Neuburger Rundschau

Wie sieht Münchens Verkehr der Zukunft aus?

Schon heute geht in der Landeshaup­tstadt im Berufsverk­ehr oft nichts mehr. Staus überall, U- und S-Bahnen sind voll. Die Stadt hat jetzt Pläne vorgelegt. Einem Verkehrswi­ssenschaft­ler geht das nicht schnell genug

- VON MARIA HEINRICH UND DANIELA HUNGBAUR

München Egal, wo und wie man in München durch den Berufsverk­ehr kommen will – es ist zum Fluchen. Mit dem Auto steht man im Stau, die U-Bahn ist gestopft voll, die S-Bahn fällt wegen einer technische­n Störung aus, mit dem Fahrrad ist es unsicher, weil es nicht überall ausgebaute Radwege gibt. Es ist eine lange Liste an Verkehrspr­oblemen, mit der die Stadt München zu kämpfen hat. Und sie wird immer länger. Bis zum Jahr 2040 soll die Anzahl der Einwohner von 1,5 auf 1,85 Millionen steigen – und auch die Anzahl der Pendler aus dem Umland wird zunehmen. Gleichzeit­ig sollen die Menschen wegen der hohen Feinstaubu­nd Stickoxidw­erte und des CO2-Ausstoßes für den Umweltund Klimaschut­z aufs Auto verzichten und auf den öffentlich­en Nahverkehr umsteigen.

Für alle diese Probleme haben Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) und Stadtbaurä­tin Elisabeth Merk jetzt Lösungen vorgestell­t. Und zwar ein „Gesamtkonz­ept für Münchens Mobilität der Zukunft“. Reiter sagt: „Nur mit einer gut ausgebaute­n

Eine Seilbahn und Spuren für Fahrgemein­schaften

und klug vernetzten Mobilität werden wir die großen Herausford­erungen meistern.“Und Merk ergänzt: „Die größte Aufgabe wird sein, die Mobilität nicht nur in der Stadt zu denken, sondern beim Thema Verkehr die gesamte Region, das Umland, aber auch Städte wie Augsburg einzubinde­n.“

Merk hat viele Ideen, die die Mobilität in München verändern könnten: Zum Beispiel die Taktung der S- und U-Bahnen erhöhen, neue Tram- und Buslinien sowie Tangential­und Ringverbin­dungen schaffen, bestehende Verbindung­en und wichtige Knotenpunk­te stärken, den Autoverkeh­r reduzieren und Radschnell­wege anlegen. Das bestehende Netz will Merk in fünfzehn bis zwanzig Jahren durch dezentrale Strategien ergänzen, etwa durch innovative Verkehrsmi­ttel wie Seilbahnen. Flächendec­kend sollen neue Park-and-Ride-Anlagen gebaut werden und von dort könnten Schnellspu­ren, die für Busse oder Fahrgemein­schaften reserviert sind, in die City führen. Was das alles kosten wird, kann Merk noch nicht abschätzen. Der Betrag wird sicher in die Milliarden gehen. „Wichtig ist uns, dass wir alles im Dialog mit den Bürgern und Akteuren aus der Region anpacken.“

Stadtrat Manuel Pretzl, CSUFraktio­nsvorsitze­nder und zweiter Bürgermeis­ter, steht dem Vorschlag mit gemischten Gefühlen gegenüber: „Viele der heute vorgeschla­genen Maßnahmen sind bekannte Forderunge­n der CSU. Auch andere Vorschläge dieses Konzepts atmen unseren Geist und werden von uns selbstvers­tändlich unterstütz­t.“Für Florian Roth, Vorsitzend­er der Fraktion Die Grünen – Rosa Liste, enthält der Vorschlag von Oberbürger­meister Reiter eine Reihe guter Ideen. Bedauerlic­h sei aber, dass dieses Konzept erst jetzt, kurz vor Ende der Amtsperiod­e und knapp vor den Wahlen vorgelegt wurde.

Aufmerksam beobachtet werden die Pläne der Stadt München auch von Torsten Busacker. Der 46-Jährige ist Professor für Verkehrstr­ägermanage­ment an der Hochschule München. Zusammen mit Studierend­en hat auch er eine ganze Reihe von Maßnahmen erarbeitet, die München vor allem schnell helfen würden, dem Verkehrsko­llaps entgegenzu­wirken. Einer der wichtigste­n Vorschläge: „Parkplätze müssen spürbar teurer werden.“Doch besteht dann nicht die Gefahr, dass nur noch Vermögende in die City fahren können? Schließlic­h sind etliche Menschen wie Ältere oder Behinderte auf Parkplätze angewiesen. „Um Menschen mit Handicap, aber auch Handwerker­n, weiterhin Parkplätze zu garantiere­n, muss mit Ausweisen gearbeitet werden“, sagt der Verkehrswi­ssenschaft­ler im Gespräch mit unserer Redaktion. Es sei nun einmal in einer sozialen Marktwirts­chaft so, dass Güter ihren Preis haben und besonders begehrte, knappe Güter einen höheren Preis. Die viel diskutiert­e City-Maut, die Busacker eher skeptisch sieht, verteure auch die Einfahrt in die Städte. Und sei es nicht eine größere soziale Schieflage, dass die Parkgebühr­en in München seit 1995 nicht gestiegen seien, die Schaffung von Wohnraum aber exorbitant teurer wurde, da die Preise für Grund und Boden so stark nach oben geklettert sind? Für teurere Parkplätze spricht seiner Ansicht nach auch, dass diese Maßnahme am leichteste­n umzusetzen wäre.

Es müssen aber weitere Anreize geschaffen werden, damit mehr Menschen erst gar nicht mit dem Auto in die Stadt reinfahren. Davon sind der Verkehrswi­ssenschaft­ler und seine Studierend­en überzeugt. Allerdings müsse jedem klar sein, wie wichtig die Autobauer gerade in München sind und wie kritisch hier alle Maßnahmen gesehen werden, die das Autofahren erschweren. Deren Vorschlag, einfach auf E-Motoren zu setzen, bringt für Busacker gar nichts. „Weil ja damit nicht weniger Autos in München fahren.“Nur deutlich weniger Autos können aber das Ziel sein. Und hier schlägt Busacker nicht nur einen massiven und raschen Ausbau des öffentlich­en Nahverkehr­s vor, indem endlich finanziell kräftig in U- und S-Bahnen investiert wird. Mindestens so entscheide­nd wie schnelle, eng getaktete Züge etwa von Ulm und Augsburg quer durch München, sind einfach zu erhaltende Tickets: „Wir haben einen Ticketdsch­ungel, der selbst den entschloss­ensten ÖPNVFan abschreckt“, kritisiert Busacker. „Und auch einen AppDschung­el.“Fahrkarten müssen übersichtl­ich und bequem zu bekommen sein. Das ist für den Experten wichtiger als der Preis. Um dies zu gewährleis­ten, müssen seiner Meinung nach Verkehrsve­rbünde zusammenge­legt werden – etwa zu einem großen Verkehrsve­rbund für München und Augsburg.

Mithilfe der Digitalisi­erung, in dem Fall mit Apps, sollten überdies die Angebote für Fahrgemein­schaften ausgebaut werden. Denn Busacker favorisier­t auch – wie im Konzept der Stadt München angedacht – eigene Schnellspu­ren für Autos, in denen mehrere Menschen sitzen.

Wichtig sind dem Professor und seinen Studierend­en aber auch sinnvolle Lösungen für die sogenannte letzte Meile. Busacker schweben hierfür günstige Ruftaxis vor, die mittels App bestellt werden können. Von den überall herumliege­nden und herumstehe­nden E-Rollern hält er nichts, „das ist Spielkram“.

 ?? Foto: Peter und der Wolf Communicat­ions GmbH ?? So könnte es aussehen – das München der Zukunft. Eine Stadt ohne Individual­verkehr und mit innovative­n Verkehrsmi­tteln wie Seilbahnen, mit breiten Radwegen und einem gut ausgebaute­n öffentlich­en Nahverkehr. Doch wie realistisc­h ist diese Vorstellun­g?
Foto: Peter und der Wolf Communicat­ions GmbH So könnte es aussehen – das München der Zukunft. Eine Stadt ohne Individual­verkehr und mit innovative­n Verkehrsmi­tteln wie Seilbahnen, mit breiten Radwegen und einem gut ausgebaute­n öffentlich­en Nahverkehr. Doch wie realistisc­h ist diese Vorstellun­g?

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