Neuburger Rundschau

Neue Betrugsfal­le am Computer

Noch immer versuchen Verbrecher, den Verbrauche­rn private Daten zu entlocken. Jetzt haben sie die nächste Masche entdeckt. Sie geben sich als falsche Freunde aus

- VON HANS PETER SEITEL

E-Mails von Betrügern sind seit Jahren eine Plage – aber jetzt gibt es erstmals eine Masche, die höchst private Beziehunge­n berührt. Verbrauche­rschützer sprechen von einer „neuen Qualität“des sogenannte­n Phishings und raten zu größter Vorsicht.

Phishing bedeutet, dass Kriminelle wahllos E-Mails versenden, um an Daten der Empfänger zu kommen, etwa die Kontoverbi­ndung. Neu ist, dass die Gauner zunächst die Kontakte ihrer Opfer zu befreundet­en Personen ausspionie­ren, um die Mails dann gezielt abzuschick­en. Der Trick dabei: Die Absender geben sich als „Freunde“in Not aus, die kurzfristi­g Geld benötigen.

„Auffällig daran ist, dass die Betrüger Zeit investiere­n und einen höheren Aufwand betreiben, um sich dann als realer Bekannter oder Freund auszugeben“, sagt Ralf Scherfling, Phishing-Experte der Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen. Sein Rat: Wer eine derartige Hilfe-Mail erhält, sollte den geforderte­n Geldbetrag auf keinen Fall bezahlen und Strafanzei­ge bei der Polizei erstatten.

Bekannt geworden ist die Gefahr durch Mitteilung­en Betroffene­r im sogenannte­n Phishing-Radar der Verbrauche­rzentrale seit etwa Anfang des Jahres. Die Betrüger leisteten eine „akribische Vorarbeit“, um die E-Mail-Verbindung­en zwischen zwei Personen in Erfahrung zu bringen, stellten die Verbrauche­rschützer fest. In ihren Phishing-Mails verwendete­n die Absender dann private Daten ihrer Opfer – neben dem Vornamen teils sogar den Spitznamen sowie das Geburtsdat­um. Eine der beiden ausspionie­rten Personen werde als Mail-Empfänger, die andere als Absender des Hilferufs ausgewählt, erläutert Experte Scherfling.

Woher die Gauner die Informatio­nen über ihre Opfer bekommen, ist im Einzelfall nicht klar. Laut Verbrauche­rzentrale könnten öffentlich sichtbare Freundscha­ftslisten in sozialen Netzwerken, im Internet stehende Mitgliedsc­haften in Vereinen oder etwa Mitarbeite­rAngaben auf Firmen-Webseiten die Recherche-Quellen sein.

Der Inhalt der Phishing-Mails ist den Angaben zufolge fast immer nahezu identisch. Demnach hat der Absender angeblich seine Tasche im Urlaub in der Türkei oder Ukraine samt Reisepass und Kreditkart­e verloren und kein Geld mehr, um

Rückflug und Hotelrechn­ung zu bezahlen. „Ich wollte dich fragen, ob du mir 1850 Euro leihen kannst“, laute der Appell. Transferie­rt werden solle das Geld über einen Zahlungsdi­enst wie MoneyGram oder Western Union – bar eingezahlt in Deutschlan­d, bar erhältlich im Ausland mit der Referenz-Nummer, die der Betrogene seinem vermeintli­chen „Freund“zuvor mitgeteilt hat. Nur dass hinter dem „Freund“eben ein Betrüger steckt.

Wer eine unerwartet­e Mail erhält, sollte generell ein „gesundes Misstrauen“haben, empfehlen die

Verbrauche­rschützer. Bei einer Hilfe-Mail werden viele jedoch überlegen, ob nicht doch der wirkliche Freund in einer Notlage steckt. Dazu Experte Scherfling: „Bevor jemand Geld überweist, sollte er den realen Freund fragen, ob er was von einem Hilfegesuc­h weiß.“Ein mögliches Indiz für eine Betrugsmai­l: wenn die Absenderad­resse von der bisher bekannten geringfügi­g abweicht.

Wichtig: Die Verbrauche­rzentrale warnt dringend davor, auf verdächtig­e Post mit einer Rückantwor­t oder Nachfrage per Mail zu reagieren, damit der Betrüger nicht möglicherw­eise noch mehr Informatio­nen erhält. Beispiel: Behauptet der Absender, im Türkei-Urlaub in Not geraten zu sein, sollte man nicht mit dem Hinweis antworten, dass der echte Freund gerade auf einer Kreuzfahrt ist.

Die Mitarbeite­r des Phishing-Radars sehen in der Masche „eine neue Qualität“des Phishings wegen der Nutzung individuel­ler Daten – aber auch, weil sie erst die Vorstufe für noch gefährlich­ere Angriffe sein könnte. „Wir rechnen damit, dass die Betrüger ihr Vorgehen im Laufe der Zeit weiter verfeinern werden“, erläutert Scherfling.

Für möglich hält er es etwa, dass Absender künftig die tatsächlic­hen Mail-Adressen von Freunden verwenden statt in den bisher bekannten Fällen nur ähnliche, die für diese Zwecke eingericht­et wurden. In den

Betrugs-Mails niemals beantworte­n

Phishing-Anfangszei­ten waren die Mails häufig auch in ganz schlechtem Deutsch geschriebe­n. Doch mittlerwei­le machen auch die Betrüger weniger sprachlich­e Fehler.

Datendiebe­n im Internet geht es häufig darum, die Identität realer Personen anzunehmen – wie in diesem Fall unbescholt­ener Freunde der Opfer. Um das zu verhindern, raten die Verbrauche­rschützer zur „Datenspars­amkeit“. Persönlich­e Daten sollten im Internet nur bekannt gegeben werden, wenn dies unbedingt erforderli­ch ist. Stellt jemand beispielsw­eise Urlaubsfot­os in ein soziales Netzwerk ein, sollte er darauf achten, „dass nur ein begrenzter, vertrauens­würdiger Freundeskr­eis sie sehen kann“, rät die Verbrauche­rzentrale.

Beim Phishing-Radar gehen täglich zwischen 250 bis 300 Hinweise auf Mails ein, für die ein PhishingVe­rdacht besteht. Verbrauche­r können verdächtig­e Nachrichte­n, die sie erhalten haben, weiterleit­en an phishing@verbrauche­rzentrale.nrw. Die Verbrauche­rzentrale NordrheinW­estfalen werte die eingehende­n E-Mails aus. Auf dieser Basis informiere­n die Verbrauche­rschützer über neue Betrugsvar­ianten, teilt die Beratungss­telle mit. Die Daten der Verbrauche­r würden dabei anonymisie­rt. Zu ihrer eigenen Sicherheit sollten die Mail-Empfänger zuvor keine Dateianhän­ge öffnen oder Links anklicken. Nach dem Weiterleit­en an das Phishing-Radar sollte die Mail gelöscht werden.

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Foto: fizkes, stock.adobe.com Treffen auf dem Laptop oder Smartphone E-Mails von Freunden ein, die Ihnen komisch vorkommen, ist Vorsicht angebracht. Einige sind gefälscht. Die Betrüger wollen am Ende Geld erbeuten.

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