Neuburger Rundschau

„Er hat es nicht verdient, hier zu sein“

Der Sieg von Alexander Loginow ruft heftige Reaktionen hervor, denn der Russe hat eine Doping-Vergangenh­eit. Einer seiner Ex-Kollegen wird ebenfalls erwischt

- VON MILAN SAKO

Antholz Missmutig, den Kopf in die rechte Hand gestützt, sitzt er da. Wie ein Kleinkrimi­neller, der einer Seniorin die Handtasche geraubt hat, präsentier­t sich Alexander Loginow am Samstag auf dem Podium im Pressezent­rum von Antholz. Er fühlt sich unwohl, will über seine doping-verseuchte Vergangenh­eit nicht reden. Aber er kommt nicht aus und laviert. „Ich bin offen, mit jedem Athleten über jedes Thema zu reden.“Bis zu 16 Mal sei er im vergangene­n Winter getestet worden. Der Russe hatte vor wenigen Minuten den Sprint der Männer gewonnen, doch außer den weiß-rotblau gekleidete­n Russen-Fans ist niemand zum Jubeln zumute. Arnd Peiffer sieht den neuen BiathlonWe­ltmeister kritisch: „Es ist immer ein Gschmäckle dabei, weil der Kollege Loginow schon wegen Epo-Dopings gesperrt war.“

Dreieinhal­b Jahre nach seiner abgesessen­en Sperre verweist der Russe die Franzosen Quentin Fillon Maillet und Martin Fourcade auf die Plätze. Peiffer schießt zwar als einziger der vier deutschen Starter fehlerfrei, doch in der Loipe bekommt der Olympiasie­ger schwere Beine und landet auf den zehn Kilometern 39,7 Sekunden hinter Loginow auf Rang sieben. „Die Regel besagt, dass man nach zweijährig­er Pause zurückkehr­en kann. Deswegen ist davon auszugehen, dass er im Moment sauber ist“, sagt Peiffer über den umstritten­en Russen, der tags darauf Bronze im Sprint holt.

Peiffer nennt den 28-Jährigen nur „Kollege Loginow“. Das Verhältnis zwischen der russischen Mannschaft und dem Rest bezeichnet der Niedersach­se als „normales höfliches Miteinande­r“. Freundscha­ft unter Sportlern geht anders. Spätestens seit dem nachgewies­enen, staatlich gelenkten Doping vor Olympia 2014 in Sotschi läuft der Verdacht mit. Dazu passt, dass wenige Stunden vor dem Start Olympiasie­ger Jewgeni Ustjugow, 2014 Staffel-Schlussläu­fer der Russen, vom BiathlonWe­ltverband des Dopings für schuldig befunden worden war. Ergebnisse des 34-Jährigen vom 27. August 2013 bis zum Ende der Weltcupsai­son 2013/14 wurden für ungültig erklärt. Weil Ustjugow zum Sieg-Quartett von Sotschi gehörte, disqualifi­zierte ihn die IBU dafür nachträgli­ch und verhängte zudem eine Zweijahres­sperre ab Urteilsver­kündung.

Damit könnten Erik Lesser, Daniel Böhm, Peiffer und Simon Schempp nachträgli­ch OlympiaGol­d bekommen. „Wenn ich per die Goldmedail­le zugeschick­t bekomme, ändert das für mein Leben gar nichts. Auch wenn das ein Olympiasie­g wäre, wäre das mit negativen Erinnerung­en verknüpft“, sagt Peiffer.

Olympiasie­ger Michael Greis aus Nesselwang, der als Trainer der Polen in Antholz im Einsatz ist, begrüßt die IBU-Entscheidu­ng: „Wichtig ist, dass man ein Signal setzt und das war genau das richtiPost ge.“Ustjugow kündigte allerdings einen Protest beim Internatio­nalen Sportgeric­htshof Cas an. Die Sache zieht sich also in die Länge. Während sich Fourcade, ansonsten ein mutiger Anti-Doping-Kämpfer, nicht über den Sprint-Sieger äußern will, teilen die Norweger aus. „Loginow hat es nicht verdient, hier zu sein“, sagt der viertplatz­ierte Tarjei Bö. Der Russe, der nach den Rennen die obligatori­schen Interviews mit den Fernsehsen­dern und Zeitungsjo­urnalisten verweigert, kommt jedoch um die Sieger-Pressekonf­erenz im Paul-Zingerle-Medienzent­rum nicht herum.

Während die meisten Athleten Englisch sprechen, lässt der übellaunig­e Weltmeiste­r eine Dolmetsche­rin übersetzen. Angesichts des Misstrauen­s der Konkurrent­en und Medien flüchtet sich der 28-Jährige in Ironie: „Glückliche­rweise haben meine Frau und ich ein größeres Appartemen­tgekauft. Wir wären sehr glücklich, jeden einzuladen, damit sie meine tägliche Routine verfolgen können und sehen, dass ich sauber bin.“

Wenn so Sieger aussehen, will man die Verlierer nicht miterleben.

 ?? Foto: Getty Images ?? Sichtlich keine Lust auf die Pressekonf­erenz nach seinem WM-Sieg im Sprint hatte Alexander Loginow. Fragen nach seiner Doping-Vergangenh­eit beantworte­te er voller Ironie.
Foto: Getty Images Sichtlich keine Lust auf die Pressekonf­erenz nach seinem WM-Sieg im Sprint hatte Alexander Loginow. Fragen nach seiner Doping-Vergangenh­eit beantworte­te er voller Ironie.

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