Neuburger Rundschau

Hamburg ist etwas Besonderes

Warum die Wahlen an der Elbe kaum Auswirkung­en auf die Bundespoli­tik haben

- VON RUDI WAIS

Hamburg Hamburg ist anders. In Hamburg kann die SPD noch gewinnen. Bei knapp 40 Prozent lagen die Sozialdemo­kraten dort in den letzten Umfragen vor der Wahl an diesem Sonntag – und so sehr sich die arg gebeutelte Partei seit Jahren nach einem solchen Wahlergebn­is sehnt, so sehr muss es ihren Vorsitzend­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zu denken geben.

Peter Tschentsch­er, der amtierende Bürgermeis­ter, ist der personifiz­ierte Gegenentwu­rf zur neuen Parteispit­ze. Der 54-Jährige redet nicht nur vom Bauen, sondern er baut. Er fordert keine Steuererhö­hungen, sondern kommt mit dem Geld aus, das er hat. Und der Ton, den er anschlägt, ist nicht der eines verhindert­en Klassenkäm­pfers, sondern sachlich und auf Ausgleich mit der Wirtschaft bedacht. Dass er weder die beiden Parteichef­s noch den jungen Wilden Kevin Kühnert als Gastredner in seinen Wahlkampf eingeladen hat, war so gesehen nur konsequent. Tschentsch­er wird diese Wahl nicht gewinnen, weil er Sozialdemo­krat ist, sondern obwohl er Sozialdemo­krat ist. Nicht von ungefähr hat er mit Frank Stauss einen ehemaligen Wahlkampfm­anager von Gerhard Schröder engagiert.

Für die Bundespoli­tik ist der Ausgang der Hamburg-Wahl deshalb auch nur von begrenzter Brisanz – ein politische­r Sonderfall, interessan­t in seiner Entstehung, aber wenig repräsenta­tiv. In Berlin werden die SPD-Oberen auf ihrem Linkskurs bleiben, für die CDU und die FDP ist Hamburg ohnehin ein schwierige­s Terrain, und auch die Grünen haben trotz satter Zugewinnen und Umfragewer­ten von zwischenze­itlich mehr als 30 Prozent wenig Grund zur Euphorie.

Ihr Ziel, selbst die Bürgermeis­terin zu stellen, erreichen sie aller Voraussich­t nach nicht, sondern bleiben, was sie sind: Juniorpart­ner in einer rot-grünen Koalition, deren Regierungs­chef selbst die jüngste Debatte um eine nicht eingetrieb­ene Steuerschu­ld von 47 Millionen Euro einer Hamburger Privatbank nicht groß geschadet hat. Auch die Ereignisse in Thüringen haben die Wähler in der Hansestadt bisher vergleichs­weise kalt gelassen. Mag sein, dass das Chaos in Erfurt die Liberalen den Wiedereinz­ug in die Bürgerscha­ft kostet. Das war es dann aber auch schon. Hamburg ist anders.

Falls in Thüringen nicht noch einmal gewählt wird, wird die Hamburg-Wahl die einzige Landtagswa­hl in diesem Jahr bleiben und in den Präsidien der Bundespart­eien am Montag schnell abgehakt sein. Zu speziell ist die Situation an der Elbe, zu unklar auch die in Berlin. Im Konrad-Adenauer-Haus, zum Beispiel, hat das Präsidium der CDU am Montag noch ein weiteres, ungleich spannender­es Thema – das Kandidaten­rennen um den Parteivors­itz. Und im Willy-Brandt-Haus wissen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans ganz genau, dass ein Erfolg in Hamburg nicht der ihre wäre, sondern, dass die Diskussion um den künftigen Kurs der Partei und den Verbleib in der Großen Koalition noch andauern wird.

Allein im Thomas-Dehler-Haus dürfte es bei einem Wahlergebn­is unter der kritischen Marke von fünf Prozent etwas hitziger zugehen. Bei der Suche nach einem Schuldigen würden die Blicke auch auf FDPChef Christian Lindner fallen.

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Foto: Daniel Bockwaoldt, dpa Ein beleuchtet­es Kreuz steht als symbolisch­es Wahlkreuz vor dem Hamburger Rathaus.

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