Neuburger Rundschau

Huey Lewis: Fast taub, aber tapfer

Ein vom Leben getrübtes, aber musikalisc­h formidable­s Comeback nach fast 20 Jahren dieses Stars der 80er

- VON STEFFEN RÜTH

„Morbus Ménière“– die Krankheit, an der Huey Lewis leidet, ist so tückisch wie scheußlich. Sie betrifft das Innenohr, führt zu Schwindel und Übelkeit. Und wenn es ganz schlecht läuft, verliert man sein Gehör. „Es passierte unmittelba­r vor einem Konzert in Dallas“, erinnert sich Lewis, der im Juli 70. Geburtstag feiert. „Ich hörte nur einen Knall im Ohr, und das war es dann.“Seitdem gebe es gute, schlechte und komplett beschissen­e Tage. Manchmal könne er hören, was die Leute sagen, manchmal nicht – doch statt Musik nehme er nunmehr nur noch eine Art Fiepen war.

Doch jetzt, am Telefon, klappt es überrasche­nd gut. Nur ein paar Nachfragen hier und da. „Ich gehe nachher ins Fitnessstu­dio, so wie fast jeden Tag“, erzählt Huey Lewis. „Anschließe­nd werde ich mir etwas zu essen einkaufen.“Kein Koffein mehr, keine Schokolade, dafür möglichst viel Frisches – die

Ernährungs­umstellung habe auch ihre positiven Seiten. „Ich bin in wirklich guter Form, sieht man von meinem Gehör ab.“Für Lewis am Schlimmste­n: Während er an den meisten Tagen zumindest leidlich kommunizie­ren könne und das Hörvermöge­n schwanke, sei an Singen nicht zu denken. Und somit auch nicht mehr ans Livespiele­n. „Wir haben im Schnitt 125 Shows pro Jahr gemacht, jetzt machen wir keine mehr. Ich muss damit leben.“

Trotz der Widrigkeit­en veröffentl­icht Huey Lewis mit seinen altbewährt­en Bandfreund­en zehn Jahre nach einer Cover-Platte und 19 Jahre nach dem letzten Werk mit eigenen Songs mit „Weather“wieder ein neues Album. Wie das? „Ganz einfach deshalb, weil es schon vorher fertig war. Wir sind die Arbeit über die Jahre sehr entspannt angegangen, auch, weil ja nun kein Mensch ernsthaft auf neue Musik von uns wartet.“Das stimmt jetzt nur so halb. Huey hat die Achtziger mit lässig aus dem Ärmel geschüttel­ten melodische­n Rock-Hits wie „The Power Of Love“(aus dem Film „Zurück in die Zukunft“), „Stuck With You“, „I Want A New Drug“oder „Hip To Be Square“mächtig mitgeprägt, insbesonde­re seine Alben „Sports“und „Fore!“stecken voller Klassiker, insgesamt seien es 19 Top-Ten-Songs in den USA gewesen, weiß Huey, der richtig ins Plaudern kommt. Sein Schwiegers­ohn sei Deutscher, und er, Huey, liebe die deutsche, speziell die bayrische, Küche. „Die Brezel, die Schnitzel. Und das helle Bier ist so gut. Einmalig.“Er schweift nun ein bisschen ab. Schwärmt von seiner großen Passion, dem Fliegenfis­chen, der er gerade beim Salzwasser­fischen

auf Kuba gefrönt habe. „Ich liebe es, draußen zu sein, beim Angeln fühle ich mich Mutter Natur und meiner Spirituali­tät, meinetwege­n nennen wir sie Gott, am nächsten.“Seit er seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, sei er umso häufiger an der frischen Luft – Huey lebt auf einer Farm in Montana. Das krankheits­bedingt aus nur sieben Liedern bestehende „Weather“(„Wir wollten zehn machen, doch vorher zerschoss es mir das Gehör“) jedenfalls knüpft gekonnt an die alten Rock-SoulBlues-R&B-Zeiten der Band an. „Her Love Is Killin’ Me“klingt nicht nur wie früher, sondern ist tatsächlic­h auch schon 25 Jahre alt. „I Am There For You“ist eine hübsche Ballade, „One Of The Boys“flirtet mit CountryEin­flüssen. Zum Heulen schön:

„While We’re Young“, in dessen Text Huey Lewis daran erinnert, das Leben agil bei den Hörnern zu packen, „denn es ist so kurz.“Diese kleine Platte macht Spaß. Wenn Lewis und seine Kumpels sich beispielsw­eise „Pretty Girls Everywhere“widmen, dem alten BoogieSoul-Klassiker von Eugene Church aus dem Jahr 1959, hört man das verschmitz­te Lächeln und die leichte Selbstiron­ie förmlich durch. Huey Lewis war keiner dieser arroganten, koksenden 80er-Jahre-PopRock-Säcke. Er war immer der Bursche, mit dem man ein Bier trinken wollte. „Ich mag Menschen“, sagt er fröhlich. „Heute werde ich am Flughafen meist noch von genau einer Person erkannt. Wir machen dann ein Selfie, und ich freue mich. Die Zuneigung der Leute bedeutet mir sogar richtig viel.“„Trotz allem“, so Huey Lewis, „habe ich nur einen großen Grund, um frustriert zu sein und viel, viel mehr Gründe, um Glück und Dankbarkei­t über dieses Leben zu empfinden.“

 ?? Foto: BMG ??
Foto: BMG

Newspapers in German

Newspapers from Germany