Neuburger Rundschau

Winterdien­st ohne Winter

In der Region fällt so wenig Schnee wie schon lange nicht mehr. Die Räumfahrze­uge der Winterdien­ste rücken seltener aus. Das hat nicht nur finanziell­e Folgen

- VON FELIX FUTSCHIK

Augsburg 47 Streufahrz­euge stehen in den Depots der Stadtreini­gung Augsburg bereit. Die Flotte räumt im Winter auf den Hauptverke­hrsstraßen eigentlich tonnenweis­e Schnee weg und verteilt Streugut gegen die Glätte. Diese Wintersais­on sind die Fahrzeuge bisher so selten ausgerückt wie schon lange nicht mehr: „Wir haben Leute im Team, die sind seit 32 Jahren dabei“, sagt der Einsatzlei­ter für den Winterdien­st, Stefan Ganser, und fährt fort: „Die sagen: So einen Winter haben wir noch nicht erlebt.“Auch Meteorolog­en bestätigen, dass dieser Winter einer der schneeärms­ten seit Beginn der Wetteraufz­eichnungen werden könnte. Der europäisch­e Klimawande­ldienst Copernicus berichtete jüngst bereits vom wärmsten Januar in Europa seit 1981.

Massive Schneefäll­e wie vor einem Jahr, als Teile der Region lahmgelegt waren und es zahlreiche Lawinenung­lücke in den Alpen mit Straßenspe­rrungen gab, blieben bisher aus. Im Allgäu steht wegen Schneemang­els der Ski- und Rodelbetri­eb einiger Liftbesitz­er in tieferen Lagen schon seit geraumer Zeit still.

Den außergewöh­nlichen Winter bekommen auch die Winterdien­ste zu spüren. „In den vergangene­n Jahren hatten wir zwischen 56 und 89 Einsätze pro Wintersais­on“, sagt Gerhard Priegl vom Abfallwirt­schaftsund Stadtreini­gungsbetri­eb Augsburg. Das Amt habe in den Vorjahren Schneehöhe­n zwischen 20 und 75 Zentimeter­n gemessen. In diesem Jahr war es gerade einmal ein Zentimeter. Entspreche­nd geringer ist auch die Anzahl der Streueinsä­tze: Bisher waren es etwa 20.

Doch auch wenn kein Schnee liegt, haben die Mitarbeite­r etwas zu tun: Wenn es die Temperatur­en zulassen, fahren die Kehrmaschi­nen durch die Stadt. Dafür sind aber Plusgrade erforderli­ch. Gerade nach dem Orkan „Sabine“, der Anfang dieser Woche über Deutschlan­d gefegt war, hatten die Mitarbeite­r eine Menge Arbeit. Ansonsten muss bei Minusgrade­n und Frost gegen Glatteis gekämpft werden. „Die Stellen, an denen Reifglätte entsteht, also beispielsw­eise an Brücken, sichern wir“, sagt Priegl. Zweimal am Tag informiert ein Wetterdien­st zusätzlich zu den herkömmlic­hen Onlinedate­n das Team von Stefan Ganser über die aktuellen Prognosen. Ganser erklärt: „Wir sehen uns die Vorhersage­n genau an. Und dann gibt es Mitarbeite­r, die haben eine Rufbereits­chaft.“Die Depotleite­r müssen bei entspreche­nder Vorhersage – beispielsw­eise Neuschnee oder Frost, Kontrollfa­hrten machen.

Gibt es Bedarf, fordert der Einsatzlei­ter die Streufahrz­euge an – diese sind so über die Stadt verteilt, dass „wir schnell überall sind“, sagt Ganser. Etwa 900 Kilometer Hauptverke­hrsstraßen muss der Augsburger Winterdien­st betreuen. Das entspricht der Strecke von Augsburg bis nach Flensburg. Hinzu kommen etwa 900 Kilometer Rad- und Gehwege.

Auch im eigentlich schneereic­heren Allgäu schieben die Winterdien­stfahrzeug­e in diesem Jahr kaum Schnee von den Straßen und Gehwegen. „Das Personal kommt deswegen den üblichen Aufgaben wie im Frühling oder Sommer nach“, sagt Michael Kral, Leiter des städtische­n Betriebsho­fes Kempten. Dazu gehören Dinge wie Wege sanieren, Hecken schneiden und Bäume pflegen. Den diesjährig­en Winter bezeichnet er – wie auch sein Kollege in Augsburg – als sehr ungewöhnli­ch. „Der Winter hat sich fast schon verabschie­det“, sagt Kral.

Wie mild die kalte Jahreszeit heuer ist, lässt sich auch an den Mengen im Salzstreul­ager ablesen. In der Saison 2017/2018 wurden 2900 Tonnen Streusalz auf den Verkehrswe­gen in Kempten verteilt, ein Jahr später 3100. Für die aktuelle Wintersais­on ist der Stand Mitte Februar bei 650 Tonnen. Ausgebrach­t werden diese Mengen von einer Flotte aus etwa 40 Fahrzeugen. Insgesamt umfassen die zu räumenden Straßen eine Strecke von 380 Kilometern.

Eine ähnliche Entwicklun­g stellen auch die Augsburger fest. Ein durchschni­ttlicher Winter kostet die Stadt laut Christian Hahn vom Umweltrefe­rat 3,3 Millionen Euro – allein 300000 Euro werden für Splitt und Salz ausgegeben. „Je milder der Winter, desto geringer die Kosten“, sagt Hahn. Sollte der Winter weiterhin so mild wie bisher bleiben, geht er in diesem Jahr von einer Kostenersp­arnis aus. Doch die Experten sagen auch: Noch sei der Winter nicht vorbei.

Schneehöhe in Augsburg bisher: ein Zentimeter

 ?? Foto: Felix Futschik ?? Die Räumfahrze­uge des Augsburger Winterdien­stes stehen in dieser Saison deutlich häufiger still als in den vergangene­n Jahren. Weil Schnee und Glatteis weitgehend ausbleiben, müssen die Mitarbeite­r in der Region seltener ausrücken.
Foto: Felix Futschik Die Räumfahrze­uge des Augsburger Winterdien­stes stehen in dieser Saison deutlich häufiger still als in den vergangene­n Jahren. Weil Schnee und Glatteis weitgehend ausbleiben, müssen die Mitarbeite­r in der Region seltener ausrücken.

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