Die älteste Miss Germany aller Zeiten
Der klassische Schönheitswettbewerb will sich zur modernen Persönlichkeitsschau wandeln. Eine reine Frauen-Jury hat nun die Siegerin gekürt – die ist 35 Jahre alt und die erste Mutter, die den Titel trägt
Rust Leonie Charlotte von Hase steht, als sie zur Gewinnerin erklärt wird, mit Siegerpose auf der Bühne. Die Hände in die Luft gestreckt und zu Fäusten geballt. Umringt von den anderen Frauen, die sich Hoffnung auf den Sieg gemacht haben. „Es ist die Nacht der starken Frauen“, sagt die 35-Jährige, bevor sie die Krone trägt. Die Online-Unternehmerin ist neue „Miss Germany“. Gekürt wurde sie in der Nacht zum Sonntag im Europa-Park in Rust.
„Miss Germany“ist nach den Worten des Veranstalters der älteste und bedeutendste Schönheitswettbewerb in Deutschland, es gibt ihn seit 1927. In diesem Jahr setzte der Veranstalter erstmals sein neues Konzept um. Aus dem klassischen Schönheitswettbewerb sollte eine moderne Persönlichkeitsschau werden, wie Organisator Max Klemmer sagt: „Wir wollen ein Model-Contest fürs digitale Zeitalter sein.“Gesucht werde die zeitgemäße Frau, die für etwas stehe, mit Social Media umgehe und Vorbild sei.
Der Wettbewerb beschränke sich nicht mehr allein auf das Äußere der Bewerberinnen, sagt Klemmer. Nun stünden die Persönlichkeit, der Charakter und die Lebensgeschichte der Frauen im Mittelpunkt. Vorstellungsrunden in Bikini oder anderer Bademode gibt es nicht mehr. Die Frauen präsentieren sich in Abendkleid und Freizeitmode. Stöckelschuhe werden auch mal durch flache Freizeitschuhe ersetzt.
Am Ende steht die Siegerin fest. Von Hase ist laut Klemmer die älteste „Miss Germany“in der Geschichte des Wettbewerbs. Zudem ist sie die erste Mutter, die den Titel trägt. Sie hat einen drei Jahre alten Sohn und lebt mit ihrer Familie in Kiel. Dort betreibt sie einen InternetShop für Vintage-Kleidung.
„Charakter kommt mit Lebenserfahrung“, sagt die Frau mit blonden Haaren und grünen Augen, als sie nach ihrer Vita befragt wird. Geboren und aufgewachsen ist sie in
Namibia. Die Eltern und ihre drei Schwestern leben noch heute dort, ein Teil der Familie ist zur „Miss Germany“-Wahl angereist.
Nach dem Abitur studierte von Hase, die die deutsche Staatsangehörigkeit hat, Marketingstrategie und tourte rund um den Globus. „Ich hatte das Bedürfnis, die ganze Welt kennenzulernen.“Sie lebte in Athen, London, Mailand, Kapstadt und Berlin. Und arbeitete als Werbetexterin, Marketingexpertin, Stylistin und Einkäuferin für ein Design-Start-up.
Als „Miss Germany“wolle sie für die moderne Frau ab 30 stehen, sagt sie. „Ich werde nicht ein Jahr lang eine Schaufensterpuppe sein.“Sie wolle dafür werben, dass Frauen eigenständig und selbstbewusst sein könnten. Auch, was das Outfit betreffe: „Weiblichkeit wird nicht durch Kleidung definiert.“Sie selbst trage am liebsten Hosenanzüge: „Ich brauche kein Kleid, um meine Femininität auszudrücken.“
Als „Miss Germany“erwarten von Hase im nächsten Jahr mehr als 200 Auftritte und Termine. Den Job der Schönheitskönigin muss sie nicht alleine machen. Ihr zur Seite stehen zwei Vize-Königinnen: die Studentinnen Lara Rúnarsson, 22, aus Waldbüttelbrunn bei Würzburg und Michelle-Anastasia Masalis, 23, aus Hamburg. Weiblichen Rückhalt hatten bei dem Wettbewerb alle der 16 Finalistinnen: Die Jury bestand erstmals komplett aus Frauen. Mitglieder waren unter anderem die TV-Moderatorin Frauke Ludowig und die frühere CSU-Politikerin Dagmar Wöhrl aus der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“.
Jürgen Ruf, dpa