Neuburger Rundschau

Der Druck auf die AfD wächst

Die Parteispit­ze relativier­t den rechten Terror. Kommt bald eine Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz?

- VON MICHAEL POHL

Berlin Es kommen immer mehr bittere Details vom Terroransc­hlag von Hanau ans Licht, die das Entsetzen über die Tat verstärken. Überlebend­e berichten, dass der Rechtsextr­emist Tobias R. äußerst kaltblütig vorging und seine Opfer mit gezielten Kopfschüss­en tötete. Die meisten der zehn Menschen, die der Sportschüt­ze tötete, sind in Deutschlan­d geboren worden. Umso mehr wächst die Empörung über das Verhalten einiger AfD-Politiker im Land, die den Terroransc­hlag zu relativier­en versuchen.

Noch bevor die Hintergrün­de der Tat bekannt waren, lösten Tweets etwa vom AfD-Kreisverba­nd Augsburg Entsetzen im Internet aus: „Deutschlan­d auf dem Weg zum Multikulti-Drecksloch“, twitterte die Partei in der Sprache der

Rechtsradi­kalen auf ihrem offizielle­n Augsburger Twitter-Account am Donnerstag­morgen. Eine Stunde später wurde der Tweet gelöscht und am Mittag distanzier­te sich der Kreisvorst­and von dem Statement.

Doch auch die Reaktionen von AfD-Spitzenpol­itikern ziehen breite Kritik auf sich. Der Berliner AfDPolitik­er Georg Pazderski brachte das Attentat mit der Politik von Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Verbindung, die Parteispit­ze versuchte, den Terroransc­hlag zu relativier­en: „Das ist weder rechter noch linker Terror, das ist die wahnhafte Tat eines Irren“, schrieb Parteichef Jörg Meuthen.

Der AfD-Vorsitzend­e verwendete dabei fast die gleiche Wortwahl wie die rechtsextr­emistische „Identitäre Bewegung“, die erklärt hatte, bei dem Täter, handle es sich nicht um einen „Rechten“sondern um einen „Irren“. Tatsächlic­h wächst nach der Serie rechtsextr­emer Terroransc­hläge der Druck auf die AfD.

Der AfD-Fraktionsv­orsitzende im Bundestag, Alexander Gauland, bediente sich in der Vergangenh­eit besonders deutlich rechtsextr­emistische­n Vokabulars: In der Diskussion

über Familienna­chzug von syrischen Flüchtling­en sprach er davon, ein „Bevölkerun­gsaustausc­h“laufe in Deutschlan­d „auf Hochtouren“. Diese Formulieru­ng gilt als Schlüsselb­egriff rechtsextr­emer Verschwöru­ngstheorie­n: Der rechtsextr­eme Massenmörd­er von Christchur­ch verwendete es sogar als Titel der Bekennersc­hrift seines Terroransc­hlags mit 51 Toten.

Die SPD fordert, die AfD als Ganzes unter Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes zu stellen. Bislang hat der Bundesverf­assungssch­utz den immer stärker werdenden, sogenannte­n „Flügel“des rechtsradi­kalen Thüringer AfD-Chefs sowie die Partei-Jugendorga­nisation „Junge Alternativ­e“zum „Verdachtsf­all im Bereich Rechtsextr­emismus erklärt, die Partei als Ganzes gilt intern als „Prüffall“. SPDGeneral­sekretär Lars Klingbeil dringt nun auf eine offizielle Beobachtun­g und begründet dies auch mit dem jüngsten Terroransc­hlag.

„Da hat einer geschossen in Hanau, danach sieht es aus, aber es waren viele, die ihn munitionie­rt haben, und da gehört die AfD definitiv mit dazu“, sagte der SPD-Politiker im ARD-Morgenmaga­zin. Die Partei habe das gesellscha­ftliche Klima in den letzten Monaten und Jahren vergiftet. „Es ist doch völlig klar, dass die AfD eine Partei ist, die beobachtet werden muss vom Verfassung­sschutz.“Unterstütz­ung erhält Klingbeil nicht nur von Niedersach­sens SPD-Innenminis­ter Boris Pistorius, sondern auch von renommiert­en Verfassung­sexperten: Eine genauere Prüfung der AfD durch den Verfassung­sschutz wäre „ein richtiger Schritt“, sagte der Staatsrech­tler Ulrich Battis der Neuen Osnabrücke­r Zeitung.

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Foto: dpa AfD-Chef Meuthen relativier­t.

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