Neuburger Rundschau

Warum Tierärzte teurer werden

Vor allem auf dem Land machen Tierklinik­en dicht. In diese Lücke könnten internatio­nale Ketten stoßen. Experten fürchten, dass sie ihre Marktmacht ausnutzen

- VON CHRISTINA HELLER

Ulm Haustiere sind teure Familienmi­tglieder. Vor allem die Kosten für ärztliche Behandlung­en von Hund und Katz sind in den vergangene­n Jahren spürbar gestiegen. Und Experten fürchten, dass sich dieser Trend noch fortsetzen könnte. Weil, gerade auf dem Land, die flächendec­kende Versorgung immer weniger gewährleis­tet ist und immer mehr Kliniken mit 24-Stunden-Service zumachen, entstehen Lücken, in die internatio­nale Ketten drängen. Eine Entwicklun­g mit Risiken und Nebenwirku­ngen.

Schon lange warnen Tierarztve­rbände und -kammern vor einem Praxisster­ben. Die Zahl der niedergela­ssenen Tierärzte in Bayern ist in den vergangene­n Jahren zwar einigermaß­en konstant geblieben, wie Karl Eckart, Präsident der Bayerische­n Landestier­ärztekamme­r, bestätigt. Trotzdem ist er besorgt. Denn: Auch Tierärzte spezialisi­eren sich immer mehr. Es gibt Augenärzte, Kardiologe­n und Onkologen. Deshalb bleibe die Anzahl der Praxen zwar konstant, es sinke aber die

Zahl der Allgemeinm­ediziner. Hinzu kommt: In Bayern gebe es vielleicht noch 40 Tierklinik­en. Vor fünf Jahren waren es noch 61. Viele Inhaber geben ihre Lizenzen zurück. Einer der Gründe: Eine Klinik muss 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr besetzt sein. Diesen Notdienst schaffen die wenigsten, weil das Personal dafür fehlt. Für Tierärzte gelte – anders als für andere Ärzte – keine

Ausnahme im Arbeitszei­tgesetz, sagt Eckart. Also geben die Klinik-Inhaber ihre Lizenzen zurück, arbeiten stattdesse­n als Großpraxen weiter – und bieten keinen Notdienst mehr an. Das hat direkte Folgen für Tierhalter: Denn wohin sollen sie sich wenden, wenn am Wochenende oder nachts etwas passiert? „Das ist ein ganz großes Problem – vor allem auf dem Land“, sagt Eckart.

Im Grund hat die Tiermedizi­n also das gleiche Problem, das in der Humanmediz­in schon lange diskutiert wird: Kaum jemand will noch

Landarzt werden. Kliniken in der Peripherie lohnen sich nur bedingt. Ärzte, die in Ruhestand gehen wollen, finden keine Nachfolger.

Das nutzen immer öfter internatio­nale Ketten. Sie machen den Betreibern von großen Praxen und Tierklinik­en verlockend­e Angebote und kaufen sie auf. Das klingt erst einmal nicht schlecht, so entsteht zumindest keine Versorgung­slücke. Der Ulmer Tierarzt Ralph Rückert, der sich in der Branche einen Namen als Mahner gemacht hat, fürchtet allerdings, dass dadurch Monopole geschaffen werden und die Betreiber dann die Preise nach oben treiben können, weil Tierbesitz­er ja keine andere Wahl haben, als in die Filialen zu kommen.

Der Experte nennt zwei große Ketten: Anicura wurde in Schweden gegründet. 270 Tierklinik­en betreibt das Unternehme­n europaweit. Seit 2018 gehört es zum Süßigkeite­n-Konzern Mars. Evidensia wiederum ist nach eigenen Angaben die führende Tiermedizi­n-Gruppe in Europa. Zu den Anteilseig­nern gehört unter anderem Nestlé. Die beiden Ketten wollen wachsen – auch in Deutschlan­d. Ziel sei es, Synergien zu schaffen zwischen den jeweils eigenen Praxen. Davon sollen Tiere und Halter profitiere­n. Aufgrund ihrer Größe können die Ketten günstiger einkaufen. Ähnlich wie Aldi oder Lidl im Discounter­bereich. Zwischen den einzelnen Praxen kann zudem Wissen ausgetausc­ht werden. Das soll die Behandlung­en besser machen. So argumentie­ren die Unternehme­n.

Rückert fürchtet, dass eher das Gegenteil passiert und die Ketten ihre Macht ausnutzen. Denn im Vergleich zu Schweden sei Deutschlan­d ein tiermedizi­nisches Billigland. Rückert rechnet ein Beispiel vor: Hat ein Hund eine Magenverdr­ehung, muss er sofort operiert werden. Eine solche Not-Operation kostet 2500 Euro. „Das ist viel Geld. Aber in Schweden kostet die gleiche Operation 6000 bis 7000 Euro.“

Über kurz oder lang, da ist sich der Ulmer Tiermedizi­ner sicher, werden die Ketten die Preise auch in Deutschlan­d nach oben treiben. In zehn bis 15 Jahren, schätzt er, werden auch hier Ketten den Markt dominieren.

Auch Tiermedizi­ner spezialisi­eren sich

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