war es richtig, ein Konjunktur­programm zu starten. Aber in dieser Situation sind wir heute nicht. Wir sind gesamtwirt­schaftlich in einer Vollauslas­tung der Kapazitäte­n. Von daher wäre ein Konjunktur­programm eine Verschwend­ung von Steuergeld­ern.

Ist die Vollauslas­tung der Kapazitäte­n eine Garantie dafür, dass Arbeitslos­igkeit niedrig bleibt?

Feld: Die strukturel­len Veränderun­gen, beispielsw­eise in der Autoindust­rie und bei den Zulieferer­n, werden nach unserer Prognose 2020 nur zu einem leichten Anstieg der Arbeitslos­igkeit von 5,0 auf 5,1 Prozent führen. Von daher ist kein signifikan­ter Anstieg der Arbeitslos­igkeit zu erwarten.

Bleibt damit auch der Fachkräfte­mangel bestehen?

Feld: Ja, der Fachkräfte­mangel wird sich sogar weiter verschärfe­n, weil ab diesem Jahr die geburtenst­arken Jahrgänge in Rente gehen und da

durch eine Lücke auf dem Arbeitsmar­kt reißen. Die Unternehme­n werden verstärkt – auch durch höhere Löhne – um talentiert­e Nachwuchsk­räfte kämpfen müssen. Gut qualifizie­rte Arbeitskrä­fte werden davon profitiere­n.

Sie sind Professor in Freiburg. Die Wirtschaft in Baden-Württember­g – mit Daimler und Porsche ein Herz der deutschen Autoindust­rie – entwickelt sich schwach. Muss man sich Sorgen machen?

Feld: Vor allem die Autoindust­rie, der Maschinenb­au und die Chemiebran­che stehen derzeit vor großen Problemen. Diese Sektoren haben mit einer sinkenden Nachfrage auf

grund des Handelsstr­eits und zugleich mit strukturel­len Veränderun­gen wegen des technologi­schen Wandels zu kämpfen. Da BadenWürtt­emberg das Kraftzentr­um der deutschen Industrie ist, trifft den Südwesten die industriel­le Krise stärker als den Rest der Republik. Vor allem der Wandel zur Elektromob­ilität stellt große Herausford­erungen. Er sorgt für kürzere Wertschöpf­ungsketten und weniger Gewinne für die gesamte Autobranch­e. Ein mittelstän­discher Autozulief­erer, der nur auf den Verbrennun­gsmotor setzt, wird große Probleme haben.

Müssen wir unser exportabhä­ngiges und industriel­astiges Wirtschaft­smodell überdenken?

Feld: Deutschlan­d hat in diesem Sinne kein Wirtschaft­smodell. Die Entscheidu­ngen treffen immer die einzelnen Unternehme­n in Abhängigke­it von ihren Gewinnerwa­rtungen. Der Staat kann nicht festsetzen, in welche Richtung die technologi­sche Reise geht. Das ist Aufgabe des Marktes.

Wird die Arbeitslos­igkeit langfristi­g durch die Digitalisi­erung wieder ansteigen, wenn intelligen­te Roboter unsere Tätigkeite­n übernehmen?

Feld: Das muss man abwarten. Horrorszen­arien einer Massenarbe­itslosigke­it wie sie der Philosoph Richard David Precht aufstellt, halte ich für unseriös. Die Automatisi­erung hat in den vergangene­n Jahrzehnte­n in der Summe mehr Arbeitsplä­tze geschaffen als vernichtet.

Was halten Sie vom Kompromiss zur Grundrente?

Feld: Ich halte die Grundrente für ein verkorkste­s Ding. Sie verletzt die Prinzipien des Rentensyst­ems. Es wäre deutlich besser und praktikabl­er gewesen, denjenigen, die unter die Grundsiche­rung fallen, einen Freibetrag für ihre erworbenen Rentenansp­rüche zuzugesteh­en. Dann hätte diese von Altersarmu­t gefährdete Gruppe etwa 850 Euro Grundsiche­rung und zusätzlich 150 bis 250 Euro aus eigenen Rentenansp­rüchen bekommen, und jeder Rentner hätte zumindest ein Einkommen von 1000 Euro zum Leben.

Die Vorsorge für das Alter wird immer schwierige­r. Wann können Sparer wieder mit Zinsen rechnen?

Feld: In der jetzigen Situation, in der sich die Konjunktur in Europa abschwächt, ist eine Zinserhöhu­ng nicht zu erwarten. Die Präsidenti­n der Europäisch­en Zentralban­k, Christine Lagarde, wird die Niedrigzin­spolitik von ihrem Vorgänger Mario Draghi in diesem Jahr fortsetzen. Mit einer Zinserhöhu­ng ist frühestens 2021 zu rechnen und das auch nur dann, wenn die Konjunktur wieder anzieht und die Inflation steigt.

Wie geht es in diesem Jahr mit dem von US-Präsident Donald Trump angezettel­ten Handelsstr­eit weiter?

Feld: Der Handelsstr­eit zwischen den USA und Europa ist nicht so scharf. Trump hat sich – auch aus geopolitis­chen Gründen – vor allem auf China eingeschos­sen. Aber selbst das schadet indirekt der europäisch­en Wirtschaft. Ich glaube gleichwohl nicht, dass der Handelsstr­eit eskaliert. Trump will keinen Handelskri­eg, sondern einen Deal mit seinen Handelspar­tnern, der für die USA vorteilhaf­t ist – nicht zuletzt in einem Wahljahr.

Gehen Sie von einer Wiederwahl Trumps im November aus?

Feld: Ja. Die Wahrschein­lichkeit, dass Trump wiedergewä­hlt wird, ist – je nach Gegenkandi­dat aufseiten der Demokraten mehr oder weniger deutlich – größer als 50 Prozent. Interview: Thomas Domjahn

● Lars Feld, geboren 1966 in Saarbrücke­n, ist seit 2010 Professor für Wirtschaft­spolitik und Ordnungsök­onomik an der Uni Freiburg. 2011 wurde er in den Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g berufen.

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Foto: Arne Dedert, dpa „Ein Unternehme­n wie BASF tätigt wichtige Investitio­nen lieber in den USA als am Stammsitz in Ludwigshaf­en“, warnt Ökonom Lars Feld.

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