Wie sieht Münchens Verkehr der Zukunft aus?
Schon heute geht in der Landeshauptstadt im Berufsverkehr oft nichts mehr. Staus überall, U- und S-Bahnen sind voll. Die Stadt hat jetzt Pläne vorgelegt. Einem Verkehrswissenschaftler geht das nicht schnell genug
München Egal, wo und wie man in München durch den Berufsverkehr kommen will – es ist zum Fluchen. Mit dem Auto steht man im Stau, die U-Bahn ist gestopft voll, die S-Bahn fällt wegen einer technischen Störung aus, mit dem Fahrrad ist es unsicher, weil es nicht überall ausgebaute Radwege gibt. Es ist eine lange Liste an Verkehrsproblemen, mit der die Stadt München zu kämpfen hat. Und sie wird immer länger. Bis zum Jahr 2040 soll die Anzahl der Einwohner von 1,5 auf 1,85 Millionen steigen – und auch die Anzahl der Pendler aus dem Umland wird zunehmen. Gleichzeitig sollen die Menschen wegen der hohen Feinstaubund Stickoxidwerte und des CO2-Ausstoßes für den Umweltund Klimaschutz aufs Auto verzichten und auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen.
Für alle diese Probleme haben Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Stadtbaurätin Elisabeth Merk jetzt Lösungen vorgestellt. Und zwar ein „Gesamtkonzept für Münchens Mobilität der Zukunft“. Reiter sagt: „Nur mit einer gut ausgebauten
Eine Seilbahn und Spuren für Fahrgemeinschaften
und klug vernetzten Mobilität werden wir die großen Herausforderungen meistern.“Und Merk ergänzt: „Die größte Aufgabe wird sein, die Mobilität nicht nur in der Stadt zu denken, sondern beim Thema Verkehr die gesamte Region, das Umland, aber auch Städte wie Augsburg einzubinden.“
Merk hat viele Ideen, die die Mobilität in München verändern könnten: Zum Beispiel die Taktung der S- und U-Bahnen erhöhen, neue Tram- und Buslinien sowie Tangentialund Ringverbindungen schaffen, bestehende Verbindungen und wichtige Knotenpunkte stärken, den Autoverkehr reduzieren und Radschnellwege anlegen. Das bestehende Netz will Merk in fünfzehn bis zwanzig Jahren durch dezentrale Strategien ergänzen, etwa durch innovative Verkehrsmittel wie Seilbahnen. Flächendeckend sollen neue Park-and-Ride-Anlagen gebaut werden und von dort könnten Schnellspuren, die für Busse oder Fahrgemeinschaften reserviert sind, in die City führen. Was das alles kosten wird, kann Merk noch nicht abschätzen. Der Betrag wird sicher in die Milliarden gehen. „Wichtig ist uns, dass wir alles im Dialog mit den Bürgern und Akteuren aus der Region anpacken.“
Stadtrat Manuel Pretzl, CSUFraktionsvorsitzender und zweiter Bürgermeister, steht dem Vorschlag mit gemischten Gefühlen gegenüber: „Viele der heute vorgeschlagenen Maßnahmen sind bekannte Forderungen der CSU. Auch andere Vorschläge dieses Konzepts atmen unseren Geist und werden von uns selbstverständlich unterstützt.“Für Florian Roth, Vorsitzender der Fraktion Die Grünen – Rosa Liste, enthält der Vorschlag von Oberbürgermeister Reiter eine Reihe guter Ideen. Bedauerlich sei aber, dass dieses Konzept erst jetzt, kurz vor Ende der Amtsperiode und knapp vor den Wahlen vorgelegt wurde.
Aufmerksam beobachtet werden die Pläne der Stadt München auch von Torsten Busacker. Der 46-Jährige ist Professor für Verkehrsträgermanagement an der Hochschule München. Zusammen mit Studierenden hat auch er eine ganze Reihe von Maßnahmen erarbeitet, die München vor allem schnell helfen würden, dem Verkehrskollaps entgegenzuwirken. Einer der wichtigsten Vorschläge: „Parkplätze müssen spürbar teurer werden.“Doch besteht dann nicht die Gefahr, dass nur noch Vermögende in die City fahren können? Schließlich sind etliche Menschen wie Ältere oder Behinderte auf Parkplätze angewiesen. „Um Menschen mit Handicap, aber auch Handwerkern, weiterhin Parkplätze zu garantieren, muss mit Ausweisen gearbeitet werden“, sagt der Verkehrswissenschaftler im Gespräch mit unserer Redaktion. Es sei nun einmal in einer sozialen Marktwirtschaft so, dass Güter ihren Preis haben und besonders begehrte, knappe Güter einen höheren Preis. Die viel diskutierte City-Maut, die Busacker eher skeptisch sieht, verteure auch die Einfahrt in die Städte. Und sei es nicht eine größere soziale Schieflage, dass die Parkgebühren in München seit 1995 nicht gestiegen seien, die Schaffung von Wohnraum aber exorbitant teurer wurde, da die Preise für Grund und Boden so stark nach oben geklettert sind? Für teurere Parkplätze spricht seiner Ansicht nach auch, dass diese Maßnahme am leichtesten umzusetzen wäre.
Es müssen aber weitere Anreize geschaffen werden, damit mehr Menschen erst gar nicht mit dem Auto in die Stadt reinfahren. Davon sind der Verkehrswissenschaftler und seine Studierenden überzeugt. Allerdings müsse jedem klar sein, wie wichtig die Autobauer gerade in München sind und wie kritisch hier alle Maßnahmen gesehen werden, die das Autofahren erschweren. Deren Vorschlag, einfach auf E-Motoren zu setzen, bringt für Busacker gar nichts. „Weil ja damit nicht weniger Autos in München fahren.“Nur deutlich weniger Autos können aber das Ziel sein. Und hier schlägt Busacker nicht nur einen massiven und raschen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs vor, indem endlich finanziell kräftig in U- und S-Bahnen investiert wird. Mindestens so entscheidend wie schnelle, eng getaktete Züge etwa von Ulm und Augsburg quer durch München, sind einfach zu erhaltende Tickets: „Wir haben einen Ticketdschungel, der selbst den entschlossensten ÖPNVFan abschreckt“, kritisiert Busacker. „Und auch einen AppDschungel.“Fahrkarten müssen übersichtlich und bequem zu bekommen sein. Das ist für den Experten wichtiger als der Preis. Um dies zu gewährleisten, müssen seiner Meinung nach Verkehrsverbünde zusammengelegt werden – etwa zu einem großen Verkehrsverbund für München und Augsburg.
Mithilfe der Digitalisierung, in dem Fall mit Apps, sollten überdies die Angebote für Fahrgemeinschaften ausgebaut werden. Denn Busacker favorisiert auch – wie im Konzept der Stadt München angedacht – eigene Schnellspuren für Autos, in denen mehrere Menschen sitzen.
Wichtig sind dem Professor und seinen Studierenden aber auch sinnvolle Lösungen für die sogenannte letzte Meile. Busacker schweben hierfür günstige Ruftaxis vor, die mittels App bestellt werden können. Von den überall herumliegenden und herumstehenden E-Rollern hält er nichts, „das ist Spielkram“.