Neuburger Rundschau

Straubing schockt Shedden

Ein historisch­er Abend in Niederbaye­rn: Der ERC Ingolstadt schießt auswärts sechs Tore, zwei davon durch Wayne Simpson in Unterzahl – und verliert dennoch mit 6:7 in Straubing. Mal wieder

- VON FABIAN HUBER

Straubing Zwischen Erleichter­ung und Konsternat­ion lagen 14,6 Sekunden. Kris Foucaults Schuss saß. Ausgleich ERC Ingolstadt, kurz vor Schluss. Ein Sieg in Straubing schien so nah – zum ersten Mal seit November 2016, zum ersten Mal überhaupt für Trainer Doug Shedden. Der schickte für den letzten Wechsel der Partie seine besten Defensivsp­ieler nach draußen: Colton Jobke, Fabio Wagner, Matt Bailey, Brett Olson, Wayne Simpson.

Eigentlich ist Letzterer ja ein Meister der Bandenkämp­fe. Doch im entscheide­nden Moment, im besagten letzten Wechsel, in Straubing, an einem verrückten Sonntagabe­nd, verlies Simpson seine Ruhe. Er verlor die Scheibe in der Ecke. Und kurz darauf bebte Niederbaye­rn. Mike Connolly staubte ins Tor ab. Und wer seinen Blick lösen konnte vom Wahnsinn auf dem Eis und das 7:6 (1:2, 3:2, 3:2) auf der Anzeigetaf­el sah, während Straubings Stadionspr­echer ein ekstatisch­es „I werd narrisch!“ins Mikro brüllte, der wusste spätestens dann: Da ist gerade etwas Historisch­es passiert.

Shedden hatte sich vor der ungeliebte­n Fahrt in den Gäuboden etwas einfallen lassen: „Ich habe kein einziges Wort über Straubing verloren. Nach dem Training am Samstag hatten wir ein Bier zusammen und haben auf den Sieg gegen Düsseldorf angestoßen“, verriet er. Und die Nicht-Konfrontat­ionstherap­ie schien zu wirken. Ingolstadt, ohne den kranken Mike Collins und die Verletzten Simon Schütz und Jerry D’Amigo, überstand die traditione­ll starken ersten Heimwechse­l der Tigers, zwang Straubing mit frühem Druck zu Aufbaufehl­ern, stand hinten eng und ließ überwiegen­d Schüsse von außen zu. Und vorne, da setzte Matt Bailey das um, was er oft nach offizielle­m Trainingse­nde übt: schneller Haken, Scheibe mischen, den Puck leicht nach hinten ziehen, dann schneller Abschluss. Zu viel Beweglichk­eit für Gegenspiel­er Benedikt Kohl und Jeff Zatkoff im Straubinge­r Tor (12.).

Der Anstoß zu einem Spektakel. ERC-Verteidige­r Fabio Wagner wurde zu Unrecht auf die Strafbank geschickt, da blockte Simpson einen

Schuss von Sena Acolatse und verlud Zatkoff im Solo (16.). Und Wagner sah von draußen einen weiteren Treffer: Panther-Goalie Timo Pielmeier fischte einen Schuss von Antoine Laganière noch mit der Fanghand weg, verlor dann seine Position. Der Tigers-Stürmer reagierte flink und legte Travis Turnbull den 1:2-Anschlusst­reffer auf (16.).

Das mit ERC-Führungen gegen Straubing ist so eine Sache. Im zweiso ten Drittel verspielte­n die Panther bereits ihren dritte 2:0-Vorsprung gegen die Niederbaye­rn in dieser Saison. Mulock traf früh aus dem Slot (22.). Straubing stürmte, das Spiel drohte zu kippen – und es kippte. Steven Seigo servierte Straubings Top-Scorer Connolly die Scheibe im Aufbau. Der tunnelte Pielmeier (24.). Laganière fälschte in Überzahl einen Schuss ins Tor ab (28.).

Wie ein wildgeword­ener Tiger trabte Shedden hinter der Bande auf und ab. „Hat einer der Torhüter heut überhaupt einen Save gemacht? Ich habe keinen gesehen“, wird er später sagen. Viel zu weit weg waren seine Schützling­e jetzt von ihren Gegenspiel­ern. Doch Ingolstadt bäumte sich auf. Foucault traf in Überzahl (34.), Simpson nach formidable­m Alleingang zum zweiten Mal in Unterzahl (37.) – wie gesagt, ein historisch­er Tag – und Mirko Höfflin ließ im Schlussabs­chnitt mit einem Traumschus­s das Panther-Glück perfekt erscheinen (47.). Dann ließ sich Pielmeier erneut tunneln, diesmal von Mulock (53.), Stephan Daschner brachte die Tigers in Front (55.), Foucault traf 16 Sekunden vor Schluss. Der Rest ist das vorerst letzte Kapitel des Ingolstädt­er Auswärtsdr­amas in Straubing.

Shedden schäumte: „Ich habe keine Worte. Ich bin schockiert, angesichts der Leistung, die einige Spieler in so einem wichtigen Spiel gezeigt haben. Ich werde mir jetzt die Unterlippe über den Kopf ziehen und schlucken.“Schlucken über Platz acht, auf den die Panther abrutschte­n. Sollten sie die sechs Punkte auf Rang sechs noch aufholen, wartet im Viertelfin­ale wohl ausgerechn­et Straubing. „Gegen die würde ich liebend gerne in den Playoffs spielen“, ätzte Shedden. Dann stieg er wortlos in den Mannschaft­sbus.

ERC Ingolstadt Pielmeier – Edwards, Jobke; Friesen, Sullivan; Seigo, Wagner; Taticek – Foucault, Olson, Mashinter; Simpson, Findlay, Bailey; Elsner, Höfflin, Wohlgemuth; Detsch, Olver, Stachowiak – Tore 0:1 Bailey (12.), 0:2 Simpson (16./PK), 1:2 Turnbull (16./PP), 2:2 Mulock (22.), 3:2 Connolly (24.), 4:2 Laganière (28./PP), 4:3 Foucault (34./PP), 4:4 Simpson (37./PK), 4:5 Höfflin (47./PP), 5:5 Mulock (53.), 6:5 Daschner (55.), 6:6 Foucault (60.), 7:6 Connolly (60.) – Zuschauer 5000.

 ?? Foto: Johannes Traub ?? Bedient: Trainer Doug Shedden musste mit ansehen, wie der ERC Ingolstadt in Straubing mit 6:7 verlor und auf Tabellenpl­atz acht abrutschte.
Foto: Johannes Traub Bedient: Trainer Doug Shedden musste mit ansehen, wie der ERC Ingolstadt in Straubing mit 6:7 verlor und auf Tabellenpl­atz acht abrutschte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany